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Warum habe ich eigentlich mal Ukrainisch gelernt?
Weil Nazi-Deutschland sechzig Jahre vor meinem Aufenthalt in der Ukraine (2001/2002) seinen Kriegszug auf die damalige Sowjetunion ausgeweitet hat und in seinem Kampf gegen slawische Ethnien und Juden eine Spur totaler Verwüstung hinterlassen hat.
Ohne dass der jetzige Ukrainekrieg im mindesten damit vergleichbar ist, wurde mir jedoch gerade noch einmal klar: Die Folgen jenes Krieges damals spürten und spüren die die Menschen mehr als ein halbes Jahrhundert später immer noch.
Sonntag, 6. März 2022
Was der Krieg anrichtet. Zwei Gedanken
Donnerstag, 27. Januar 2022
„Ohne Verbitterung, ohne Haß“ Etty Hillesum am Gedenktag der Opfer des NS
Die Verbrechen der Shoah und die enthemmten Grausamkeiten der Nationalsozialisten schreien zum Himmel. Und obwohl der heutige Tag lange schon als Gedenktag begangen wird, obwohl der Kampf gegen Antisemitismus und Menschenverachtung in Deutschland einen hohen Stellenwert haben, greifen doch Hass und Menschenfeindlichkeit immer neu um sich.
Wenn wir aber den Opfern der nationalsozialistischen Schrecken gerecht werden wollen, reicht es eben nicht aus, sich zu erinnern. Der Einsatz für Menschlichkeit und Toleranz ist Teil des Gedenkens.
Daran gemahnt auch ein Brief von Etty Hillesum aus dem Lager Westerbork bei Amsterdam vom 03.07.1943:
Sonntag, 19. Dezember 2021
Begegnung mit dem Heiligen. Etty Hillesum zum 4. Adventssonntag
Der Besuch Marias bei Elisabeth wird für Elisabeth zur Begegnung mit dem Heiligen (Lk 1,39-45). Sie „wurde vom Heiligen Geist erfüllt“ (v41), jubelte und spürte die Bewegung des künftigen Propheten in ihrem Bauch.
Ähnliches geschieht 1942 Etty Hillesum – inmitten eines übermächtig bedrohlichen Alltags, mitten im Krieg als Jüdin in den Niederlanden, abends in ihrem Schlafzimmer.
„Ja, wie war das gestern abend in meinem kleinen Schlafzimmer?
Ich war früh zu Bett gegangen und schaute durch das große, offene Fenster hinaus. Und mir war wieder, als wäre das Leben mit all seinen Geheimnissen mir sehr nahe, als könne ich es berühren. Mir war, als ruhte ich an der nackten Brust des Lebens und hörte seinen leisen, regelmäßigen Herzschlag. Ich lag in den nackten Armen des Lebens und fühlte mich sicher und beschützt. Und ich dachte: Wie sonderbar doch das ist. Es ist Krieg. Es gibt Konzentrationslager.
Donnerstag, 9. Dezember 2021
Alle sind schuldig?! Erfahrungen aus der Gefängnisseelsorge. Eine Ansprache
Der folgende Text bildet die Grundlage einer Ansprache beim Potsdamer Hochschulgottesdienst zm Thema "Gefangene besuchen" als Werk der Barmherzigkeit am 05.12.2021. Dafür nehme ich einige Gedanken und Textpassagen aus früheren Beiträgen (z.B. von hier und hier und hier und hier und hier) noch einmal auf und stelle sie in einen größeren Kontext.
Die ersten Menschen mit Hafterfahrungen, denen ich begegnet bin, waren ehemalige KZ- und Gulag-Häftlinge in der Westukraine. Vor zwanzig Jahren machte ich dort einen Freiwilligendienst und besuchte Alte, die ihre Hafterfahrungen niemals thematisierten und andere Alte, die über nichts anderes sprachen.
Die Gründe für ihre Inhaftierung waren ganz einfach ihr Patriotismus, ihr Jüdischsein, ihre politische Meinung oder die Tatsache, dass sie Teil der Roten Armee waren. Jedenfalls waren die Gründe für ihre Haft keine Gründe, die es rechtfertigen würden, Menschen zu inhaftieren oder gar in ein Todeslager zu stecken.
Die ersten Menschen mit Hafterfahrungen, die ich kennenlernte, waren also unschuldig.
Dienstag, 30. November 2021
„Ein Pflaster auf vielen Wunden sein.“ Etty Hillesum zum Gedächtnis
Eigentlich wollte ich über die letzthin wieder bekannter gewordene Gottsucherin und Menschenfreundin Etty Hillesum an ihrem heutigen Todestag ein paar schöne fromme Dinge schreiben.
Sie ist am 30. November 1943 in Auschwitz ermordet worden und hat durch ihre Tagebücher und ihren Einsatz für jene, die früher aus Westerbork in den Niederlanden deportiert wurden und für die sie sich einsetzte, seit den 1980ern eine gewisse Bekanntheit erlangt.
