Samstag, 21. Januar 2017

First things first! – Die zwei unterschiedlichen Visionen von Trump und Jesus

Kopf an! Museumsinsel Berlin, 2016.
"Von da an begann Jesus zu verkünden: Kehrt um. Denn das Himmelreich ist nahe." (Mt 4,17)

Und Präsident Trump sprach zu der versammelten Menschenmenge: "Vom heutigen Tag an wird eine neue Vision unser Land regieren. Vom heutigen Tag an wird es nur noch Amerika zuerst heißen, Amerika zuerst." (Antrittsrede, 20.01.2017)

Als er Simon und Andreas sah, "sagte er zu ihnen: Kommt her, folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen." (Mt 4,19)

Und im Angesicht der Menschen sprach er: "Ich werde mit jedem Atemzug meines Körpers für euch kämpfen, und ich werde euch nie hängenlassen. ... Alle Amerikaner in jeder Stadt, nah und fern, groß und klein, von Berg zu Berg, von Ozean zu Ozean, hört diese Worte. Ihr werdet niemals mehr ignoriert werden. Eure Stimme, eure Hoffnungen und eure Träume werden unser amerikanisches Schicksal bestimmen. Und euer Mut und eure Tugend und Liebe wird uns für immer auf diesem Weg leiten."

Da sind sie, die großen Führer – der im Evangelium dieses Sonntags und der in Washington: sie predigen Umkehr, Neuaufbruch, Nachfolge. Sie wollen Hoffnung, Tatkraft und Mut stärken, gehen selbst voran und versprechen den Weg zu bereiten für die Vielen, die ihnen folgen. (Ähnlich sicher bei vielen anderen politischen und religiösen Führern.)

Ganz im Sinne von Stephen Coveys Ratgeberbuch über die Haltungen effektiver Menschen haben sowohl Trump als auch Jesus proaktiv handelnd (Habitus 1) ihre Ziele in den Blick genommen (Habitus 2) und setzen nun ihre Prioriäten – "first things first" (Habitus 3) – das Wichtigste zuerst.

Doch während für Trump das Wichtigste Amerika ist, seine Maxime dementsprechend lautet: "America first!" – "Amerika zuerst!" und sich unter diesen Vorzeichen ein neu erblühender amerikanischer National-Egoismus als Drohung über Bündnis- und Handelspartner legt, lautet das Motto Jesu: "Sucht aber zuerst sein [Gottes] Reich und seine Gerechtigkeit" (Mt 6,33). Nicht unser, sondern sein Reich; nicht "wir oder die", sondern Gerechtigkeit, die vertraut, dass es für alle reicht.

Umkehr, Aufbruch und Nachfolge als formale Elemente dieser Einstiegsrede sind deshalb nicht ausreichend, um im umfassenden Sinne gut und effektiv zu sein (abgesehen davon, dass der angekündigte wirtschaftliche Protektionismus und die politisch-militärische Großmannsucht wohl kaum zu dauerhaftem Erfolg führen werden).

Leere Töpfe. Am Treptower Park, Berlin, 2016.
Denn, und hier überlagern sich formale und inhaltliche Perspektive, Jesu umfassende Zuwendung zu allen, geläufige Grenzen von Geschlecht, Herkunft, Religion oder Stand übergehend, war etwas, das seiner Reich-Gottes-Botschaft zutiefst entsprach und Basis seiner bekannten ethischen Weisungen wurde. 

Ganz anders im Falle des neuen Staatsoberhauptes.
Den universalen Anspruch Jesu braucht ein US-Präsident sicher gar nicht und viel Weltpolizistentum könnte mit nicht nur schlechten Folgen unter einem Trump-Präsidenten von den USA abfallen, aber das Abstreiten jeglicher gewachsener Verantwortung (siehe NATO, siehe wirtschaftliche Bündnisse wie NAFTA), die immense Selbstüberschätzung, die in der ersten offiziellen Rede als Staatsoberhaupt ertönt, und schließlich die Aggression gegenüber denen, die nicht nach seinem Willen spuren wollen, sind zutiefst beunruhigend und haben nichts christliches an sich.
Nächsten- und Feindesliebe als Begleitbotschaft vom Gottesreich mögen keine politischen Kategorien sein, aber die daraus ableitbaren Tugenden wie Respekt, Großherzigkeit, Toleranz, auch Selbstkritik sind sehr wohl politisch greifbar.
Den eigenen Tellerrand zu überschauen und mehr als Klientel-(bzw. National-)politik zu machen müssen auch die Kirchen immer wieder lernen – in den Spuren Jesu!

Vom neuen US-Präsidenten scheint man das zunächst nicht erwarten zu können.
Hoffentlich folgen in den nächsten Jahren nicht zu viele seinen Worten und Handlungen nach.
(Oder aber sie tun es nur in der Weise, wie viele derer, die in unseren Breiten den Namen Jesu tragen...)

Darum: Umkehr zu mehr Liebe ist immer vonnöten! Aufbruch zu neuem Schwung im Einsatz für das allgemeine Gute in der Welt! Denen folgen, die für gegenseitigen Respekt stehen!

Volle Schuhe. Tempelhofer Feld, Berlin, 2014.