Sonntag, 6. März 2022

Was der Krieg anrichtet. Zwei Gedanken

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Warum habe ich eigentlich mal Ukrainisch gelernt?

Weil Nazi-Deutschland sechzig Jahre vor meinem Aufenthalt in der Ukraine (2001/2002) seinen Kriegszug auf die damalige Sowjetunion ausgeweitet hat und in seinem Kampf gegen slawische Ethnien und Juden eine Spur totaler Verwüstung hinterlassen hat.

Ohne dass der jetzige Ukrainekrieg im mindesten damit vergleichbar ist, wurde mir jedoch gerade noch einmal klar: Die Folgen jenes Krieges damals spürten und spüren die die Menschen mehr als ein halbes Jahrhundert später immer noch.

Erinnerungen an den letzten Krieg, in Kiew, 2010.
Foto: Adrian Kunert.
Das heißt: Ein Krieg hört nicht einfach auf, wenn die Kampfhandlungen vorbei sind. In den Köpfen und in den Herzen hat sich das Böse einen Weg gefressen. Und Menschen leiden manchmal ein Leben lang unter diesen Erfahrungen.

Die Gesichter, in die ich in diesen Tagen in den Zügen und auf dem Bahnhof in Frankfurt schaue, deuten das schon an – sie sind müde, traurig, verzweifelt, entwurzelt und von ihren Liebsten getrennt. Es tut sich ein Abgrund von unfassbarem Leid auf.

Deshalb habe ich als Enkel und Urenkel der Kriegstreiber von damals die Sprache von einigen Opfergruppen gelernt und versucht, zur Heilung beizutragen.
Weit hinausgedacht: Ich hoffe so sehr, dass junge Russinnen und Russen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten die Größe haben, auf die heute Betroffenen und Vertriebenen zuzugehen, ihre Sprache zu lernen und sie zu unterstützen.

Wenn dieser ganze Wahnsinn jetzt vorbei ist.

2
Als Christ und Theologe stelle ich gerade fest, wie sehr ich die Anwesenheit des Bösen in dieser Welt immer bagatellisiert habe. Die Betonung der Liebe Gottes war (und ist) mir einfach wichtiger – aber vielleicht ging diese Betonung manchmal auf Kosten der Wahrnehmung des Bösen.

Für die Bibel (und besonders im Evangelium am heutigen Ersten Fastensonntag, Lk 4,1-13) ist das Böse sehr konkret – und lockt u.a. mit Macht über andere (v6). Auch in den Urgründen dieses Krieges zeigt sich wieder einmal: Diese Verlockung der Macht ist vom Bösen und führt zum Krieg – im Großen und im Kleinen.

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