Samstag, 17. April 2021

Trauer und Hoffung. Von den Toten und der Auferstehung

Während wir jetzt hier im Gefängnis unseren Gottesdienst feiern [Predigt am 18.04.2021, vormittags], wird gleichzeitig in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche ein großes Gedenken für die Opfer der Corona-Pandemie (und alle Toten dieser Zeit) begangen. Die Trauer über die Toten, von denen sich ihre Angehörigen oft genug nicht einmal verabschieden durften, kann dort noch einmal Raum finden.

In unserem Gottesdienst möchte auch ich dieses Gedenken an die Toten mit einbeziehen.

Für uns Christen ist das sowieso der richtige Zeitpunkt – wir feiern die Auferstehung, 50 Tage lang ist Osterzeit, bis Pfingsten!

Die Trauer um die Toten und die Hoffnung auf ihr Leben bei Gott gehören zusammen.

Blumen für alle.
Schwante, 2018.
Zwar vermissen wir unsere verstorbenen Angehörigen und Freunde. Sie sind fort und fehlen uns, wir müssen unser Leben ohne sie leben.
Aber zugleich vertrauen wir auf Gott, der sich ihrer annimmt auch im Tod. Manchmal kann das ein Trost für uns sein und uns mit Freude erfüllen, dass die Trennung nicht für immer anhält.

In den Evangelien hören wir von den Begegnungen der Jünger mit dem Auferstandenen. So auch heute (Lk 24,35-48). In die Trauer und Angst und Unsicherheit der Jünger hinein kommt Jesus und zeigt sich ihnen als Lebendiger.
Den Evangelien sind verschiedene Punkte wichtig: Der Auferstandene ist derselbe wie der Gestorbene. Er ist nicht an Raum und Zeit gebunden, aber doch ganz und wirklich da. Er vertreibt die Angst und bringt den Frieden. Er ist erkennbar, aber nicht immer gleich und nicht immer eindeutig.

Aber in allem wird deutlich, was auch Paulus in seinen Briefen immer wieder betont: die Auferstehung Jesu ist ein zentraler Dreh- und Angelpunkt des christlichen Glaubens – und an der Auferstehung Jesu hängt die Frage, ob auch unsere Toten auferstehen. An die Korinther schreibt Paulus zum Beispiel: "Wenn es keine Auferstehung der Toten gibt, ist auch Christus nicht auferweckt worden. Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer, leer auch euer Glaube." (1Kor 15,13f)

Kurz: Wir glauben daran, dass unsere Verstorbenen auferstehen, weil Gott uns in Jesus gezeigt hat, dass er die Auferstehung, also das Leben der Menschen, will. Wir sind ihm wichtig, darum sollen wir leben. Wir sind von ihm geliebt, mit seiner Liebe will er uns zu sich ziehen.

Aber das Leben mit Gott ist anders als wir es uns oftmals vorstellen:

Auferstehung ist nicht wie eine Reise, die einfach an einen anderen Ort führt und dort ist dann zwar alles anders, aber wir selbst sind noch die gleichen, bloß ohne Körper. Nein, Auferstehung ist ein neues Dasein, das uns umfassend verwandelt haben wir. Wir werden vollständig geöffnet für die liebevolle Gemeinschaft in Gottes Nähe.

Denn: "Der Himmel ist vollendete Liebe und Kommunikation." wie ein bekannter Theologe schreibt.1 Als Auferstandene werden sich die Schritte, die wir hier im Leben als Liebende gemacht haben, vollenden.


Dazu gehört auch, dass Gott uns alle bei sich haben will. Gott will niemanden wegstoßen, in eine Hölle oder eine Leere oder in irgendein Verderben. Gott lädt uns Menschen alle in die Gemeinschaft mit sich ein, schon jetzt und auf ewig. Die Gemeinschaft mit Gott, der Himmel, sein Reich, es beginnt schon hier und jetzt, wenn wir Liebe und Gemeinschaft einüben, wenn wir über uns hinauswachsen auf den anderen und die andere hin. Seien sie nun Bedienstete oder Inhaftierte, am Ende ruft Gott jede einzelne Person und will uns alle bei sich haben.

Vor über 100 Jahren hat der französische Schriftsteller Charles Péguy dies so zusammengefasst:

"Wir müssen uns alle zusammen retten! Zusammen beim lieben Gott ankommen! Zusammen vor ihn treten! Wir dürfen nicht die einen ohne die anderen zu ihm kommen. Alle miteinander sollen wir heimkehren ins Haus unseres Vaters. Man muß auch ein wenig an die anderen denken, einer für den anderen arbeiten. Was würde Er wohl von uns denken, wenn wir ohne die anderen zu ihm kämen, ohne die anderen heimkehrten!"2


Wir gehören zusammen – darum sollten wir füreinander kämpfen.

Wir gehören zusammen – darum ist Trauer nur die folgerichtige Reaktion auf einen Verlust, selbst wenn wir darauf vertrauen, dass diese Person bei Gott lebt. Trauer gehört dazu.

Wir gehören zusammen – darum ist es auch wichtig, dass Traurigkeit und Einsamkeit hier im Gefängnis keine Tabus sind, sondern dass jeder es sich selbst zugeben kann, dass die eigene Einsamkeit hier nichts gutes ist (selbst wenn sie manchmal hilft, herunterzukommen).


Aus diesem Grund:

Ich wünsche Ihnen Liebe und ich wünsche Ihnen gute Gemeinschaft (sei es hier oder außerhalb der Mauern).

Ich wünsche Ihnen genug Trauer um die Trennung von ihren Lieben während der Zeit hier in Haft.

Ich wünsche Ihnen Hoffnung, Hoffnung auf gemeinsames, neues Leben mit Gott - jetzt und nach dem Tod.

 

Blick auf die andere Seite.
Slubice - Frankfurt/Oder, 2020.

 

1   G. Greshake, Stärker als der Tod. Mainz 6. Aufl. 1981, 77.

2   C. Péguy, Mystère de la charité de Jeanne d' Arc. Zit. n. G. Greshake, a.a.O., 86.

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