Seit wir in Polen waren und einige
Kirchen besucht haben, in denen das Allerheiligste ausgesetzt war,
kniet meine bald zweijährige Tochter regelmäßig neben mir in der
Kirche. Natürlich macht sie währenddessen alles mögliche, aber
wenn sie sieht, dass andere Leute knien, will sie das nun auch. So
ist das also mit der Erziehung durch Vorbildwirkung.
Ich musste daran denken, als ich die
Lesungen des Sonntags las – dort geht es um Bescheidenheit und
Demut als Lebenshaltung . Was auch für das Leben im Allgemeinen
gelten kann, sagt Jesus bei einem Gastmahl: "Such Dir nicht
den Ehrenplatz aus!" (Lk 14,8) und betont: "Wer sich
selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird
erhöht werden." (v11) Insofern scheint das Knien die
angemessene Haltung im feierlichen Mitgehen des Hingabemahles Jesu zu
sein.
Kniender. Sowjetisches Ehrenmal. Treptower Park, Berlin, 2013. |
Die Lesung aus dem Hebräerbrief (12,18f.22-24a) macht auf einen
weiteren Aspekt deutlich, der zu Demut und "ehrfürchtiger
Scheu" (v28) anregen will. Es ist die Gegenwart Gottes, in
die wir als Christen beim liturgischen Feiern hineingerufen sind, und
die in einer gewaltigen Schau beschrieben wird: "Ihr seid ...
zum Berg Zion hingetreten, zur Stadt des lebendigen Gottes, dem
himmlischen Jerusalem, zu Tausenden von Engeln, zu einer festlichen
Versammlung und zur Gemeinschaft der Erstgeborenen, die im Himmel
verzeichnet sind; zu Gott, dem Richter aller, zu den Geistern der
schon vollendeten Gerechten, zum Mittler eines neuen Bundes, Jesus"
(vv22-24a).
Es ist also nicht nur die von Jesus
angemahnte Vorstellung der Möglichkeit, dass ein höhergestellterer
Gast kommen könnte (v8f), die uns demütig macht, sondern es ist das
Bewusstsein der Anwesenheit Gottes und der ganzen himmlischen Kirche,
die uns in dieser Situation vor Augen stehen kann. Dieses Hingehen
zur kirchlichen Feier ist also zugleich das "Hinzugetretensein"
zum kosmischen Lobgesang der ganzen Schöpfung vor Gottes Angesicht.
Joseph Ratzinger betont deshalb mit
gleicher Perspektive die Universalität des christlichen
Gottesdienstes: "Es ist der Kult des offenen Himmels. Er ist
nie nur ein Ereignis einer örtlich sich findenden Gemeinde.
Eucharistie feiern bedeutet vielmehr, in die Öffentlichkeit der
Himmel und Erde umfassenden Verherrlichung Gottes einzutreten, die
mit Kreuz und Auferstehung eröffnet ist."1
Unter diesen Voraussetzungen knie ich einmal lieber neben meinem Kind.
1 J.
Ratzinger, Der Geist der Liturgie. Eine Einführung. Freiburg i.Br.
2000, 42.