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Dienstag, 4. Juli 2023

SORRY in Frankfurt (Oder) - Über innere Widersprüche und die Kirche in der Welt

 (Dieser Text erschien zuerst auf www.feinschwarz.net)


Am Ufer der Oder, direkt neben der Brücke, die Polen mit Deutschland verbindet, steht in diesem Sommer eine massive Mauer, verschlungen und labyrinthisch anmutend. Drei Meter hoch und oben mit Glas bestückt, wirkt sie wie eine Erinnerung an die Zeiten, als sich durch Europa und durch Deutschland noch sichtbare Grenzen zogen.

Ihre eigentliche Wirkung entfaltet die Mauer jedoch, wenn man sie von oben betrachtet, denn dann zeigt sich, dass die Mauern das Wort „SORRY“ formen.

Samstag, 19. Dezember 2020

Heilszeit 19 – Echt in "Herkunft" von Saša Stanišić

Dieser Textabschnitt hat mich auf das Thema dieses Adventskalenders gebracht.

Saša Stanišić schreibt autobiographisch erzählend von sich und von seinen Ursprüngen, vom Weggehen, vom Ankommen, vom Zurückkehren und immer wieder auch von der Familie.

Freitag, 30. Oktober 2020

"5x Nein und 5x Ja." Dokumentation eines Appells polnischer Geistlicher zur aktuellen Situation.

Heute reisen Menschen aus ganz Polen nach Warschau, um dort gegen die Entscheidung des Verfassungsgerichts in Sachen Abtreibungsrecht demonstrieren. Rechte Gruppen, Hooligans, Polizei und Militär wollen sich entgegenstellen. Gewalt liegt in der Luft.

Angesichts dessen bin ich (auch nach meinem letzten Beitrag) sehr froh, dass es in der polnischen katholischen Kirche eine erstaunliche Vielfalt und Fähigkeit zur Abwägung gibt, an die ich angesichts der aufgeheizten Situation schon fast nicht mehr geglaubt hätte.

Dienstag, 27. Oktober 2020

Polen und die Abtreibungsfrage. Ein persönlicher Kommentar

Ich mache keinen Hehl aus meiner Ratlosigkeit.

Wenn ich nach Polen schaue, dann sehe ich eine autoritäre Regierung, die seit Jahren unverhohlen den Rechtsstaat zerstört und den öffentlichen Diskurs unangenehm polarisiert. Dabei hat sie oft konservative Kirchenführer auf ihrer Seite. Als liberal empfindender Mensch spüre ich regelmäßig Abscheu, wenn ich die vielen politischen Tiefschläge sehe und wahrnehme, wie parteiisch sich die Bischöfe oft verhalten.

Die Verschärfung des Abtreibungsrechts durch das von Parteigängern der Regierungspartei PiS besetzte Verfassungsgericht scheint in die Linie zu passen. Seit Tagen protestieren nun Polinnen und Polen auf den Straßen, in den Kirchen und heute auch im Sejm, dem Unterhaus des polnischen Parlaments. Sie sehen dieses Vorgehen als Kriegserklärung an.

Mittwoch, 9. September 2020

"Boże Ciało" heißt Leib Christi. Eine theologische Filmkritik

"Boże Ciało" heißt übersetzt Leib Gottes, verstanden als Leib Christi. Deshalb ist die Übersetzung des polnischen Films "Boże Ciało" (2019) mit dem lateinischen "Corpus Christi" für die deutsche Vermarktung richtig.

Aber "Boże Ciało" heißt auch noch etwas anderes. Es ist nämlich der volkstümliche polnische Name für das "Fest des heiligsten Leibes und Blutes Christi", das im deutschen Sprachraum in der Regel "Fronleichnam" genannt wird.

Wenn polnische Zuschauer sich den Film von Jan Komasa ansehen, werden sie darum sicher auch an besagtes Fest denken, an dem die Handlung des Filmes zu einem Höhepunkt kommt. Mit dem für Deutschland gewählten Titel gerät die zweite Bedeutung stärker in den Blick. Leider geht dabei aber die Doppeldeutigkeit, die dem polnischen Titel eignet, verloren.

