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Sonntag, 28. März 2021

Palmsonntag – Alles Leiden unserer Zeit in einer Woche

Mit dem Palmsonntag beginnt die Heilige Woche, die in Karfreitag und Ostersonntag, in Leiden, Tod und Auferstehung Jesu gipfelt.

Die Doppelgesichtigkeit der kommenden Festtage spiegelt sich auch in der heutigen Liturgie:

Wir gehen in die Leidenswoche, aber wir feiern am Sonntag Auferstehung.

Wir hören vom triumphalen Einzug Jesu, aber auch von seiner Leidensgeschichte in der Passion.
Und in diesem Jahr ganz besonders:
Wir können gemeinsam in der Kirche Gottesdienst feiern, aber nicht lang und festlich und mit Gesang, sondern nur mit Maske, ohne Friedensgruß und ohne Lieder.

Donnerstag, 11. Juni 2020

Fronleichnam und die Frage nach dem "überwesentlichen" Brot für morgen

Es ist nicht wichtig, wie dieses Brot schmeckt. Es ist nicht wichtig, wie es aussieht. Es ist noch nicht einmal besonders wichtig, aus welchen Körnern es zubereitet wurde.
Wichtig ist in erster Linie das, was es zuinnerst ausmacht, also sein Wesen, seine tiefste Bedeutung. Noch konkreter schreibt Eckhard Nordhofen: "Sein Wesen ist seine Geschichte. Die ist unsichtbar, man kann sie aber erzählen."1

1.
In seinem viel diskutierten Buch "Corpora. Die anarchische Kraft des Monotheismus", dem ich hier auch schon einen begeisterten Beitrag gewidmet habe, beschäftigt sich Nordhofen mit den Medien, durch die Gott mit den Menschen in Kontakt tritt. Waren für die Israeliten das Offenbaren des göttlichen Namens und die Heilige Schrift die entscheidenden Kontaktstellen Gottes mit der Welt, so steht für die Christen mit dem Johannesprolog fest: "Gott, das ewige Wort, wird nicht Schrift, sondern Fleisch."2 (Auch Jesus selbst hat in seiner Auseinandersetzung mit besonders schrifttreuen Juden regelmäßig die Schrift relativiert und das menschliche Herz ins Zentrum gestellt.)

Das neue Gottesmedium ist ein Mensch. Doch Jesus ist nicht nur als Mensch geboren, sondern auch als Mensch gestorben – wie aber kann der in Jesus menschgewordene Gott dann seine Gegenwart in der Welt retten?

Montag, 18. Mai 2020

Der 100. Geburtstag von Johannes Paul II. Eine persönliche Rückschau

1.
Zuerst war da nur der in jeder Messfeier genannte Name des Papstes, für den gebetet wurde. Sonntag für Sonntag, Jahr für Jahr der gleiche. Da ich es nicht anders kannte, fiel mir erst später auf, dass Johannes Paul II. auf diese Weise in meiner ganzen Kindheit und Jugend präsent war.

2.
Dann beschäftigte ich mich mit seinen Schriften, da ich (immer noch) der Meinung bin, dass es gut ist, sich mit grundlegenden Texten der eigenen Tradition auseinanderzusetzen. Die päpstlichen Lehrschreiben des aktuellen Pontifex zählte ich dazu. Ich muss zugeben, dass ich den Stil der Enzykliken von Johannes Paul II. schätze. Nicht an jedem Punkt teile ich seine theologische Meinung, aber er bringt seine Themen elegant auf den Punkt und hat eine überaus spirituelle Perspektive auf alle Fragestellungen. Außerdem bildete er mit der Vielzahl seiner Äußerungen zu den unterschiedlichsten Fragestellungen – von der menschlichen Arbeit über die Ostkirchen und die Frage der Mission bis hin zu Trinität und Eucharistie – eine gute Basis zum Verständnis des Katholischen, jedenfalls des Katholischen aus seiner Sicht. Es ist ein sehr kirchliches Katholischsein, das aber gleichzeitig eine große Weite über die Grenzen der Kirche hinaus kennt.

Samstag, 18. April 2020

Jesus empfiehlt Corona-Glauben

"Selig sind, die nicht sehen und doch glauben." (Joh 20,29)

So lautet das berühmte Diktum Jesu am Ende des Evangeliums vom "ungläubigen Thomas" (Joh 20,19-31), das eine Woche nach Ostern in den Kirchen gelesen wird.

Eine der traditionellen Deutungen dieses Wortes besagt, dass die Christen, die keinen Kontakt mehr mit dem leiblichen Jesus haben konnten, auf diese Weise gestärkt werden sollten. Denn ihr Glaube basiert nun mal nicht auf dem Sehen, sondern "nur" auf dem Zeugnis derer, die Jesus noch mit eigenen Augen sehen konnten.

Für die jetzige Zeit empfiehlt sich eine adaptierte Deutung:

Mittwoch, 8. April 2020

"Ich verstehe deine Wege nicht" – Die Leere und eine neue Art Gottesdienst mitten in der Karwoche

1.
Am Montag hatte ich meine erste Chorprobe via Zoom. Sehr gewöhnungsbedürftig, wie so vieles in dieser Zeit. Dabei sangen wir auch ein Taizé-Lied mit einem Text von Dietrich Bonhoeffer, das mich seitdem begleitet:

"Gott, lass meine Gedanken sich sammeln zu dir. Bei dir ist das Licht, du vergisst mich nicht. Bei dir ist die Hilfe, bei dir ist die Geduld. Ich verstehe deine Wege nicht, aber du weißt den Weg für mich."

