Weitere Perspektive. Blick auf die "Altstadt" von Warschau, 2015. |
Komorowski, seinerseits bekennender und
praktizierender Katholik, wurde in den vergangenen Wochen von Teilen
des polnischen Episkopats und katholischer Aktivisten hart
angegangen, weil er in den letzten Tagen seiner Amtszeit ein Gesetz
unterzeichnet hat, durch das die In-Vitro-Fertilisation, also die
künstliche Befruchtung außerhalb des menschlichen Körpers, in
Polen legalisiert wird.
(Zu dieser Methode und ihrem Ziel kann
man selbstverständlich unterschiedlicher Meinungen haben: ob jemand
der Hoffnung auf ein Ende der Kinderlosigkeit einen entscheidenden
Wert zugesteht oder die befruchteten Eizellen als beginnendes
menschliches Leben ansieht und die nicht eingesetzten Eizellen als
entscheidenden Hinderungsgrund für die Wahl dieser Methode
betrachtet muss diskutiert werden. Die katholische Kirche sieht aus
dem genannten Verständnis heraus und aus anderen Gründen die
In-Vitro-Fertilisation nicht als moralisch legitime Option an.)
Komorowski selbst betont:
„Ich bin nicht Präsident des Gewissens der Menschen.“
("Nie jestem prezydentem ludzkich sumień") und
erklärt, dass er die rechtlichen Möglichkeiten schaffen wolle, die
nun aber niemand entgegen dem eigenen Gewissen nutzen müsse.
Im öffentlichen Diskurs kam es nun
nicht nur zu Briefwechseln zwischen mit dem Vorsitzenden der
Polnischen Bischofskonferenz im Kontext der Unterzeichnung des
Gesetzes durch den Präsidenten, sondern darüber hinaus zur sich ins
Absurde verselbstständigenden Debatte, ob Komorowski nun überhaupt
noch zur Kommunion zugelassen werden dürfe oder vielleicht sogar
kommuniziert sei. Ohne dass hier theologisch oder kirchenrechtlich
etwas entschieden war, sprach sich ein Bischof dafür aus, Komorowski
solle die Kommunion besser nicht empfangen, während man den
Präsidenten beim reaktionär-antisemitischen Radio Maryja gleich mit
Hitler verglich.
Verdunkelt das Kreuz die Sonne? Swiatynia Opatrznosci Bozej, Wilanow, Warschau, 2015. |
Im Kontext der Amtsübergabe hat der
scheidende Präsident in der vergangenen Woche an einer
abschließenden Eucharistiefeier feiern lassen.
Im Rahmen dieser liturgischen Feier
entschuldigten
sich einige Priester „für viele Ungerechtigkeiten, sogar einige
sehr niederträchtige“ die „durch Leute, die wir Leute der
Kirche nennen“ begangen wurden, vor allem für „Worte, die
verletzen, besonders solche, die Ihren Glauben, Ihr Gewissen, Ihre
Treue zur Kirche betrafen.“
Dabei wiesen die Verantwortlichen
darauf hin, dass sie keine Bischöfe seien, sondern Priester, „die
sich trotzdem in ihrem Maße mitverantwortlich fühlen für die
Ungerechtigkeiten“, die dem Präsidenten zugefügt werden.
Einer dieser Priester, Kazimierz Sowa,
äußerte sich in einem Interview zu diesem außergewöhnlichen
Schritt, der prompt die erwartbare harsche Kritik hervorrief und eine
Kampfhaltung gegen die Bischöfe unterstellte. „Wir haben uns
weder gegen die Bischöfe noch gegen die Kirche gestellt. Wenn jemand
darauf hinweist, dass etwas schlechtes im öffentlichen Raum
geschieht, ist er kein Revolutionär oder Schismatiker. Wir haben das
getan, damit der attackierte Präsident sich nicht
durch die Kirche zurückgewiesen fühlt.“
Die selbsternannten Glaubenshüter
würden sich eher wie der auf äußerste moralische Reinheit fixierte
spätmittelalterliche Prediger Savonarola aufführen als wie echte
Katholiken.
Diese Beobachtung und der Gang der
Debatte mit den äußerst hitzigen Kommentaren und überzogenen
Reaktionen scheint mir in Vielem symptomatisch für die Lage der
polnischen katholischen Kirche. Durch die langsam schwindende
Machtbasis verhärtet sich die Front auf Seiten derer, die Angst um
den Verlust von politischem Einfluss haben. Weniger die höheren
Amtsträger selbst als vielmehr ihre selbsternannten (und nicht
gebändigten) Vertreter verlieren bei der Fixierung auf die hohen
Werte neben den Regeln des Anstands auch die Verhältnismäßigkeiten
aus dem Blick.
Ausschluss oder Einschluss? Vor dem Muzeum Narodowe, Warschau, 2015. |
Dann beherrschen Beschimpfungen,
ideologischer Reinheitswahn und das Bestreiten des Katholisch-Seins
die Debatte. Statt der so nötigen Differenzierung und Entspannung
wird Hau-drauf-Stärke gezeigt, weil augenscheinlich das Gefühl
vorherrscht, dass ein Miteinander und Versöhnung mit zu vielen nicht (mehr) möglich
sei.
Bleibt zu hoffen, dass sich mehr
Menschen öffentlich schämen und distanzieren, wenn so geredet und
gehandelt – oder von oben gutgeheißen wird. Denn das erscheint mir
das Gegenteil der christlichen Botschaft zu sein.
Vielleicht setzt sich auch in
solcherlei kirchlichen Diskursen irgendwann (schmerzhaft?) die
Einsicht durch, dass wahre Stärke sich auch in (politischer)
Schwäche zeigen kann (vgl. 2Kor 12,10).
In Deutschland kann sich angesichts
dieser polarisierenden Politisierung der Kirche vielleicht die
Einsicht durchsetzen, was für ein Segen die relative politische
Bedeutungslosigkeit der Kirche sein kann.
Paulus das letzte Wort: „Alles
geschehe so, dass es aufbaut.“ (1Kor 14,26)