Dienstag, 6. Dezember 2016

Advent und das Wunder des werdenden Lebens

Wer von Advent und Weihnachten im christlichen Sinne spricht, spricht immer auch davon, dass Jesus Christus als Mensch geboren wird. Dass Gott da also ein Mensch werden will, wird, insofern eine solche Aussage nicht ins Mythologische abgeschoben wird, gemeinhin als Wunder bezeichnet.

Doch bei genauerer Betrachtung ist das größte Wunder eigentlich, dass durch den sexuellen Akt überhaupt neues Leben entsteht. Dass die Eizelle einer Frau und die Samenzelle eines Mannes zusammen fähig sind, in der Gebärmutter der Frau ein neues Lebewesen entstehen zu lassen, ist eigentlich gar nicht zu fassen.

Kern des Lebens? Rixdorf, Berlin, 2016.
Und trotzdem führt schon die Wortwahl in die Irre – wer lässt denn hier entstehen? Da wirkt doch kein "Wille" irgendwelcher Zellen oder Hormone – und schon gar nicht ist es ein "Kindermachen" von Sexualpartnern, die sich nach Belieben entscheiden könnten, wann sie die Lebenswerdung einleiten. Sie können gerade mal eine Empfängnis durch verhütende Maßnahmen weitestgehend verhindern oder durch Zyklusberechnungen die Chance darauf steigern.

Aber ob dann tatsächlich dieses ungeheuerliche "Etwas" geschieht, ist uns Menschen als "Machen" aus der Hand genommen und nur begrenzt steuerbar. Wir können Voraussetzungen schaffen, dem Bedingungsgefüge technisch unter die Arme greifen, Reagenzgläser schwingen und die Einnistung befruchteter Eizellen vorantreiben.
Aber das Leben, es entsteht bei all dem Tun eben – oder auch nicht.

Dass etwas so Fundamentales wie die eigene Fortpflanzung so anarchisch unregierbar bleibt, hat schon lange vor uns die Menschen dazu gebracht, vom Leben als Gabe zu sprechen. Neues Leben ist eine Gnade – unverhältnismäßiges Beschenktwerden mitten in der zwischenmenschlichen Liebe.

Denn da hat neu entstehendes Leben seinen idealen Ort – in der hingebungsvollen Liebe zweier Menschen, die so offen sind für einander, dass aus ihrer Beziehung die Liebe weiterfließt zur Weitergabe des Lebens an einen Dritten.

Das ganze bisherige eigene Leben ändert sich für eine Frau, die weiß und ahnt, dass in ihr, in ihrem Körper ein von ihr abhängiges und doch mehr und mehr eigenständiges Leben heranwächst.
Eine Person entsteht in einer Person, jeden Tag mehr wird individuelles Leben in einem Individuum. Und plötzlich gibt es da einen neuen Menschen.

Wahrscheinlich ist der Advent die passendste Zeit, um dieses unzeitgemäße Staunen darüber, dass da überhaupt menschliches Leben ist, einmal zuzulassen.

Ja, es ist so wunderbar, dass schon die Psalmbeter Gottes Größe besangen:

"... du hast mein Inneres geschaffen, mich gewoben im Schoß meiner Mutter.
Ich danke dir, dass du mich so wunderbar gestaltet hast.
Ich weiß: Staunenswert sind deine Werke.
Als ich geformt wurde im Dunkeln, kunstvoll gewirkt in den Tiefen der Erde,
waren meine Glieder dir nicht verborgen.
Deine Augen sahen, wie ich entstand,
in deinem Buch war schon alles verzeichnet;
meine Tage waren schon gebildet, als noch keiner von ihnen da war." (Ps 139,13-16)

Und im Advent schließlich geht der Blick besonders auf Maria als auf jene Frau, in der dieses Geschenk werdenden Lebens ganz aus dem Willen Gottes Wirklichkeit wurde (sei für diese gnadenhafte Jungfräulichkeit nun ein Mann nötig gewesen oder nicht).

Jesus, Mensch unter Menschen, Wunder unter Wundern. Und...

Auch Wunder wohnen. Britz, Berlin, 2016.