Worum geht es im Film nun?

Montag, 18. Mai 2020

Der 100. Geburtstag von Johannes Paul II. Eine persönliche Rückschau

1.
Zuerst war da nur der in jeder Messfeier genannte Name des Papstes, für den gebetet wurde. Sonntag für Sonntag, Jahr für Jahr der gleiche. Da ich es nicht anders kannte, fiel mir erst später auf, dass Johannes Paul II. auf diese Weise in meiner ganzen Kindheit und Jugend präsent war.

2.
Dann beschäftigte ich mich mit seinen Schriften, da ich (immer noch) der Meinung bin, dass es gut ist, sich mit grundlegenden Texten der eigenen Tradition auseinanderzusetzen. Die päpstlichen Lehrschreiben des aktuellen Pontifex zählte ich dazu. Ich muss zugeben, dass ich den Stil der Enzykliken von Johannes Paul II. schätze. Nicht an jedem Punkt teile ich seine theologische Meinung, aber er bringt seine Themen elegant auf den Punkt und hat eine überaus spirituelle Perspektive auf alle Fragestellungen. Außerdem bildete er mit der Vielzahl seiner Äußerungen zu den unterschiedlichsten Fragestellungen – von der menschlichen Arbeit über die Ostkirchen und die Frage der Mission bis hin zu Trinität und Eucharistie – eine gute Basis zum Verständnis des Katholischen, jedenfalls des Katholischen aus seiner Sicht. Es ist ein sehr kirchliches Katholischsein, das aber gleichzeitig eine große Weite über die Grenzen der Kirche hinaus kennt.

Donnerstag, 20. Dezember 2018

Ankunftszeit 20 – Verändert in "Olga" von Bernhard Schlink

Olga und Herbert kommen aus zwei verschiedenen Welten: Das einfache Mädchen und der Sohn eines Großgrundbesitzers können nicht zusammen kommen. Zusammen mit Herberts Schwester Viktoria waren sie jedoch einige Zeit ein enges Dreiergespann – bis Viktoria auf eine weiter entfernte Schule geht. Im Sommer kehrt sie zurück:

Samstag, 24. November 2018

„Pamiętaj o mnie!“ Radio-Worte auf den Weg

In dieser Woche bin ich von Montag bis Samstag jeweils dreimal mit kurzen spirituellen Beiträgen aus dem Gefängnisalltag im Radio zu hören: 5.50 Uhr auf Radio Berlin 88.8; 6:45 Uhr auf Kulturradio; 9:12 Uhr auf Antenne Brandenburg. 
Hier die (ungefähr so vorgetragene) Textfassung von heute:

Das Gefängnis Plötzensee, in dem ich als Seelsorger arbeite, hat verschiedene Hafthäuser, die durch eine mehrfach unterteilte große Grünfläche miteinander verbunden sind. Man kann sich also auch über weite Entfernungen sehen. Aber nicht immer kann man auch zueinander kommen. So werden wichtige Nachrichten gern mal über den Hof geschrien, natürlich in verschiedenen Sprachen.

Donnerstag, 24. August 2017

Über golden schimmernde Straßen – Das Erinnern in "Lemberg" von Lutz C. Kleveman

Als Infizierter musste ich dieses Buch natürlich lesen.
Denn seit meinem einjährigen Aufenthalt in Lemberg in der Westukraine vor 16 Jahren bin ich mehrfach dort gewesen und bin zudem (trotz der langsamen "Pragisierung" der Altstadt) immer noch der Überzeugung, dass dies eine der schönsten Städte Europas ist.

Und nun hat Lutz C. Kleveman mit "Lemberg. Die vergessene Mitte Europas"1 eine überzeugende Kurzbiographie vorgelegt, in der er den "memoriae urbis der Jahre 1914-1944"2 nachspüren will.

Darum umfasst seine Untersuchung die Herrschaft von Habsburgern und Polen ebenso wie von Deutschen und Sowjets. Einige seiner Ausflüge reichen bis in die Jetztzeit, denn das leitende Motiv des Autors ist die Frage nach den verschiedenen Erinnerungen, die die Stadt prägen. Auslöser seiner Recherchen war der weiterhin andauernde Krieg im Osten der Ukraine, bei dem von besonders seitens der kriegführenden Parteien (inkl. Russland) mit historischen Stereotypen gearbeitet wird, die für Außenstehende schwer aufzuschlüsseln sind.

