Dienstag, 25. April 2017

Wer ist Gott für mich? Aussagen zu meinem Gottesbild

Kurz und knapp habe ich neulich formulieren müssen, wie mein Gottesbild aussieht. Hier nun die thesenartigen Aussagen, die sozusagen eine aktuelle Zusammenfassung der auf diesem Blog gesammelten Gedanken sind.
Goldschatz und neues Grün.
Bad Camberg, 2017.
Ein anwesender und ansprechbarer Gott – Er stellt sich vor als "Ich bin" (Ex 3,14). Darum können wir ihm in unserer Aufmerksamkeit für das Dasein, für die Gegenwart, für den Alltag begegnen.
Ignatius v. Loyola weist in diesem Sinne in einem Brief seine Mitbrüder an, Gott in allen Dingen zu suchen und zu finden.1
Besonders in der Stille bietet sich Gelegenheit zum Kontakt mit ihm – der Psalmist betet: ich "habe zur Ruhe gebracht meine Seele" (Ps 131). Auch Elija weiß, dass Gott da ist, als er ein "leises sanftes Säuseln" (1Kön 19,12) hört – nicht als Sturm und Feuer toben.
Und doch lässt er sich nicht nur anschweigen, sondern auch ansprechen.

Ein mit uns liebevoll vertrauter und uns suchender Gott – Es ist ein Gott, der mit jedem Menschen unmittelbar in Kontakt ist, der jeden kennt und liebt: "Ob ich sitze oder stehe, du kennst es ... Du bist vertraut mit all meinen Wegen" (Ps 139,2.3). Gott sieht mich an, liebevoll und genau. Er weiß wie ich im Innersten bin und nimmt mich so an. Albert Frey schreibt in einem Lied: "ich danke Dir, dass Du mich kennst und trotzdem liebst".
Wie jemand, der auf Schatzsuche ist, so sucht Gott uns (Lk 15), geht uns hinterher und ist immer zur Versöhnung bereit. Diese Treue und immer neue Versöhnlichkeit können wir von ihm lernen. Gott sagt von sich: "ich vergesse dich nicht" (Jes 49,15), denn er hat Sehnsucht nach uns.

Ein hingebungsvoller, nährender und tröstender Gott – "Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab" (Joh 3,16). Er gibt alles für uns (Jes 43,3f) und zeigt sich darin als großzügig Schenkender. Besonders sinnenfällig wird dies in der Eucharistie, in der er sich im Brot brechen und austeilen lässt. Er nährt uns mit sich.
Einst wird er "die Tränen von jedem Gesicht abwischen" (Jes 25,8) und schenkt einen Vorgeschmack davon im auferstandenen Jesus und dessen "Amt zu trösten".2 So wird seine heilsame Erlösung spürbar.

Kurbel.
St. Christophorus Neukölln, Berlin, 2017.
Ein größerer Gott – Gott ist nicht nur im Christentum zu finden. Sein Geist erreicht Menschen auch in anderen Religionen und durch sie. Christen können in anderen Religionen darum Wahrheit entdecken und viele „Werte, die sich bei ihnen finden, anerkennen, wahren und fördern.“ (NA 2) Mehr noch ist Gott auch in den Religionen verborgen gegenwärtig (AG 9) und führt die Menschen zu sich.

Ein berufender Gott – Für jeden Menschen hat er ein Ziel, zu dem er ihn führen will. In welcher Situation auch immer jemand ist, Gott hat einen Plan für ihn. Vor allem im Wahrnehmen unserer Begabungen und Sehnsüchte, Ängste und Grenzen können wir das "Suchen des göttlichen Willens"3 für unser Leben einüben.

Ein solidarischer und verwundeter Gott – Das Gerichtsgleichnis in Mt 25 und die Erscheinung des Auferstandenen vor Thomas bringen es auf den Punkt: "Jesus identifiziert sich mit allen Kleinen und Leidenden – also sind alle schmerzenden Wunden, das ganze Leid der Welt und der Menschheit 'die Wunden Christi'. An Christus zu glauben, 'mein Herr und mein Gott' rufen zu dürfen – das kann ich nur dann, wenn ich diese Seine Wunden berühren werde, von denen unsere Welt auch heute so voll ist."4

Ein grenzenloser Gott – Unser westliches, eher rationales Herangehen an die Frage nach Gott ist seiner Unfassbarkeit oftmals gar nicht angemessen und wir verfehlen Gott vielleicht oft. E.M. Remarque fragt: "Wer ist der Gestörte, Gezeichnete, Verbannte, sind wir es mit unseren Grenzen, mit unserer Vernunft, unserem geordneten Weltbild, oder sind es die anderen, durch die das Chaos rast und blitzt, und die dem Grenzenlosen preisgegeben sind wie Zimmer ohne Türen, ohne Decke, Räume mit drei Winden, in die es hineinblitzt und stürmt und regnet ...?"5
Bin ich "dem Grenzenlosen preisgegeben"?

Auf Kante. Rixdorf, Berlin, 2017.

1   Brief vom 01.06.1551 an A. Brandão: Die Studenten "können sich ... darin üben, die Gegenwart unseres Herrn in allen Dingen zu suchen, wie im Umgang mit jemand, im Gehen, Sehen, Schmecken, Hören, Verstehen und in allem, was wir tun“. In: Ignatius v. Loyola: Briefe und Unterweisungen. Würzburg 1993, 346-353, hier 350.
2
   Ignatius v. Loyola, Geistliche Übungen und erläuternde Texte. Leipzig 1978, No. 224, vgl. No. 194.
3
   Ebd., No. 15.
4
   T. Halík, Berühre die Wunden. Über Leid, Vertrauen und die Kunst der Verwandlung. Freiburg i.Br. 2. Aufl. 2014, 18.
5
   E.M. Remarque, Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend. Köln 1998, 95.