Samstag, 20. November 2021
Selbst Verantwortung übernehmen. Über Franz Jägerstätter und Christkönig
Kann man der Regierung noch gehorchen? Oder gibt es einen höheren Bezug, in den sich ein verantwortungsbewusster Mensch in seinem Gewissen stellen muss und der es ihm dann in gewissen Fragen nicht gestattet, der Regierung zu folgen?
Es waren diese großen Fragen, von denen „Ein verborgenes Leben“ handelte, der letzte Film von Terrence Malick. Franz Jägerstätter, ein österreichischer Bauer, der aus Gewissensgründen den Kriegsdienst unter dem Nationalsozialismus verweigerte und heute als Märtyrer der katholischen Kirche verehrt wird, wird in diesem Film porträtiert. Er konnte den damals Regierenden nicht folgen, weil sein christlicher Glaube und sein Gewissen dem entgegenstanden. Seine inneren Konflikte und seine äußeren Bedrängnisse werden im Film meditiert.
Samstag, 8. Mai 2021
Zumutung der Rückkehrer. Das Kriegsende und die versehrten Väter
Das Gedenken an das Kriegsende ist ein Grund zur Freude – wir leben im Frieden! Tod und Zerstörung haben ein Ende gefunden und ein Neuanfang war möglich.
So das gängige Narrativ. Allerdings
lag Deutschland moralisch, materiell und ideologisch am Boden. Für
einen Anfang mit etwas Neuem mag das einerseits eine gute
Ausgangsposition sein. Doch andererseits schleppte die kaputte Nation
die Geister ihrer braunen Vergangenheit, Schuld und Leid, weiter mit
sich. Da gab es keinen sauberen Schnitt (wie ich hier
und hier
auch schon anmerkte).
Gerade in den Familien mussten sich die
versehrten Väter, Brüder, Söhne neu einfinden, teilweise nach
jahrelanger traumatisierender Kriegsgefangenschaft.
Monika Maron beschreibt in ihrem tragisch-genialen Wende-Liebes-Roman „Animal Triste“ die als hochproblematisch empfundenen Emotionen:
Montag, 9. November 2020
Vox populi – vox Dei? Gedanke am 9. November
Mit der Stimme des Volkes ist es so eine Sache.
Doch der andere 9. November, der von
1938, erinnert uns daran, wie aufgepeitschte Massen in einer
angeblich spontanen, dabei von den Nationalsozialisten gesteuerten
und organisierten gewalttätigen Aktion jüdische Geschäfte und
Synagogen zerstörten. Das deutsche Volk war anscheinend scharf
darauf, es seinen jüdischen Mitbürgern mal so richtig zu zeigen.
Donnerstag, 8. Oktober 2020
Gutes nicht übersehen! Zum Tod von Ruth Klüger
Nachdem ich bei meinem Freiwilligendienst vor fast zwanzig Jahren in der Ukraine mit vielen Überlebenden aus deutschen Konzentrationslagern zu tun hatte, las ich sehr eine Menge KZ-Erinnerungen.
Kein Zeugnis hat mich so nachhaltig beeindruckt wie das von Ruth Klüger, die am 6. Oktober diesen Jahres in Kalifornien gestorben ist.
Die analytische und völlig unpathetische Weise, den Schrecken ihrer Erfahrungen zu schildern, driftet nie ins Unpersönliche oder Empathielose. Trotz aller kritischen Härte spricht große Menschlichkeit und Weisheit aus ihrem Erinnerungsbuch "weiter leben".1
Beim Durchblättern meiner vor einigen Jahren erst gelesenen Ausgabe habe ich gerade eine Reflexion wiederentdeckt, die mich damals sehr nachdenklich machte.
Sonntag, 9. August 2020
Edith Stein, fromme Feministin
Montag, 20. Juli 2020
Widerstand und Solidarität. Bonhoeffer entscheidet sich für beides
Samstag, 4. Juli 2020
"Kommt alle zu mir!" Jesus und die Kirchenaustrittszahlen.
Donnerstag, 4. Juni 2020
Das Kreuz auf dem Schloss mit der Schrift. Eine Berliner Farce
Dienstag, 12. Mai 2020
"Sind Gräber Atempause für die Sehnsucht?" Zum 50 Todestag von Nelly Sachs
Freitag, 17. April 2020
Schäbig, aber Zukunft. Von den Zeichen des neuen Lebens in Lutz Seilers "Stern 111"
Samstag, 11. April 2020
Karsamstag – Unten, im Lebenwechselraum, auf "Stern 111"
Samstag, 8. Februar 2020
Was für ein Licht? - Was für ein Licht! Drei Reflexionen zu Mt 5,14
Samstag, 1. Februar 2020
"Urlaub vom Galgen" Zum 75. Todestag von Alfred Delp
Montag, 27. Januar 2020
Vor dem Tod erinnern! Persönlicher Gedanke zum 27. Januar
Aber nun ist gestern mein Großvater gestorben. Jahrgang 1935, nach dem Krieg aus Schlesien vertrieben, kein Opfer der Nationalsozialisten, aber ein von der kriegsbedingten Vertreibung lebenslang Geprägter.
Am Totenbett wurde mir einmal mehr klar: Erinnerung und ehrendes Gedenken sind gut und schön, nur leider ersetzen sie nicht das Gespräch.