So geht es mir gerade im Zugehen auf auf Ostern – ich verstehe Gottes Wege nicht, aber ich hoffe darauf, dass Gott einen Sinn für uns in dieser Corona-Krise versteckt hat. Normalerweise bin ich ja immer schnell beim Deuten und Sinnsuchen (und war es hier ja auch schon), aber ehrlich gesagt stiefelt mir gerade sehr viel Zweifel im Kopf herum.

Samstag, 4. April 2020

Palmsonntag: Kleider liegen auf der Straße

Mit diesen Worten werde ich am Palmsonntag um ca. 10 vor 10 Uhr auf rbb 88,8 zu hören sein:

Massen sind in Jerusalem unterwegs. Es ist fast kein Durchkommen mehr an den Eingangstoren zur Stadt. Denn dieser Wunderheiler aus Nazareth soll kommen. Ein berühmter Mann, den muss man gesehen haben.
Und da ist er endlich, auf einem Esel reitet er ein, seine Jünger bahnen ihm einen Weg durch die Menge. Die Leute reißen Zweige von den Bäumen. "Viele Menschen breiteten ihre Kleider auf der Straße aus" und jubeln ihm zu. So ähnlich beschreibt die Bibel den Einzug Jesu in Jerusalem.

Normalerweise feiern Christen auf der ganzen Welt am heutigen Palmsonntag mit großen Gottesdiensten den Beginn der Karwoche. Ihr Höhepunkt ist nach der Erinerung an den Tod Jesu am Karfreitag die Feier seiner Auferstehung an Ostern.

Donnerstag, 26. März 2020

Wie sieht Nähe in der Krise aus?

Viele gute Sachen kommen in einer Krise zum Vorschein. Dazu gehört auch, dass eine Menge Hilfsangebote an Nachbarn oder Bedürftige gemacht werden, das Übernehmen von Einkäufen oder die Berliner Gabenzäune beispielsweise.
Durch solche Aktionen entsteht eine neue Nähe zu Menschen, die sonst unter die Räder kommen könnten. Nachbarn, die sonst nicht mehr als einen Gruß miteinander wechseln, können sich Hilfsangebote machen. Online-Tutorials können neue Horizonte aufschließen.

Und das alles, während es auf den Straßen und Plätzen des Landes (und in vielen anderen Regionen weltweit) weitgehende Kontaktverbote gibt. Physische Nähe fällt aus – mentale Nähe kann entstehen.

Beim heutigen Spaziergang im Wald stand mir plötzlich dieser Satz vor Augen:

Sonntag, 15. März 2020

Corona-Kirche: Die Stunde der Frauen

Die Corona-Krise ist eine furchtbare Tragödie für alle direkt Betroffenen.
Zugleich bietet sie aber auch eine ungeheure Chance, die Kirche neu zu gestalten.1

Konkret: In vielen Kirchen in Deutschand und an vielen anderen Orten (u.a. auch in Italien und im Vatikan) werden in diesen Tagen keine öffentlichen Messen gefeiert, im Erzbistum Berlin keine Gottesdienste für Gruppen größer als 50 Personen.

Das ist eine ungeheure Möglichkeit für viele kreative und religiös aktive Frauen (und auch für Männer, ja). Denn bisher verdrängen die Eucharistiefeiern in jenen Gebieten mit genügenden Priestern viele andere Ausdrücke des religiösen Lebens. Und die Eucharistiefeier hängt nun einmal am Priester.
Natürlich können und werden und sollen auch Priester weiterhin religiös kreativ sein.

Aber die Kirche im Corona-Modus: das ist auch die Stunde der Laien, besonders die Stunde der Frauen. Ein Freiraum von einigen Wochen, der genutzt werden kann von den Frauen, die sich eine erneuerte Kirche wünschen und die verkrustete patriarchale Strukturen schon lange beklagen.
Der Kairos ist jetzt!

Samstag, 14. März 2020

Der beste Gottes-Dienst ist kein Gottesdienst

Auch in Berlin sollen in den nächsten Tagen und Wochen keine öffentlichen Gottesdienste mit mehr als 50 Personen mehr gefeiert werden (Hinweis auf der Homepage des Erzbistums am 14.03.2020).

Wie passend für diese sich überschlagenden Ereignisse das Evangelium für den morgigen Sonntag: In Jesu Gespräch mit der Samariterin am Jakobsbrunnen (Joh 4,5-42) geht es auch darum, welcher Ort der richtige sei, um Gott anzubeten.
"Glaube mir, Frau, die Stunde kommt, zu der ihr weder auf diesem Berg noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet" (v21), sagt Jesus der Frau.

Wichtig ist für Jesus nicht der Ort des Gebetes, sondern dass gebetet wird – und zwar "im Geist und in der Wahrheit" (v23).

Dienstag, 10. März 2020

Christ sein ohne Gottesdienst?! Reflexionen im Italien-Urlaub

Auch wenn die Ereignisse mal wieder schneller sind und hier in Italien inzwischen viele weitere und grundsätzlichere Maßnahmen zum Schutz vor der Ausbreitung des Corona-Virus getroffen wurden, möchte ich doch noch einige Gedanken zu einem Thema äußern, dass mich gerade auch beschäftigt: dass seit Sonntagnacht sukzessive öffentliche Gottesdienste in ganz Italien bis vorerst zum 03. April (Freitag vor Palmsonntag) ausgesetzt wurden (außer in der Deutschen Gemeinde von Rom).

