Samstag, 27. Mai 2017

Was ist diese Verherrlichung?? – Ein Gedanke zum Sonntagsevangelium

Ich verzweifle an diesem Text. Während mir bei allen Evangelienlesungen irgendwann etwas Handfestes einfällt, ist es mir beim Text des heutigen Sonntags (Joh 17,1-11a) fast unmöglich, ein vernünftig aussagbares Kondensat zu finden.
Also suche ich und erwäge und frage und lese und meditiere.

Am Ende dann das:
Jesus bittet Gott in seinem großen "Abschiedsgebet" um seine "Verherrlichung" (v1). Diese Verherrlichung ist zugleich die Verherrlichung Gottes selbst – und auch in den Menschen, die seine Worte "angenommen" (v8) und ihn "erkannt" (v7) haben, und also an Jesus als den Gesandten Gottes glauben, auch "in ihnen bin ich verherrlicht" (v10).
Spannend ist zunächst, dass die Leseordnung augenscheinlich möchte, dass wir diese Gedanken hinlesen auf den Himmelfahrtsabschied, der gerade gefeiert wurde. Doch der Kontext der Lesung im Johannesevangelium ist der Abschied von den Jüngern vor Festnahme und Kreuzigung.

Herrlichkeit, gedreht. Binz auf Rügen, 2016.
Hans Urs von Balthasar weist deshalb auf die Einheit der beiden Aspekte, Kreuz und Himmelfahrt, hin, denn es gibt keine zwei Phasen der Rückkehr des Sohnes zum Vater bei Johannes, "einer ersten der 'Erhöhung' am Kreuz [...] und einer darauffolgenden 'Verherrlichung' in Auferstehung und Himmelfahrt"; er betont dagegen, "daß vielmehr 'Erhöhung' und 'Verherrlichung' für Johannes ein untrennbarer einheitlicher Vorgang sind, also gerade das Kreuz (mit der Auferstehung zusammen) zur Verherrlichung gehört."1

Das Kreuz als Teil der Verherrlichung: so gedacht meint Verherrlichung das Sichtbarwerden der sich selbst verschenkenden Liebe, die im freiwilligen Tod am Kreuz ihren Höhepunkt hat.
In seinem Jesus-Buch fasst Benedikt XVI. diesen "Zusammenhang zwischen dem Knechtsdienst und der Herrlichkeit (dóxa)" so zusammen: "Gerade in Jesu Abstieg, in seiner Erniedrigung bis ans Kreuz, scheint die Herrlichkeit Gottes auf, wird Gott und in Gott Jesus verherrlicht."2
Auf diese Weise (noch einmal mit anderen Worten) ist das Kreuz selbst "die Verherrlichung Gottes geworden, Erscheinen von Gottes Herrlichkeit in der Liebe des Sohnes. [...] Diese Herrlichkeit ist Leben."3

Wenn wir diesen Abschnitt aus dem Evangelium also heute hören, dann werden wir erinnert, dass der Tod am Kreuz aus der Liebe kommt und dass diese Liebe das Leben Gottes in sich hat und in Kreuz und Auferstehung und Himmelfahrt und Geistsendung an uns weiterschenkt.
Das ist die Vollendung des Weges Jesu, der als Bote der Liebe zu den Menschen gekommen ist und der deshalb seine Herrlichkeit in der Liebe – und das heißt im Kreuz und im neuen Leben in Gott – findet.

Zugegebenermaßen ist das letztlich nichts anderes als das, was ich sonst auch oft hier schreibe. Aber so ist das mit der christlichen Botschaft: alle ihre weit hinausliegenden Enden konvergieren am Ende in der unfassbaren Liebe des sich erniedrigenden Gottes. Herrlich!


1   H.U.v. Balthasar, Mysterium Paschale. Leipzig 1969, 110.
2   J. Ratzinger / Benedikt XVI., Jesus von Nazareth. Zweiter Teil. Vom Einzug in Jerusalem bis zur Auferstehung. Freiburg i.Br. 2011, 92.
3   Ebd., 188.