Sonntag, 25. April 2021

In der Krise der Autoritäten vom Guten Hirten sprechen

"Ich kenne die Meinen"

Dabei sind wir so schwer zu kennen, rennen wir doch alle in unterschiedliche Richtungen – wir laufen Allesdichtmachern oder No-Covid-Agitatoren hinterher, hören auf Rahnerangriff oder Osterkonter, sind für Laschet oder Baerbock, lieben Papst Franziskus oder seine Kurie.

Diese Spaltungen sind so ermüdend!

Wenn da wirklich einer meint, er würde uns kennen, dann hätte er viel zu tun in jeder Richtung.

Und er käme zu einer unpassenden Zeit. Einer Autorität, die mir einflüstern wollte, dass sie uns kenne, stünde ich sehr skeptisch gegenüber.

Zu viele haben ihre Ohren angeblich nah am Herzen des einfachen Mannes, zu viele glauben nur den alleraktuellsten Meinungsumfragen, zu viele lassen sich treiben von angeblichen Bedürfnissen ihrer Wählerklientel.

Einzelne Blüten.
Königsheide, 2020.
Zugleich wiederum scheinen die Regierenden jegliche Fühlung mit den Regierten verloren zu haben. Scheinen die Verantwortungsträger in der Kirche nicht zu verstehen, was die Gläubigen bewegt. Ist ihnen vielleicht egal, wieviel innere Verbindung da noch besteht, solange das Geld noch fließt.

Die Herden aber fliehen. Sonstwohin.

In diese Krise der Autoritäten hinein also wird morgen die Lesung vom Guten Hirten (Joh 10,11-18) erklingen. Jesus stellt sich vor als einer, der nah dran ist an den Seinen. Der sie unter großem Einsatz schützt, wo nötig, der sie führt, der sie kennt. Und auf den sie hören.

Meine Alarmglocken schrillen bei diesen Worten. Zu ausgelutscht die Versprechen von Verantwortungsübernahme, zu allgegenwärtig der Machtpoker, zu groß die Enttäuschung, zu verloren das Vertrauen.

Aber mitten in dieser Verwirrung, mitten in diesem Vertrauensverlust suche ich doch genau das – einen, dem ich vertrauen kann, eine, die ihr Versprechen hält. Einen, der da ist, eine, die da bleibt.

Soll die Antwort nicht nur transzendent auf Gott hin ausgelegt werden, bleibt die Frage: Wer will wirklich die vielen unterschiedlichen Hoffnungen und Wünsche nicht nur kennen, sondern auch unter einen Hut bringen...?

Schon in der frühesten Kirche des Neuen Testaments zeigt sich, dass Paulus die streitende Gemeinde kaum zähmen konnte. Sein Ausweg mag eine der wenigen echten Hirtenlösungen sein – er fasst das Problem in ein Bild, in dem er sortiert, die Aufgaben verteilt und die Streitenden in ein Ganzes einfügt:

"... wie der Leib einer ist, doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich es viele sind, einen einzigen Leib bilden: So ist es auch mit Christus. Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen, Juden und Griechen, Sklaven und Freie; und alle wurden wir mit dem einen Geist getränkt. Auch der Leib besteht nicht nur aus einem Glied, sondern aus vielen Gliedern. Wenn der Fuß sagt: Ich bin keine Hand, ich gehöre nicht zum Leib!, so gehört er doch zum Leib. Und wenn das Ohr sagt: Ich bin kein Auge, ich gehöre nicht zum Leib!, so gehört es doch zum Leib. Wenn der ganze Leib nur Auge wäre, wo bliebe dann das Gehör? Wenn er nur Gehör wäre, wo bliebe dann der Geruchssinn? Nun aber hat Gott jedes einzelne Glied so in den Leib eingefügt, wie es seiner Absicht entsprach. Wären alle zusammen nur ein Glied, wo bliebe dann der Leib? So aber gibt es viele Glieder und doch nur einen Leib. Das Auge kann nicht zur Hand sagen: Ich brauche dich nicht. Der Kopf wiederum kann nicht zu den Füßen sagen: Ich brauche euch nicht. Im Gegenteil, gerade die schwächer scheinenden Glieder des Leibes sind unentbehrlich." (1Kor 12,12-21)

Es scheint ihm damals irgendwie gelungen zu sein, wieder Ordnung zu schaffen und die Krise beizulegen, er scheint ein erfolgreicher Hirte gewesen zu sein, dieser Paulus, sonst wären seine Schriften wohl kaum in dieser Weise überliefert worden.

Ich lese in diesem kurzen Ausschnitt: Kennen – einbinden – Verantwortung teilen – auf das Ganze ausrichten – motivieren.
Ein "Hirte", der das könnte, hätte schon viele Chancen bei mir.

 

Alte Kutsche.
Ragower Mühle, Schlaubetal, 2017.


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