Wir sind gerade im Urlaub in der Toskana. Am Samstagnachmittag haben wir das kleine Dörfchen Vico d’Elsa besucht und während die Kinder auf dem Spielplatz spielten, habe ich mir das alte Zentrum und die Kirche angeschaut. Um 17:00 Uhr begann die Vorabendmesse, fünf oder sechs Leute waren gekommen.

Mittwoch, 1. Januar 2020

Erhebet die Herzen. Eucharistie am Jahresanfang 

Ich liebe es, das Jahr mit einer Eucharistiefeier zu beginnen. Die Haltungen des Hörens, Betens, Singens, Kniens, Empfangens sollen mein Jahr prägen.

Heute war ich besonders berührt, als von Versöhnung und Frieden die Rede war. Aber auch die liturgischen Dialoge haben mich angesprochen: Priester und Gemeinde sagen sich am Beginn des eucharistischen Hochgebets gegenseitig Gottes Gegenwart zu. Dann fordert der Priester die Versammelten auf: „Erhebet die Herzen!“ und alle antworten: „Wir haben sie beim Herrn.

Nur gelingt das recht selten.

Mittwoch, 19. Juni 2019

Fronleichnam und die Zerstörung der Globuli

Als in der letzten Sendung des Neo Magazin Royale über die Homöopathie hergezogen wurde, musste ich kurz schmunzeln. Insgesamt war die Sendung ja gar nicht sehr aufs Schmunzeln angelegt, sondern auf Böhmermann-typische Weise aufklärerisch-provokativ, nicht zuletzt durch den Besuch von Rezo und einem politisch angehauchten Gespräch.

Grund meines Schmunzelns aber war der Gedanke an die mögliche innere Verbindung zwischen den geschmähten Globuli und dem heutigen Hochfest Fronleichnam, bei dem Katholiken Leib und Blut Christi in den Gestalten von Brot und Wein verehren.

Mittwoch, 22. Mai 2019

Großartiges Ich. Unverlierbare Würde. Über Maria und das Grundgesetz

Das Grundgesetz feiert Geburtstag.

Ich mag das Grundgesetz, also gratuliere ich gern.

Besonders denke ich, wie so Viele, an den ersten Satz.

"Die Würde des Menschen ist unantastbar." (Art 1, Abs. 1, Satz 1, GG)

Ein hoher Anspruch, der trotz der scheinbar einfachen Botschaft missverständlich bleibt.

So richtig klar ist schließlich nicht, was genau diese Würde überhaupt sein soll.

Mir fällt dazu ein Satz ein, den der Evangelist Lukas Maria in den Mund legt.

Der Mächtige hat Großes an mir getan.“ (Lk 1,49)

Samstag, 11. Mai 2019

Christus ist mitten unter uns – Zur Theologie des Gottesdienstes

Gott will bei den Menschen sein – das ist der Kern des Christentums.
Es ist der Kern von Weihnachten, wenn wir feiern, dass Gottes Wort ein Mensch wird.
Es ist der Kern des Osterfestes, wenn wir feiern, dass Jesus über den Tod hinaus bei den Seinen ist.
Es ist der Kern von Pfingsten, wenn wir feiern, dass Gott im Heiligen Geist bei uns bleibt.
Immerzu feiert die Christenheit Gottes Gegenwart unter den Menschen.
Es ist auch der Kern unseres Gottesdienstes.

Heute sollen darum ein paar Gedanken zur Feier unserer Gottesdienste als Predigt dienen.


1. Versammlung
Das, womit der Gottesdienst beginnt, ist kein Wort, ist kein Lied, ist kein Zeichen.
Das Erste ist, dass wir zusammenkommen.
Denn wir können zwar auch jeder allein für sich beten, doch am Sonntag kommen wir zusammen. Wir stehen dann nicht allein vor Gott, sondern als Gemeinde.
Versammelt und vorbereitet.
Erkner, 2018.
Sie sind hier, im Gottesdienstraum der JVA Plötzensee, die versammelte Gemeinde Gottes an diesem Sonntag. Ob Sie nun getauft sind oder nicht, ob Sie glauben oder nicht, ob Sie katholisch sind oder evangelisch oder orthodox – Sie haben sich zum Gottesdienst versammelt.
Weshalb Sie genau gekommen sind, ist deshalb auch gar nicht so wichtig – wichtig ist, dass wir uns heute hier versammelt haben.

Denn Gott meint und ruft zwar jeden einzeln und persönlich, und wir können auch einzeln und persönlich mit ihm in Kontakt kommen, aber darüber hinaus ruft er uns zur Gemeinschaft. Wir sollen nicht allein bleiben.
Vielmehr will Gott die Menschen zusammenrufen, er will in ihrer Mitte wohnen, er will, wie es die Osterberichte zeigen, in ihre Gemeinschaft kommen und Gemeinschaft unter uns Menschen stiften.

Und wenn wir uns versammelt haben, dann können wir uns auch unter ein gemeinsames Zeichen stellen. Für uns Christen ist es das Kreuzzeichen – das Zeichen, das uns verbindet und zeigt, dass wir zu Jesus Christus stehen, der sich aus Liebe für die Menschen hat kreuzigen lassen.
Unter diesem Zeichen haben wir uns versammelt.

