Samstag, 20. Januar 2018

Über "life changing moments", Fremdbestimmung und die Verwandlung meiner Talente

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Es gibt Momente im Leben, die einen Menschen so prägen, dass danach alles anders ist. Lebensverändernde Momente.
Das ist zum Beispiel der Beginn der Schulzeit oder wenn ein Berufswechsel ansteht, oder eine Liebe auf den ersten Blick.
Den ersten Jüngern Jesu passiert im heutigen Evangelium (Mk 1,14-20) genau so etwas. Jesus spaziert am Strand des Sees Genezareth entlang, sieht Simon und Andreas – und sagt: Kommt und folgt mir!
Und sie – zack! – lassen ihre Netze liegen und gehen hinter ihm her. Ein "life changing moment".
Sie lassen ihr altes Leben hinter sich und beginnen noch einmal ganz neu.

Ich bezweifle ja, dass die meisten heutigen Christen solche "life changing moments", solche alles umstürzenden religiösen Erlebnisse, hatten.

Life changing?
Schlauch und Wand, Neukölln, Berlin, 2017.
Vielleicht wirkt Gott manchmal so – wie mit dem Hammer. Von Paulus wird berichtet, dass er auf dem Weg nach Damaskus gewesen sei, als er plötzlich geblendet war und die Stimme Gottes hörte (Apg 9) – das wäre so ein ganz eindeutiger Moment wie bei bei diesen ersten Berufungen am See.

Ich glaube, dass Gott mit jeder Person von uns einen Plan hat, so wie er mit den Aposteln einen Plan hatte. Aber wir sollten nicht erwarten, dass es diesen einen Moment gibt, in dem sich alles auf einmal zeigt.
Wenn Gott nicht auf diese Weise zu uns spricht – wir brauchen nicht zu verzweifeln! Er spricht zu uns.
Aber in den meisten Fällen wird die Einsicht, was es jeweils konkret bedeutet ihm zu folgen, bei uns sehr langsam durchsickern. Jesus wird uns wohl nur äußerst selten in einer Vision oder beim Spaziergang am Strand klarmachen, was er von uns will.
Darum ist unsere Ausdauer gefragt. Immer wieder fragen. Immer wieder hinhören. Dranbleiben.
Auch das ist life changing – lebensverändernd!

2
Doch auch wenn wir es dann irgendwann haben...
Wenn wir wissen, was wir tun müssten, damit unser Leben die Gestalt gewinnt, die Gott dafür möchte – dann müssten wir es auch noch tun, müssten unser Leben konsequent neu ausrichten.

"Sogleich ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm." heißt es von den Jüngern (v18).
Ich misstraue solchen Leuten. Irgendjemand kommt und fixt sie an – und schon sind sie fort. Sie laufen mit und tun, bevor sie nachdenken. Wo ist die Selbstbestimmung? Was soll diese Autoritätsfixierung?
Aber andererseits bewundere ich das auch. Nicht ewig rückversichern, grübeln, hin- und herbewegen. Sondern vertrauen und machen.

Man könnte sagen, dass dieser Jesus halt ein solch überwältigender Typ war, dass er einfach unwiderstehlich war und sie nicht anders konnten.
Gut unterscheiden, was noch gut ist!
Matratzenrest, Neukölln, Berlin, 2017.
Aber nach dem Prinzip verfahren ja viele charismatische Rattenfänger. Diejenigen, die sich einfangen lassen, nimmt man mit solange es geht, der Rest bleibt halt zu Haus.

Und gerade in religiöser Hinsicht gibt es viele dieser Rattenfänger.
Denn in religiösen Dingen geht es ja auch darum, zu vertrauen, loszulassen, nicht mehr auf sich selbst zu bauen und so weiter.
Es braucht also Kriterien, nach denen Nachfolge wirklich sinnvoll und zu verantworten ist.
Für die ersten Apostel als Juden war das hoffentlich die Tora und wie Jesus sie ihnen predigte.
Und für uns? Was sind unsere Kriterien?

Das berühmte Leben in Fülle? Oder die Kreuzesnachfolge? Woran merke ich, dass ich mich auf einem Wegabschnitt nicht gerade in Pseudo-Fülle vergrabe? Oder freiwillig leide, obgleich es überhaupt nicht sein muss?

Die Wege Gottes mit mir – und die Wege der von Gott zu mir Gesandten gut zu erkennen, braucht eine gute Unterscheidungsgabe. Und die braucht Übung. Braucht ein hörendes Herz.
Braucht Vertrauen – und Zweifel zugleich.

Vor allem aber die innere Offenheit, dass auch über meine eigene Scharfsinnigkeit hinaus ein Ruf Gottes an mich ergehen kann. Es hat nichts mit Autoritätshörigkeit zu tun, wenn ich darauf vertraue, dass Gott mir Gutes will und mich dahin ruft.

Dann kann ich aufbrechen, wie diese ersten Jünger.

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Ein gutes Kriterium für Gottes Ruf an mich ist, wofür ich mich gerufen fühle. Und was das mit meinem bisherigen Leben zu tun hat.

Die ersten Berufenen waren nach dem Markusevangelium Fischer. Jesus nimmt das auf und sagt: "Ich werde euch zu Menschenfischern machen" (v17).
Er nutzt das, was sie zuvor auch schon tun und was sie besonders gut können und verwandelt es.

Das will er auch bei uns. Wenn wir unsere Talente anschauen, die Fähigkeiten, die wir haben und die Gaben, mit denen wir beschenkt sind – dann können wir auch ahnen, was Gott für sein Reich von uns will. Er will das, was sowieso schon in uns liegt, verwandeln.

Los geht's!

Leinen los!
Waren / Müritz, 2016.