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Dienstag, 13. Juni 2023

Unruhe - Gastpredigt in der KSG Berlin

(Hörversion hier: https://ksg-berlin.de/into-the-unknown-2-unruhe/)

Was würde besser zum Semesterthema „into the unknown“ passen als Unruhe – Unruhe als Unsicherheit vor dem Unbekannten, in das wir unterwegs sind.

Als ich mich mit dem Thema Unruhe zur heutigen Predigt gemeldet habe, wusste ich nicht, was genau für eine Unruhe mich noch packen wird. Denn es gibt ja die verschiedensten Formen von Unruhe. Ich erzähle euch von einer.

Gerade arbeite ich an der Umsetzung eines größeren Projektes, bei dem wir eine sehr große Betonskulptur der polnischen Künstlerin Joanna Rajkowska aus Warschau nach Frankfurt an die Oder holen wollen. Dann soll mit verschiedenen Veranstaltungen ein breites Feld an Themen rund um die Skulptur aufgerissen werden, zusammen mit studentischen Initiativen, Lehrpersonen und anderen.
Weil die Skulptur schon ab morgen in Warschau abgebaut wird und wir bis Mitte dieser Woche noch keinen offiziellen Leihvertrag hatten und sich mit Versicherungen, Genehmigungen und Transportfirmen noch eine ganze Reihe unserer Probleme türmten, waren meine Tage bis Fronleichnam sehr unruhig.

Donnerstag, 9. Dezember 2021

Alle sind schuldig?! Erfahrungen aus der Gefängnisseelsorge. Eine Ansprache

Der folgende Text bildet die Grundlage einer Ansprache beim Potsdamer Hochschulgottesdienst zm Thema "Gefangene besuchen" als Werk der Barmherzigkeit am 05.12.2021. Dafür nehme ich einige Gedanken und Textpassagen aus früheren Beiträgen (z.B. von hier und hier und hier und hier und hier) noch einmal auf und stelle sie in einen größeren Kontext.

 

Die ersten Menschen mit Hafterfahrungen, denen ich begegnet bin, waren ehemalige KZ- und Gulag-Häftlinge in der Westukraine. Vor zwanzig Jahren machte ich dort einen Freiwilligendienst und besuchte Alte, die ihre Hafterfahrungen niemals thematisierten und andere Alte, die über nichts anderes sprachen.
Die Gründe für ihre Inhaftierung waren ganz einfach ihr Patriotismus, ihr Jüdischsein, ihre politische Meinung oder die Tatsache, dass sie Teil der Roten Armee waren. Jedenfalls waren die Gründe für ihre Haft keine Gründe, die es rechtfertigen würden, Menschen zu inhaftieren oder gar in ein Todeslager zu stecken.
Die ersten Menschen mit Hafterfahrungen, die ich kennenlernte, waren also unschuldig.

Montag, 30. August 2021

Rückblick vor dem letzten Tag im Gefängnis

Morgen ist mein letzter Tag im Gefängnis. Ich werde meinen Schlüsselchip abgeben und meinen Dienstausweis. Vorher warten noch ein paar Gespräche und Begegnungen. Dann war es das erst einmal für mich mit der Gefängnisseelsorge.

Und ich kann nur wiederholen, was ich in den letzten fünf Jahren oft genug mündlich betont habe: Es ist der schönste Arbeitsplatz, den ich bisher hatte.


Aber: Ich habe dabei den Glauben weitgehend verloren. Jedenfalls den Glauben in den Sinn dieses Justizvollzugs.

Sonntag, 22. August 2021

Harte Worte und Worte zum Leben. Predigt zum Abschied aus der JVA

Wie es der Zufall will, ist es eine Abschiedsrede, die wir da im heutigen Evangelium (Joh 6,60-69) hören. Nach einer anstrengenden und langen Rede haben einige von denen, die Jesus nachgegangen sind, keine Lust mehr, bei ihm zu sein, denn es war ihnen einfach zu viel, was er da von sich sagte. Jesus seinerseits gibt ihnen noch einige grundsätzliche Dinge mit auf den Weg.