Wir bleiben nicht allein, weil wir mit den Anderen zusammen hier stehen. Und wir bleiben nicht allein, weil Gott dann selbst zu uns kommen will.

2. Sich selbst vor Gott bringen
Wenn wir uns versammeln, dann kommt jeder anders in diesen Raum. Der eine hat gut geschlafen, der andere nur mit schweren Medikamenten, einer schaut auf die Lockerung, die hoffentlich bald kommt, ein anderer macht sich Sorgen um die Familie draußen, einer musste gerade noch einen Konflikt auf der Piste austragen, ein anderer konnte in Ruhe den Tag beginnen...
Wir kommen mit unterschiedlichen Gefühlen und Erfahrungen, mit unterschiedlichen Hoffnungen und Ängsten. Und all das können wir mitbringen in diesen Gottesdienst.

Wer sich am Beginn des Gottesdienstes etwas Zeit nimmt und in Stille vor Gott tritt, der sammelt sich sozusagen selbst ein und legt all das, was er ist und hat, vor Gott hin.
All das, was in einem Leben misslungen ist, was zerbrochen ist, was steckengeblieben ist, aber auch das, was gelungen ist, was leuchtet und glänzt, was nur so schnurrt, kann dann beim Gottesdienst dabei sein.

Jeder ist gerufen, als ganzer Mensch in der Gegenwart da zu sein. Denn nur wenn wir ganz da sind, kann auch Gott ganz bei uns sein – wenn wir verstreut und mit vielen anderen Dingen beschäftigt sind, werden wir auch Gottes Gegenwart nicht bemerken. (Das gilt natürlich nicht nur für den Gottesdienst, sondern auch sonst...)

3. Lobgesang und Gebet
In dieser gesammelten Gegenwart kommen wir natürlich auch zu Gesang und Gebet zusammen.
Wir wenden uns Gott zu und nehmen Kontakt mit ihm auf. So tasten wir über uns hinaus und hoffen, dass da jemand ist, der uns hört.

Besonders intensiv kann dieses Gebet werden, wenn es gesungen wird. Nicht nur ein Stammeln und Verhaspeln, sondern der Versuch, Gott mit Klang und Stimme zu erreichen.
Zwar könnten wir auch aussprechen, was uns wichtig ist, aber wenn wir singen, dann klingt es im wahrsten Sinne des Wortes noch einmal völlig anders.
Denn der Ton macht, wie man so sagt, die Musik. Und er macht eben auch das Gebet.
Wenn wir die Stimme erheben, dann gehen wir über uns hinaus – wir strengen uns an, wir bringen unser Anliegen zum Klingen, wir bringen es festlicher und feierlicher vor.

Boden. Auch bereitet.
Sonnenallee, Berlin, 2019.
Schließlich kann uns der Gesang auch in meditative Stimmung versetzen – wie das bei den Troparien oder dem Trishagion der byzantinischen Liturgie in der Ostkirche der Fall ist, oder auch bei den vielmals wiederholten Gesängen in Taizé.
Deshalb singen wir immer wieder während des Gottesdienstes – es ist das gemeinsame Gebet, ist ein Einstimmen in das Gebet der vielen Mitfeiernden – und, wie wiederum in der Ostkirche stark betont wird, es ist ein Mitsingen mit den Chören der Engel im Himmel. Vielleicht klingt es nicht so himmlisch, aber wir dürfen uns einklinken und darauf vertrauen, dass wir in einem gewaltigen Chor mitsingen und Gott loben.

4 Hören und Bekennen
Stille und Besinnung gehören also in den Gottesdienst ebenso wie Gesang und Gebet.
Aber nun kommt ein weiterer Punkt, den viele mit Kirche besonders stark assoziieren: das Hören.
Und natürlich sind es die Lesungen aus der Heiligen Schrift, die im Zentrum stehen, wenn es um das Hören geht. Wenn wir aus den Schriften der Bibel vorgelesen bekommen, dann wird eine Verbindung hergestellt zwischen uns und den damals Lebenden mit ihren Gotteserfahrungen. Das, was damals eine Bedeutung hatte, kann es auch für uns haben.

Denn wir glauben:
Christus ist in seinem Wort mitten unter uns.
In diesem Sinne wurde die Bibel auch als eine Art Brief Gottes an den Lesenden oder Hörenden bezeichnet. Denn so wie ein Briefschreiber in dem anwesend ist, was er ganz persönlich einem anderen schreibt, so ist auch Gott anwesend, wenn wir biblische Lesungen hören.
Und noch mehr: Gott schenkt sich uns in seinem Wort.
Denn beim Hören können wir uns darauf verlassen, dass er uns meint und uns aufrichten oder aufrütteln, trösten oder ermahnen will. Dass er uns einlädt, uns ansprechen zu lassen und verwandelt zu werden.

Gott schenkt sich auch in Brot und Wein. Das ist sozusagen die handfeste Variante. Wo er einsteht für das, was er uns im Wort verspricht. Die Verwirklichung des Wortes in Fleisch und Blut.
Das können wir hier nicht in dieser Form feiern.

Aber beides – Gottes Anwesenheit im Wort und seine Anwesenheit im Mahl – soll uns verwandeln.

Dann können wir antworten auf dieses Wort, das Gott uns an diesem Tag gesagt hat.
Klassischerweise kommt nach der Auslegung der Lesungen (also der Predigt) deshalb das Glaubensbekenntnis. Das Bekenntnis ist sozusagen die bestätigende Antwort auf das, was Gott durch die Bibel zu den Feiernden sagt.