Dienstag, 31. Januar 2017

Nicht mehr die Herrschaft des Rechts – mein demokratischer und religiöser Ekel

Die Geschehnisse, die in den letzten Tagen aus dem Weißen Haus berichtet werden, widern mich aus verschiedenen, jedoch ineinander übergehenden Gründen an.

1
Natürlich geht es mir in erster Linie um das schlecht bis gar nicht kaschierte Einreiseverbot für Muslime (de facto, nicht de jure), das von seinem Inhalt über die Art seiner Anordnung bis hin zur Veröffentlichung ein Desaster ist.

Samstag, 27. August 2016

Mein Kind kniet neben mir – Ein kurzer Gedanke zum Sonntagsevangelium

Seit wir in Polen waren und einige Kirchen besucht haben, in denen das Allerheiligste ausgesetzt war, kniet meine bald zweijährige Tochter regelmäßig neben mir in der Kirche. Natürlich macht sie währenddessen alles mögliche, aber wenn sie sieht, dass andere Leute knien, will sie das nun auch. So ist das also mit der Erziehung durch Vorbildwirkung.

Ich musste daran denken, als ich die Lesungen des Sonntags las – dort geht es um Bescheidenheit und Demut als Lebenshaltung . Was auch für das Leben im Allgemeinen gelten kann, sagt Jesus bei einem Gastmahl: "Such Dir nicht den Ehrenplatz aus!" (Lk 14,8) und betont: "Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden." (v11) Insofern scheint das Knien die angemessene Haltung im feierlichen Mitgehen des Hingabemahles Jesu zu sein.

Sonntag, 7. August 2016

"Bleib treu und geh." Über Polens katholische Kirche – Ein Nachtrag zum Weltjugendtag

Gerade bin ich aus Krakau zurückgekommen.
Der Weltjugendtag war bei unserer Ankunft zwar schon vorbei, aber die Atmosphäre der Stadt war durch noch umherziehende Pilgergruppen, Tanzgesänge des Neokatechumenats und vor allem die allgegenwärtige Beschilderung noch noch stark geprägt von diesem Ereignis.
Schon im letzten Jahr hatte ich einige Reflexionen zur aktuellen innenpolitischen Rolle der Kirche geschrieben, jetzt möchte ich noch einen weiteren kurzen Blick auf die besondere Rolle der katholischen Kirche in Polen werfen.

Samstag, 16. Juli 2016

Spaltung vs. Abgrenzung. Eine Frage auch für Jesus

Panzer rollen auf den Straßen. Bewaffnete Uniformträger patrouillieren. In der Türkei standen sich heute Nacht putschende Militärs und erdogantreue Zivilisten im Ringen um die Vorherrschaft im Land gegenüber.
Unfassbar eigentlich in einem Staat, der die EU-Mitgliedschaft jedenfalls pro forma noch anstrebt. Und was Nachrichtensendungen immer wieder konstatieren, ist eine von Kurdenkrieg und Autoritarismus gespaltene Gesellschaft.
Eine solche Tendenz zur Spaltung zeigt sich unter verschiedenen Voraussetzungen dieser Tage ja allerorten: Österreich und seine Präsidentenwahl, Großbritannien und sein Brexit-Votum, die EU und ihre Flüchtlingspolitik, der Islamistische Terror gegen alle, die USA und ihre Rassenfrage, Polen und Ungarn und ihr nationalistischer Rollback, und nicht zuletzt Deutschland mit Pegida und AfD ...

Freitag, 17. Juni 2016

Selbstkritik als politische Tugend – Über Polen und Deutsche

Zurückblicken heißt immer auch, Geschichte zu deuten – gerade in Polen und Deutschland jedoch kommt es durch die verschiedenen Perspektiven auf die Geschichte regelmäßig zu Konflikten. In diesem Jahr allerdings wird am 17. Juni besonders an 25 Jahre freiwillige gute Nachbarschaft mit den Polen erinnert.