Meine heutige Situation hier vor Ihnen ist ganz verschieden von dieser Situation der Jünger – ich gehe nicht, weil mir das alles zu viel ist und ich will auch nicht noch ein Bekenntnis aus ihnen herauskitzeln, wie Petrus es dann abliefert. Aber auch ich möchte noch ein paar Dinge sagen, die mir wichtig sind. Dabei lasse ich mich anstiften von dem, was wir gerade gehört haben.

Diese Rede ist hart. Wer kann sie hören?“ (v60)

Im Gefängnis ist vieles nur schwer zu ertragen – manche Mitgefangenen, manche SozialarbeiterInnen, manche Bedienstete, manche Angehörige – aber allzu oft auch das ganze System Knast. Vorzeitiger Einschluss, nicht besetzte Zahlstelle, kein Besuch, schon wieder warten usw. Wer kann das ertragen?

Und dann auch noch die Seelsorger. Sprechen von Gott, wo doch so viele andere wichtigere Sachen anstehen – eine Überweisung, ein Telefonat, ein Päckchen Tabak oder eine VPK.

Samstag, 17. Juli 2021

Vom Ruhen und Aufbrechen, von Orientierung und Sorge. Predigt im Gefängnis

 

Vorbemerkung: So erschreckend ich die katastrophalen Bilder und Berichte aus den aktuell überfluteten Gebieten Deutschlands finde, so wenig halte ich sie für relevant in der Realität des Lebens in einem Berliner Gefängnis, weshalb ich dieses Thema nicht in der Predigt, sondern nur in den Fürbitten thematisiert habe.


Heute möchte ich auf drei unterschiedliche Perspektiven hinweisen, die uns im Evangelium des Sonntags (Mk 6,30-34) etwas sagen können: Da sind einmal die Jünger, da sind die Leute, die Jesus suchen und da ist Jesus selbst.

Samstag, 12. Juni 2021

Gottes Same in uns. Eine Auslegung zu den Gleichnissen von der selbstwachsenden Saat und vom Senfkorn (Mk 4,26-34)

Rätselfrage: Was beginnt so winzig klein, dass man es beinahe übersehen kann – aber hat doch eine so unglaubliche Kraft in sich, dass es die Welt aus den Angeln hebt?


Wenn Sie jetzt an Corona denken, liegen Sie nicht falsch. Aber im Evangelium des heutigen Sonntags (Mk 4,26-34) vergleicht Jesus das Wachsen der Herrschaft (oder des Reiches) Gottes mit einem Senfkorn und seinem Wachsen zu einem großen Baum – erst winzig und dann riesig.

So wie Corona viel Angst und Sorge, Not und Unglück über die Welt gebracht hat – so will Gott mit seiner Herrschaft eine Welt des Friedens zu uns bringen.


***

Samstag, 29. Mai 2021

Der Über-neben-in-Gott. Gefängnispredigt zu Trinitatis

Was Gott angeht, habe ich anspruchsvolle Vorstellungen, das gebe ich zu:

Gott ist der eine, der über allem ist und zugleich ganz nah bei uns.


Dann: Er ist der, zu dem zu allen Zeiten und in allen Kulturen und Religionen unter verschiedenen Namen gebetet wurde. Aber wenn man sich die Religionsgeschichte anschaut, gibt es unterschiedlichste Vorstellungen von Gott und dem Göttlichen.

In manchen Überlieferungen und Traditionen scheint er eindeutiger in der Nähe der Menschen zu sein – in anderen wiederum ist er ferne und entrückt. Das erscheint erst einmal kompliziert bis widersprüchlich.

Wenn man es auf die nah-fern-Frage beschränkt: Wir Christen glauben beides. (Und noch mehr.)

Donnerstag, 13. Mai 2021

Verbunden. Himmelfahrtspredigt im Gefängnis

Einer hats schon geschafft!