5 Versöhnung
Ein weiteres Element des Gottesdienstes ist die Versöhnung, der Friedensgruß.
Dazu lädt Gott uns ein: Dass wir uns mit einander und mit ihm versöhnen.
Es geht also wiederum nicht nur um Gott und mich allein, sondern darum, dass wir mit den Menschen um uns in ein besseres Verhältnis kommen.
In einem Gottesdienst wird dann nicht ausdiskutiert, was schief gelaufen ist, man wird nicht anklagen und verteidigen oder bitterlich um Verzeihung bitten. Aber man kann ein Zeichen setzen.
Es ist ein Zeichen des guten Willens, eine Geste. Wir reichen einander die Hand.

Man könnte sagen: NUR eine Geste, NUR ein Zeichen. Man kann aber auch sagen: Immerhin ein Zeichen, immerhin ein Anfang.
Und tatsächlich bitten wir Gott ja um den Frieden, wir hoffen auf Kraft für einen neuen Anfang mit denen, die um uns herum sind. Schließlich hoffen wir, dass wir diesen Frieden auch ausbreiten können.
Damit erbitten wir eigentlich eine Aufgabe von Gott. Er soll uns seinen Frieden geben, damit wir friedliche Menschen werden.
Ob das nun jemandem im Gottesdienst Kraft gibt – oder ob es vielmehr Kraft kostet, das ist eine interessante Frage, die ich an anderer Stelle gern noch einmal näher betrachten will.

Im weiteren Sinne ist das sogar eine politische Aufgabe. Der Frieden, den wir im Gottesdienst nur in der Geste des Friedensgrußes weitergeben, soll außerhalb des Gottesdienstes unser Leben bestimmen.
Nicht dass das oft geklappt hätte in der Geschichte der Kirche: Aber immerhin ist dieser Wunsch des Friedens eines der durchgehenden Worte, die der auferstandene Jesus in vielen Erscheinungsgeschichten sagt. Es scheint damals genauso wie heute nötig gewesen zu sein, Frieden zu empfangen und Frieden weiterzugeben.

Was sonst?
Moabit, Berlin, 2016.
6 Für Andere bitten
An den Friedensgruß schließen sich bei uns die Bitten an.
Versöhnt mit Gott und den Menschen können wir das vorbringen, was uns auf dem Herzen liegt.
Sicher sind das in vielen Fällen Anliegen, die uns betreffen oder jene, mit denen wir eng verbunden sind.
Aber die Bitten sind auch ein Moment im Gottesdienst, wo sich die Gemeinde, wo sich die einzelne Person öffnen kann für Dinge, die sonst außerhalb des eigenen Horizonts liegen.

Auch alle anderen werden nun mit in den Blick genommen, besonders die Notleidenden, die Schwachen, diejenigen, die nicht glauben können oder die bei allen anderen hinten runterfallen.
Ich persönlich finde es deshalb sehr schön, wenn in Gemeindegottesdiensten bisweilen auch an jene erinnert werden, die im Gefängnis sitzen. Wer denkt sonst schon in dieser Weise an Sie – außer Ihren Angehörigen?
Und auch Sie können hier an jene denken, die sonst vergessen werden. Oder an die, die unsere Bitten besonders nötig haben.

Hinter der Bitte steht die Einsicht, dass wir nicht alles selber schaffen.
So wenden wir uns an jemandem, dem wir zutrauen, dass unser Anliegen bei ihm gut aufgehoben ist.
Wenn wir unsere Bitte vor Gott formulieren, vertrauen wir ihm diese Sache oder diese Person an. Weil wir ihn gegenwärtig glauben, legen wir ihm das vor, was uns bewegt.
Damit geben wir Sorge und Angst aus der Hand, damit sie uns nicht mehr so stark bedrängen wie vielleicht zuvor.

Am Rande sei erwähnt: Eine Hochform des Bittgebets stellt das Vaterunser dar. Und hier fällt auf, dass die Hälfte der Bitten sich auf etwas beziehen, das eigentlich Gott betrifft – „geheiligt werde Dein Name, Dein Reich komme, Dein Wille geschehe." In diesen Formulierungen zeigt sich, dass das klassische Bittgebet nicht um sich selbst und die eigene kleine Welt kreist, sondern sich öffnet für Andere.

7. Sendung
Am Schluss steht schließlich die Sendung.
Nichts anderes nämlich ist der Segen: Er ist das Ausgesendetwerden in die Welt, damit das, was im Gottesdienst an uns geschehen ist, auch eine Auswirkung in unserem Alltag und unseren Beziehungen hat.
Gott wollte uns bestärken und ausrichten, trösten und halten, damit wir nun in seinem Sinne leben und handeln können.
Der Segen ist ein Auftrag. Und er steht unter demselben Zeichen wie der Beginn des Gottesdienstes: Wir werden unter dem Zeichen des Kreuzes in die Welt gesandt: Liebe bedeutet Schwachheit, aber Liebe überwindet vieles, was wir mit Gewalt und Willen nicht erreichen können. Liebe ist stärker als Leid und Tod.

Der Segen verheißt uns, dass wir Gottes Gegenwart auch dort entdecken können, dort in der Welt, wo unser Alltag ist. Dort, wo Leid und Ärger, Tod und Abschied, Trauer und Angst und Versagen sind.

