1.
Vielleicht haben Sie in diesem Jahr
ja schon Kleinostern gefeiert – einen dieser Ostermomente in unserem Leben:
Wenn jemand nach einer schweren
Krankheit wieder gesund geworden ist.
Wenn sich Familienmitglieder nach
einem Streit wieder vertragen.
Wenn nach dem langen Winter endlich
der Frühling beginnt.
Wenn jemand nach einer Haftstrafe neu
anfängt.
Wenn eine rettende Impfung kommt.
Freude, Erleichterung, Aufatmen, Mut
fassen – das dazu gehörende Spektrum der Gefühle und Stimmungen ist breit.
Auferstanden - unerkannt. Schattenbild. |
Und heute soll nun Großostern
gefeiert werden: Jesus ist auferstanden! – Wir feiern in Freude den Sieg des
Lebens über den Tod, die Feier des neuen Anfangs und den Abschied von allem Alten.
Ganz groß!
2.
Aber was soll das in diesem Jahr für
ein Ostern sein?
Unsere Ostermomente sind in diesem Jahr, dem zweiten Jahr der Corona-Pandemie
eher klein geraten, für Sie hier im Gefängnis noch einmal besonders klein. Nur
Kleinostern sozusagen… Viel Auferstehungskraft regt sich in den meisten nicht
mehr. Nur Müdigkeit, Frust und Ärger.
Großostern ist abgesagt, etliche Gemeinden draußen können sich nicht zu
Gottesdiensten treffen oder nur in sehr kleiner Zahl.
Dieses Jahr müssen wir uns wohl mit
einem Kleinostern begnügen. Das eigentliche Ostergefühl wird sich vielleicht erst
dann einstellen, wenn sehr viele Leute geimpft sind und die Impfung auch noch
gegen die weiteren Virusmutationen schützt.
Und für Sie, die Sie hier einsitzen, ist diese Zeit in Haft, so habe ich es neulich im Gespräch gehört, manchmal wie ein Grab, wie der Tod mitten im Leben - wer das so fühlt, für den findet der eigentliche Ostermoment
eventuell erst vor dem Tor dieser Anstalt in Freiheit statt...
3.
Auch Maria Magdalena hat ihre
Osterbegegnung vielleicht erst später wirklich begriffen – vielleicht
war das erste Ostern mit der geschilderten Begegnung ja gar nicht ihr
Großostern, sondern vielleicht musste in ihr erst reifen, was Ostern wirklich
ist.
Auch das kennen wir ja – dass wir von einer guten Nachricht wie überfahren
werden und das Neue und Tolle daran erst nach und nach in ihrem ganzen Umfang
verstehen können.
Maria Magdalena, von der wir gerade
im Evangelium gehört haben (Joh
20,1.11-18), hatte damit ihre Probleme. Zuerst erkannte sie im
Auferstandenen nicht "ihren" alten Jesus (v15); als sie ihn dann
erkannte, konnte sie das Neue noch nicht fassen – und konnte ihn doch nicht
fassen (v17). Sehr coronakonform übrigens, was Jesus ihr da sagt...
Aber Jesus hatte einen anderen Grund für seine Distanz: Ihr
Ostermoment hat Maria Magadalena dazu verführt, dass sie mit Händen greifen
wollte, was mit Händen nicht zu begreifen ist. Doch Jesus ist nicht mehr so da
wie zuvor. Der Neue ist ganz anders!
Vielleicht – ja hoffentlich! – werden auch Ihre Familien das
erleben, wenn Sie entlassen werden: Er ist ganz neu und anders als der Alte,
der eingefahren ist. Aber, großer Unterschied, Sie dürfen sich dann wieder
berühren…
Aber so ist es ja auch
gesellschaftlich gerade oft: Wir hängen noch in unseren alten Vorstellungen und
hoffen beispielsweise, aus dieser Corona-Krise genauso wieder herauszukommen,
wie wir hineingegangen sind. Ich glaube, auch hier werden wir alle noch viel
lernen müssen, damit das Leben siegen kann.
4.
Doch egal, wie groß oder klein, wie alt oder neu Ostern
in diesem Jahr für uns – für Sie, für mich – ist, entscheidend ist, dass wir
uns persönlich davon ansprechen lassen.
Auch davon haben wir ja gehört: Jesus
spricht Maria mit ihrem Namen an. Sie ist persönlich gemeint und hört in ihrem
Namen die ganze Nähe und Liebe Jesu.
Und Jesus spricht auch zu jedem von
uns – persönlich, liebevoll, nah.
Es gibt Zeiten voller Kleinostern, da ist das schon sehr viel: dass da jemand
ist, der mich zuinnerst kennt, der mir persönlich nah sein will in einer ganz
besonderen Weise – nicht zum Anfassen, nicht zum Umarmen, aber voller Liebe.
Ich wünsche Ihnen an diesem
Osterfest, dass Sie Jesu Nähe und Liebe spüren können, auch wenn körperliche
Berührung nicht dazugehören – weder für Maria Magdalena noch für Sie.
Das Leben zu feiern bedeutet dieses
Jahr, dass wir Kleinostern dankbar annehmen – und uns ausstrecken nach dem
Großostern, das uns noch erwartet.
5.
Denn das Ende ist kein Abschluss mehr,
kein Nichts, das alles besiegelt und unser Leben beendet.
Nein, das Ende ist offen – das Ende ist ein Neubeginn, anderes, weites Leben,
Begegnung mit Ihm.
Ein Osterlied der Berliner Band
„herrlicher“ (Text von Matthias Pinkawa):
Mein Ende ist offen
Mein Ende ist weit
Mein Ende wird
anders
als erahnt
Mein Ende ist
dunkel
Mein Ende ist hell
Mein Ende es
strahlt
In meiner Welt
Ende offen
auf Dich hin
Ende offen
auf Dich hin
Mein Ende ist
offen
auf Dich hin
Mein Ende ist
Bruch
Mein Ende ist
Rauch
Mein Ende ist
Asche
Mein Ende ist
Staub
Mein Ende ist Antwort
Mein Ende wird
groß
Mein Ende ist
sicher
grenzenlos
Ende offen
auf Dich hin
Ende offen
auf Dich hin
Mein Ende ist
offen
auf Dich hin
Mag die Sehnsucht
noch diffus sein
Meine Hoffnung ist
konkret
Du offenbarst Dich
in mein Leben
Setz die Grenzen
neu
Ende offen
…
Kann man das Lied irgendwo im Netz hören? Ich habe es bei youtu.be nicht gefunden. Ich bekomme nur viele sehr fromme Vorschläge wegen "herrlicher".
AntwortenLöschenIch habe es auch nur über einen Streamingdienst gefunden und als CD zu Hause. Ist wahrscheinlich schwierig, anders an das Lied ranzukommen... Vielleicht nächstes Jahr live in St. Christophorus in Neukölln, gleich um die Ecke 🙂
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