Mit der Himmelfahrt Jesu Christi sind wir Menschen ganz bei Gott angekommen. Wenn Jesus – Gottes Sohn und zugleich ganzer Mensch – nun bei seinem himmlischen Vater ist, dann hält er den Himmel für uns offen. Und wir haben jetzt schon eine Verbindung in den Himmel.

Samstag, 17. April 2021

Trauer und Hoffung. Von den Toten und der Auferstehung

Während wir jetzt hier im Gefängnis unseren Gottesdienst feiern [Predigt am 18.04.2021, vormittags], wird gleichzeitig in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche ein großes Gedenken für die Opfer der Corona-Pandemie (und alle Toten dieser Zeit) begangen. Die Trauer über die Toten, von denen sich ihre Angehörigen oft genug nicht einmal verabschieden durften, kann dort noch einmal Raum finden.

In unserem Gottesdienst möchte auch ich dieses Gedenken an die Toten mit einbeziehen.

Für uns Christen ist das sowieso der richtige Zeitpunkt – wir feiern die Auferstehung, 50 Tage lang ist Osterzeit, bis Pfingsten!

Die Trauer um die Toten und die Hoffnung auf ihr Leben bei Gott gehören zusammen.

Sonntag, 4. April 2021

Großostern oder Kleinostern? - Feiern wir das Leben!

1.
Vielleicht haben Sie in diesem Jahr ja schon Kleinostern gefeiert – einen dieser Ostermomente in unserem Leben:

Wenn jemand nach einer schweren Krankheit wieder gesund geworden ist.

Wenn sich Familienmitglieder nach einem Streit wieder vertragen.

Wenn nach dem langen Winter endlich der Frühling beginnt.

Wenn jemand nach einer Haftstrafe neu anfängt.

Wenn eine rettende Impfung kommt.

 

Freude, Erleichterung, Aufatmen, Mut fassen – das dazu gehörende Spektrum der Gefühle und Stimmungen ist breit.

Dienstag, 16. Februar 2021

Aschermittwoch – Von Haushaltstipps über die Lebensreinigung zur Verheißung neuen Lebens

1. Asche

Edelstahltöpfe scheuern, Zähne putzen, Silberbesteck reinigen, sauren Boden düngen, Blattläuse vertreiben, Schnittblumen frisch halten, Moos entfernen...

Mit Asche kann man anscheinend eine Menge praktischer Dinge tun (allerdings sollte es gute Holzasche sein).

Traditionell wird die Asche in katholischen Gottesdiensten heute auf Stirnen gestrichen oder, in Zeiten der Pandemie noch hygienischer, auf den Kopf gestreut.

Weil Asche laut vielen Haushaltsratgebern auch eine reinigende Wirkung hat, liegt die Asche als Symbol für die Fastenzeit nahe.

Freitag, 22. Januar 2021

Räume öffnen. Zu meinem Selbstverständnis als Gefängnisseelsorger

Vor ein paar Tagen wurde ich gebeten, für einen Pfarrbrief ein paar Worte zu meiner seelsorglichen Arbeit zu verfassen.
Hier sind sie auch für den Blog:

Samstag, 16. Januar 2021

Großzügigkeit zulassen. Ein Radiowort

In dieser Woche wird täglich ein kurzes Wort für den Tag auf rbb Antenne Brandenburg (9:10 Uhr), rbb Kultur (6:45 Uhr) und rbb 88.8 (5:55 Uhr) von mir gesendet.
Hier der Text des letzten Wortes:

Freitag, 15. Januar 2021

Vergeblich großzügig. Ein Radiowort

In dieser Woche wird täglich ein kurzes Wort für den Tag auf rbb Antenne Brandenburg (9:10 Uhr), rbb Kultur (6:45 Uhr) und rbb 88.8 (5:55 Uhr) von mir gesendet. Hier der Text des heutigen Wortes:

Montag, 11. Januar 2021

Großzügig schenken. Ein Radiowort

In dieser Woche wird täglich ein kurzes Wort für den Tag auf rbb Antenne Brandenburg (9:10 Uhr), rbb Kultur (6:45 Uhr) und rbb 88.8 (5:55 Uhr) von mir gesendet. Hier der Text des heutigen Wortes:

Samstag, 9. Januar 2021

Identität, Orientierung und Namen. Predigt zu den Drei Königen

Am Ende der Weihnachtszeit erinnern wir uns an die biblische Geschichte, die erzählt, wie die Botschaft von Weihnachten, die Botschaft von der Geburt Jesu, in die Welt hinausgetragen wurde. Denn Gott hatte einen Plan für alle Menschen, nicht nur für die, die sowieso schon immer im Kontakt waren mit ihm.
Es geht also um alle die zur Zeit Jesu nicht zum jüdischen Volk gehörten – aber wir dürfen das gern auch auf unsere Situation anwenden.

1 Wer waren sie? Wer bist du?

Die Bibel schreibt, dass "magoi" aus dem Osten kamen. Die Übersetzungen für dieses griechische Wort gehen weit auseinander. Waren es – Weise, Sterndeuter, Magier? Oder gar Könige?

Samstag, 19. Dezember 2020

Vierter Advent: Verkündigung an ... dich (Predigt nach Lk 1,26-38)

Im letzten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott in einen Berliner Knast namens Plötzensee zu einem Inhaftierten gesandt. Der war zwar einige Zeit lang straffrei geblieben, aber dann gab es einen klitzekleinen Vorfall und er saß wieder einmal ein.

Der Name des Inhaftierten war Robert.

Der Engel trat in seine Zelle und sagte: Sei gegrüßt, du Begnadeter, der Herr ist mit dir.

Robert erschrak über die Anrede und überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe.

Da sagte der Engel zu ihm: Fürchte dich nicht, Robert; denn du hast bei Gott Gnade gefunden.

Samstag, 5. Dezember 2020

Heilszeit 5 – Weg in "Der lange Weg zur Freiheit" von Nelson Mandela

Heute vor sieben Jahren ist Nelson Mandela gestorben. Ich habe in diesem Jahr seine Erinnerungen gelesen und habe sie erlebt als voll von dem Wunsch nach Freiheit und Gerechtigkeit für seine schwarzen Mitbürger, aber auch voller Überlegungen dazu, wie sein Land nach dem Ende der Apartheid wieder geheilt werden kann.

Auf der letzten Seite seines langen Buches schreibt Mandela:

Sonntag, 22. November 2020

Christkönig: Christsein als Lebenspraxis und Nächstenliebe als Gottesliebe.

1.
Es gibt verschiedene Maßstäbe, nach denen Religionen angeschaut werden können.

Zum einen lässt sich philosophisch fragen, ob sie eine in sich konsistente Weltsicht bieten und keine logischen Widersprüche lehren.

Dann kann man soziologisch auswerten, welche Verhaltensweisen in den verschiedenen Religionen vorrangig zu finden sind oder wie sich religiöse Lehren auf den Alltag auswirken.

Natürlich kann man die Religionen auch religionswissenschaftlich miteinander vergleichen oder ökonomisch fragen, wie sich Religiosität auf dem Konto auswirkt. Oder oder oder...


Und schließlich ist da noch der eigene Anspruch, den eine Religion an sich und ihre Anhänger anlegt.

Davon hören wir im heutigen Evangelium (Mt 25,31-46): Der Maßstab, den Christus einmal an uns anlegen wird, ist die Frage, wie wir ihm in unseren leidenden Nächsten begegnet sind.

Sonntag, 15. November 2020

Coole Sachen statt Müll. Eine Talentgeschichte

Mit Herrn A. bin ich seit einigen Monaten regelmäßig im Gespräch. Zuerst hatte er um ein Krisengespräch gebeten, als er lange Zeit im Einschluss war, da man befürchtete, dass Gefahr von ihm ausgeht. Inzwischen ist der Einschluss vorbei und unsere Gespräche gehen trotzdem weiter.