So werden wir gesandt als Gesammelte, als Hörende, als Lobende, als Bekennende und nicht zuletzt als Boten des Friedens. Und hoffentlich auch als Verwandelte und Erneuerte, obwohl wir doch zu oft die Alten bleiben.

--

Mehr zu Eucharistie und Wortgottesdienst hier, mehr zum Liturgieablauf hier, mehr zur Hirtenthematik des Sonntags hier und hier, mehr zum Muttertag hier.

Erneuerung.
Kirche in Niedergrunstedt, 2017.

Montag, 1. April 2019

Darf ein Priester am Sonntag in der Bank sitzen?

Gestern habe ich den Gemeindegottesdienst mit äußerst ambivalenten Gefühlen verlassen.
Denn der Prediger in meiner Ortsgemeinde bot zwar eine sehr schöne Auslegung des Sonntagsevangeliums, aber er fügte auch noch einige Bemerkungen an, die mich nachdenklich zurückließen.
Es ging darum, dass er als Priester, der im Pfarrhaus neben der Kirche wohnt, aber nicht für die Pfarrseelsorge eingesetzt ist, sich nicht als Notnagel der Gemeindepastoral gebrauchen lassen wolle. Konkret gedenke er, lieber auch in den (bei uns regelmäßig stattfindenden) sonntäglichen Wortgottesdiensten in der Bank zu sitzen und auf diese Weise mit zu feiern, zumal er bei seiner Ankunft einen Wortgottesdienst erlebte, der ihn positiv beeindruckt hat.

Alte Kirchenteile, neu verpackt.
Nikolaikirche, Stralsund, 2018.
Ich stelle mir schon jetzt den Aufschrei vor, der durch die hiesigen Gemeinden gehen wird, nachdem monatelang um eine Gottesdienstordnung für die kommende Großpfarrei Nordneukölln mit ihren zwei Priestern, drei Hauptkirchen und fünf Gottesdienstorten insgesamt gerungen wurden. 
Der Wunsch nach Eucharistiefeiern und die gefühlte Not, nicht genügend Priester für das bisherige Gottesdienstangebot zu haben, war in den Diskussionen deutlich spürbar. Und nun ist da ein Priester, der im Zweifelsfalle aber nicht als Zelebrant zur Verfügung steht.

Persönlich finde ich die Haltung eines Priesters, der am Sonntag lieber einen Wortgottesdienst besucht, statt selbst eine Eucharistiefeier anzubieten, mindestens merkwürdig.
Aber ich kann die dahinterstehenden (und in den Bemerkungen des Geistlichen angedeuteten) Gründe teilweise verstehen.
Denn man kann diese Haltung von den verschiedenen möglichen Effekten her und damit in mehrfacher Hinsicht ansehen.

1: Pro I
Wenn es darum geht, Laien zu selbstverantwortlichem, auch liturgisch eigenständigem, Handeln zu motivieren und sich damit einem Klerikalismus entgegenzustellen, der ja oft von auf Priester fixierten Laien ausgeht, dann halte ich es für gut, wenn sich nicht in jede mögliche Gottesdienstform ein Priester hineindrängt.
Dann halte ich es auch für akzeptabel, wenn ein Priester an einem Sonntagvormittag in einer Kirche Eucharistie mit der Gemeinde feiert und anschließend zum Gemeindekaffee bleibt, dafür in einer anderen Kirche ein Wortgottesdienst gefeiert wird (so hier vor Ort zum Teil die künftige Praxis). Meiner Meinung nach muss ein Priester nicht von Messe zu Messe hetzen, damit nur ja unter allen Umständen keine eucharistiefreie Zone am Sonntag entsteht (auch wenn ich selbst eher geneigt bin, dann lieber einen weiteren Weg für eine Sonntagseucharistie auf mich zu nehmen).
Schließlich ist ein Priester keine Sakramentenmaschine, sondern ein Mensch.

Unter der Hinsicht der Ermutigung von Laien zu selbstmächtigen Handeln im Kirchenraum kann ich also nachvollziehen, dass nicht auf Druck immer eine Eucharistie gefeiert werden muss. (Darüber hinaus kann in einer Eucharistiefeier ruhig immer mal ein qualifiziertes Glaubenszeugnis oder eine persönliche Auslegung der Lesungen statt Predigt "im Angebot" sein, denn an der fehlenden Predigtvorbereitung des Priesters soll es nun nicht scheitern.)

2: Pro II
Zugleich wird der Eigenwert von Wortgottesdiensten hervorgehoben, wenn dort das Wort Gottes in einer schönen Form gefeiert, zu Gehör gebracht und ausgelegt wird. Wider die eucharistische Monokultur!
Das wäre die Bejahung dieser Haltung unter Hinsicht der gottesdienstlichen Vielfalt.
Andersherum wird durch die Feier von Wortgottesdiensten auch der Wert der Eucharistiefeier wieder mehr betont. Denn logischerweise steigt das Rare im Wert, wird man sich dessen, was man aktuell nicht hat, stärker bewusst und schätzt es mehr.

Alles ist fast schon bereitet.
Nikolaikirche, Stralsund, 2018.
3: Contra I
Demgegenüber steht beim Priester die Weihe zum Dienst.
Nicht für die persönliche Heiligung oder zur Erbauung der Hierarchie oder für das Erbringen wissenschaftlicher Leistungen wird jemand zum Priester geweiht, sondern für den Dienst am Volk Gottes.
Das Amtspriestertum ist ein Dienstamt!

