Montag, 20. April 2015

Spiritualität der Nichtgleichgültigkeit – Gegen das Flüchtlingssterben

Wenn ich die Nachrichten höre, wird mir schlecht. Ich kann nur schwer aushalten zu hören, wie viele Menschen wieder und wieder im Wasser vor Europa umkommen und wie abgebrüht und weichgekocht die Reaktionen der zuständigen Politiker sind.
Die todbringende Devise heißt augenscheinlich: Schleuser bekämpfen anstatt Menschen zu retten.

Tomáš Halík, dessen Buch "Berühre die Wunden"1 ich gerade lese, spricht dagegen von einer "Spiritualität der Nichtgleichgültigkeit"2, die es einzuüben gelte. Das trifft es meiner Meinung nach.
Verschlossene Türen ins Nichts. Lichtenberg, Berlin, 2015.
Christlich wäre der "Mut zu sehen"3 und sich davon berühren zu lassen, wäre eine wirksame Bekämpfung des Massentodes, nicht eine immer größere Abschottung.
Die Gefahr, dass das aufgeklärte und an humanen Werten orientierte Europa "kulturelle Überlegenheitsansprüche"4 aus seiner oft durchaus vorbildlichen Menschenrechtstradition formuliert (wie Hans Joas in seiner neuen Publikation schreibt), scheint angesichts dieses humanitären Versagens nicht mehr gegeben. Vielmehr muss anscheinend die Warnung von Papst Franziskus aktualisiert werden, der 2013 auf Lampedusa eine "Globalisierung der Gleichgültigkeit" anprangerte.

Halík schreibt später:
"Denen, die auf dieser Welt durch Gewalt und Bosheit in die Knie gezwungen wurden, ohne dass sie sich auf das Spiel der Gewalt und der Bosheit eingelassen hätten, denen, 'die sich ihr Gewand im Blut des Lammes reingewaschen haben' (vgl. Offb 7,14) , die 'aus der großen Bedrängnis kommen', verheißt die Offenbarung des Johannes die Teilnahme an jener Liturgie, bei der alle vor dem Lamm auf die Knie fallen und ein neues Lied anstimmen werden".5

Den Flüchtlingen, den Bedrängten dieser Welt, jenen, die unsere Gleichgültigkeit nicht leben lässt, gilt Gottes Liebe und gerade sie will er aufnehmen in seine Herrlichkeit.


1   T. Halík, Berühre die Wunden. Über Leid, Vertrauen und die Kunst der Verwandlung. Freiburg i.Br. 2. Aufl 2014. 
2   Ebd., 48; 55; 106.
3   Ebd., 106.
4   H. Joas, Sind die Menschenrechte westlich? München 2015, 13. Vgl. ebd., 13ff. 
5   T. Halík, a.a.O., 116.