Was Deutsche, jedenfalls zu Teilen, in ihr kollektives Gedächtnis aufgenommen haben, ist eine (auf anderen Feldern bisweilen arg vernachlässigte) politische Tugend: die der Selbstkritik.
Als historisch angewandter Perspektivwechsel bezeichnet sie die Fähigkeit, sich auch mit den Schattenseiten der eigenen Kultur auseinander zu setzen. So kann sie bestenfalls Gewissen schärfen und Verantwortungsbereitschaft nähren.

Freitag, 26. Februar 2016

Zeit für Frühling - Ein Gedicht von Avraham Ben Yitzhak

Der galizische Jude Avraham Ben Yitzhak scheint ein aufmerksamer Mensch gewesen zu sein; die Stimmung, die ihn umgab, und die Sprache, die ihn die Stimmung formulieren ließ, leuchten aus seinem Gedicht, das er 1912 in Przemyśl, an der heutigen Ostgrenze Polens zur Ukraine gelegen, schrieb.

Donnerstag, 7. Januar 2016

Köln, Warschau und die Glienicker Brücke – Vom Härtegrad des Rechtsstaats

Angesichts der massenhaften sexuellen Übergriffe auf Frauen in Köln und anderswo ruft man allerorten nach der "Härte des Rechtsstaats", was nach meinem Verständnis so viel heißt wie die konsequente Anwendung der bestehenden Regeln und Gesetze, um Täter zur Rechenschaft zu ziehen und den Kern des Rechts zur Geltung zu bringen. Dieser Kern ist in Deutschland durch den Ersten Artikel des Grundgesetzes und damit durch die Würde des Menschen bestimmt, deren Schutz in vielen weiteren Artikeln und Gesetzestexten ausdekliniert wird.

Samstag, 14. November 2015

Was uns leben lässt. Im Gedenken an die Opfer in Paris

"Wir leben von der Mitmenschlichkeit, von der Nächstenliebe, von der Freude an der Gemeinschaft. Wir glauben an das Recht jedes Einzelnen – an das Recht jedes Einzelnen, sein Glück zu suchen und zu leben, an den Respekt vor dem anderen und an die Toleranz. Wir wissen, dass unser freies Leben stärker ist als jeder Terror. "

Montag, 10. August 2015

Revolutionäre und Schismatiker in Polen? - Oder: Sich beim Präsidenten für die Kirche entschuldigen

Ich befinde mich seit einiger Zeit in Warschau, wo im Mai die Präsidentenwahl stattgefunden hat. In einer Stichwahl hat sich Andrzej Duda von der konservativen Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) gegen den bisherigen Amtsinhaber Bronislaw Komorowski von der eher liberalen „Bürgerplattform“ (PO) durchgesetzt. Das politische Klima wirkte zuvor, aber auch danach oft aufgeheizt und angespannt.

Dienstag, 4. August 2015

Warschauer Impressionen

Zu ausgeklügelten Gedanken bin ich gerade nicht fähig, darum an dieser Stelle nur einige Bilder aus Warschau, meinem Sommersitz. 
Bildliche Impressionen können ja bisweilen tiefgehende Worte zu Reflexionen des Himmels ersetzen oder Durchbrüche im Alltag zeigen. 
Manchmal lässt sich etwas von der Länge und Breite, von der Höhe und der Tiefe und der Durchsichtigkeit der Welt erahnen. 
Ich spüre Frieden dabei.

Wasserzugang der Niederländischen Botschaft. Warschau, 2015.

Montag, 15. Juni 2015

Alles Umrechnen in Sinn – Über Katja Petrowskajas "Vielleicht Esther"

Die Frage, ob Raum und Zeit in Sinn umzurechnen seien, schien mir zuerst ein wenig spekulativ. Aber dann habe ich das unglaubliche Buch "Vielleicht Esther" von Katja Petrowskaja gelesen. In dieser autobiographischen Spurensuche feiert das eigentlich vormoderne Denken, nach dem sich im Namen Sinn verbirgt, seine sprachlich-sinngefüllte Auferstehung.