Das bedeutet (wie oben schon erwähnt) nicht, dass Priester nur für liturgische und sakramentale Belange da wären (auch wenn das im Zeitalter von Verwaltungsleitern einer Pfarrei, die nicht Priester sind, praktisch im Vordergrund steht).
Der Dienst des Priesters besteht in solchen Situationen jedoch darin, sich auch dann für liturgische Feiern zur Verfügung zu stellen, wenn er eigentlich keine Lust dazu hat oder aus oben genannten (und möglicherweise noch anderen) Gründen der Meinung ist, dass keine Eucharistiefeier angeboten werden muss.

Unter der Hinsicht der grundsätzlichen Zielstellung des Amtspriestertums in der katholischen Kirche wäre es also mehr als angemessen, für die sonntägliche Feier der Eucharistie bereit zu sein. 
(Aus privatem Erleben als Seelsorger mit Familie kann ich sagen, dass hier ein äußerst praktischer Grund für den Zölibat liegt - auch ich möchte gern mal am Sonntag frei haben und mit meinen Kindern den Gottesdienst besuchen und nicht immer selbst vorn stehen.)

4: Contra II
Noch mehr gilt dies in Hinsicht auf die Ausbildung. Die Priester nämlich wurden, im Gegensatz zu den meisten Gläubigen, genau für diese liturgischen Feiern ausgebildet.
Während viele engagierte Laien, die nicht im kirchlichen Dienst stehen, vor großen Problemen stehen, wenn sie einen Gottesdienst leiten oder einen Segen spenden oder eine Predigt halten sollen, gehört es für den Priester zum Alltag, in kompetenter Weise liturgische Präsenz zu zeigen (was, zugegeben, mal mehr und mal weniger gut gelingt...).

Nur mal zum Vergleich: Würde der Busfahrer sich lieber nach hinten in den Bus setzen und stattdessen einen Fahranfänger ans Steuer lassen, würden wir uns doch sehr wundern. Der anwesende, aber nicht aktiv werdende Arzt würde im Fall der Fälle sogar vor Gericht kommen.
Aber in der Kirche soll der Heilige Geist nun in allen gleichermaßen wehen, egal wie professionell sie der liturgischen Aufgabe gerecht werden können. Bei aller Liebe: die Ausrichtung an den verschiedenen Talenten schließt eine Förderung dieser Talente gerade mit ein.

Ich halte es deshalb unter dieser Hinsicht nötiger, nicht vorgebildete Laien mehr auszubilden und zu befähigen, als sie irgendetwas machen zu lassen. Das würde Wortgottesdienste nämlich wirklich entwerten.

5: Conclusio
Mir persönlich liegt die Betonung des Dienstcharakters der Priesterweihe (s. 3) besonders am Herzen. Wenn ein Priester demütig Gott und dem Volk Gottes dient, wird Klerikalismus (s. 1) auch kein Problem werden. Ein solcher Priester wird die nichtgeweihten Gläubigen gern ermutigen und befähigen (s. 4), im rechten Moment das ihnen Gemäße zu tun – und selbst seine eigenen Aufgaben wahrnehmen.

Damit bin ich vom konkreten Erlebnis sehr weit ins Allgemeine gerutscht – aber so ist das eben.
Ich hoffe auf gedeihliches Gemeindeleben.

Alles im Umbau.
Kulturkirche, Neuruppin, 2017.

Sonntag, 10. März 2019

Meine Versuchungen im Gottesdienst. Gedanken zum Evangelium am Ersten Fastensonntag

Wenn Jesus im Evangelium des heutigen ersten Fastensonntags auf die Probe gestellt wird, dann frage ich mich, was diese Versuchungen für mich bedeuten.

(Leider gab es traditionell keine Auslegung dieses Textes durch den Gemeindepfarrer – aber dafür den in diesem Jahr äußerst hörens- und lesenswerten Fastenhirtenbrief von Erzbischof Koch. Ich kann ihn an dieser Stelle nur empfehlen und betonen, wer ihn liest und bisweilen auch in diesen Blog hineinschaut, kann dort viele Gedanken entdecken, die hier auch auftauchen: Ambivalenzen aushalten, Vielfalt würdigen, Aufmerksam durch den Alltag gehen...)

Besonders wenn ich selbst einen Gottesdienst gestalte, gibt es eine Reihe von Versuchungen, denen ich standzuhalten habe.

"Befiehl diesem Stein, zu Brot zu werden" (Lk 4,3), beginnt der Teufel bei Jesus.
Auch meine Versuchung ist oft genug, zu glauben, dass ich durch meine eigenen Kräfte und Möglichkeiten die Gottesdienstbesucher satt machen könnte.

Dienstag, 1. Januar 2019

Auch uns! Gebetsbitte an Neujahr 

Langsam, aber sicher. S. Donnino, 2019

Ein Jahreswechsel ist doch eigentlich nur Kulissenschieberei und im persönlichen Leben kein ernsthafter Grund, dass sich irgendwas ändern würde.
Tag reiht sich an Tag und alles geht fort und fort wie eh und je. Wären wir in China, hätte der ganze Trubel um diesen Wechsel des bürgerlichen Jahres von gestern auf heute gar keine Bedeutung, dort kommt Neujahr erst noch.

Nur die Feuerwerker jubilieren hierzulande, alle nutzen den willkommenen Feieranlass und vielleicht kann manch einer symbolisch eine Sache verabschieden und sich neuen Dingen annähern.
Aber eben auch nur symbolisch, denn wir bleiben ja doch die Alten. Was soll schon wirklich neu sein an diesem Jahr?

Soweit meine resignierte Vernunft zum Thema Neujahr.

Schaue ich die Sache vom Glauben aus an, springt mir ein Gedanke ins Hirn:
Alles, was das Christentum im Letzten will und glaubt (und was sich letztlich auch „gottlos" sagen lässt), ist die Möglichkeit der Verwandlung.
Nichts muss bleiben, wie es ist.

Gott schenkt dauernd Neuanfänge: Er wandelt Schuld durch Vergebung. Er wandelt Verzweiflung mit Vertrauen. Er wandelt Tod in Leben.

Die ganze christliche Botschaft ist vom Glauben an Verwandlung durchdrungen.
In einem frommen Lied heißt es dazu: „Du verwandelst das Brot in Jesu Leib, du verwandelst den Wein in Jesu Blut, du verwandelst den Tod in Auferstehn. Verwandle du auch uns!"

Heute wurde ich in der Messe, die dem Urlaubsort gemäß auf italienisch gefeiert wurde, darauf gestoßen: Auch wenn ich nur Bruchstücke verstanden habe, reime ich mir mithilfe meines theologischen Vorwissens doch immer kreativ etwas zusammen und glaubte heute zu hören, dass Gott das Universum heiligen würde.
Selbst wenn der Priester eigentlich etwas ganz anderes gepredigt haben sollte, begann damit doch meine Assoziationskette - dass auch die ganze Schöpfung, wie Paulus schreibt, „von der Knechtschaft der Vergänglichkeit befreit werden [soll] zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes." (Röm 8,21)
Auch hier, im Großen, soll Verwandlung geschehen, ebenso wie bei mir im Kleinen.
Kann sich ja Zeit lassen.

Aber das ist die gute Verheißung der christlichen Botschaft:
Alles wird verwandelt auf Gott hin.
Auch in diesem neuen Jahr, Schritt für Schritt.

Meine Bitte an Gott ist am Anfang des Jahres deshalb so kurz und bündig wie immer nötig: „Verwandle du auch uns!"

Und wir können dabei mittun.
Auf geht’s!

Samstag, 18. August 2018

Der Laientheologe und die eucharistische Kirche. Ein Konfliktfeld in der Praxis

Vor ein paar Tagen las ich in der Herder-Korrespondenz ein Interview mit dem Bostoner Erzbischof Seán Patrick O'Malley, der davon sprach, dass wir als katholische Kirche "eine eucharistische Kirche" seien.
Ohne es an dieser Stelle zu explizieren, bezieht er sich damit auf eine schon bei Paulus bezeugte1 und seit der frühen Kirche des zweiten Jahrhunderts gewachsene Theologie, derzufolge der Ursprung der Kirche als lebendiger Leib Christi in der Feier des Mahles um den eucharistischen Leib Christi liegt. Das Zweite Vatikanische Konzil weist ebenso darauf hin wie Johannes Paul II. in seiner letzten Enzyklika mit dem sprechenden Namen "Ecclesia de Eucharistia" (2003), der wie üblich ihrem ersten Satz entnommen ist: "Die Kirche lebt von der Eucharistie."2

Mir ist diese Art des Herangehens an Kirche und Kult sehr einleuchtend, wie ich auch hier schon dargestellt habe. Durch die Mitfeier der Messe wird für mich im Idealfall eben nicht nur die Gemeinschaft mit Christus, sondern auch mit den anderen Mitfeiernden spürbar.

Mittwoch, 8. August 2018

Wo Liturgie und Widerstand sich treffen. Notizen

Die Feier der Liturgie schafft einen fragilen Begegnungsraum zwischen Gott und Mensch.

Damit dieser Raum entstehen kann, müssen die Versammelten von sich selbst absehen können und Gott suchen. Hinaustreten aus der eigenen Lebenswirklichkeit und tastend eintreten in die Sphäre des Himmels. Denn im Mittelpunkt dieses liturgischen Begegnungsraumes stehen nicht die eigenen Bedürfnisse, sondern Gottes Lobpreis. Alles Weitere tritt erst später dazu.

Donnerstag, 2. August 2018

Neue religiöse Lyrik in "Der Himmel von morgen". Eine Rezension

Die Poeten haben ihren Blick seit je über das allzu Greifbare hinaus auf religiöse Themen gelenkt. Nicht umsonst ringt Lyrik in allen Kulturkreisen mit ihren Worten darum, Unsagbares auszuloten und Unausdenkliches anzudeuten.

Anton G. Leitner, selbst Lyriker und zugleich Verleger und Herausgeber, hat dieser Tage nun eine kleine Anthologie zeitgenössischer religiöser Gedichte vorgelegt. "Der Himmel von morgen. Gedichte über Gott und die Welt"1 versammelt 100 Texte, die auf unterschiedlichste Weise das Religiöse zum Thema haben. In unserer Gesellschaft, die sich von religiösen Phänomenen intellektuell und persönlich eher absetzen will, bietet diese Sammlung damit eine Art Versöhnung von Hochkultur und Religion auf der Höhe der Zeit an.

Eine Kostprobe zu Beginn:
Das philosophisch anmutende Gedicht "Die Glut durchwühlen" von Norbert Göttler wird durchzogen vom Widerspruch analytischer und synthetischer Weltdeutung.