Samstag, 4. April 2020

Palmsonntag: Kleider liegen auf der Straße

Mit diesen Worten werde ich am Palmsonntag um ca. 10 vor 10 Uhr auf rbb 88,8 zu hören sein:

Massen sind in Jerusalem unterwegs. Es ist fast kein Durchkommen mehr an den Eingangstoren zur Stadt. Denn dieser Wunderheiler aus Nazareth soll kommen. Ein berühmter Mann, den muss man gesehen haben.
Und da ist er endlich, auf einem Esel reitet er ein, seine Jünger bahnen ihm einen Weg durch die Menge. Die Leute reißen Zweige von den Bäumen. "Viele Menschen breiteten ihre Kleider auf der Straße aus" und jubeln ihm zu. So ähnlich beschreibt die Bibel den Einzug Jesu in Jerusalem.

Normalerweise feiern Christen auf der ganzen Welt am heutigen Palmsonntag mit großen Gottesdiensten den Beginn der Karwoche. Ihr Höhepunkt ist nach der Erinerung an den Tod Jesu am Karfreitag die Feier seiner Auferstehung an Ostern.
Einsam schön.
Neukölln, Berlin, 2020.
Doch wegen der hohen Infektionsgefahr durch das Corona-Virus werden in diesem Jahr keine öffentlichen Gottesdienste stattfinden. Das hat es noch nie gegeben. Keine gemeinsamen Ostergottesdienste: Nicht in Berlin, nicht in Jerusalem, nicht einmal im Vatikan.

Wer versucht, sich den Einzug Jesu in Jerusalem ohne die vielen Menschen vorzustellen, die ihre Kleider auf der Straße ausbreiten und Palmzweige von den Bäumen pflücken, dem wird rasch klar: Erst durch die Menge der versammelten Menschen konnte die begeisterte Stimmung überhaupt entstehen. Nur weil so viele schon da waren, wurde es für andere überhaupt interessant zu sehen, was da vor sich geht.
Denn ebenso wie ein Fußballspiel oder ein Konzert lebt auch der Glaube zu einem guten Teil vom Feiern in Gemeinschaft.

Wenn es nun in diesem Jahr keine Prozession, keinen gemeinsamen Gottesdienst, keine selbstgebastelten Palmwedel gibt, dann stellt sich die Frage, was noch vom Palmsonntag bleibt.
Vor diese Herausforderung sind wir in diesen Tagen alle gestellt, ob wir nun religiös sind oder nicht: Wenn es keine gemeinsamen Unternehmungen, keine Picknicks mit Freunden und keine Familienfeiern gibt, was bleibt uns dann noch vom Leben? Welchen Wert hat mein Leben ohne die konkret erfahrbare Gemeinschaft mit anderen?

Darauf finden sich gerade in dieser Zeit der Krise viele kreative Antworten: Menschen helfen einander in Berlin durch Gabenzäune, von denen sich Bedürftige und Obdachlose Spenden mitnehmen können. Abends wird an den Fenstern für das Krankenhauspersonal geklatscht. Nachbarn, die sonst kein überflüssiges Wort füreinander übrig haben, kaufen nun für jene ein, die zu den Risikogruppen zählen. Und das Internet bietet neben Livestreams zu klassischer Musik und Sportübungen für Kinder auch viele neue religiöse Angebote.

"Viele Menschen breiteten ihre Kleider auf der Straße aus" als Jesus vorbei kam. Sie wollten damit eine Art roten Teppich für den berühmten Mann auslegen und zeigen, wie wichtig er ihnen ist. Wenn wir zur Zeit nicht mehr zusammenkommen können, müssen wir neue Möglichkeiten finden, um einander zu zeigen, wie wichtig wir einander sind. Durch viele Hilfsangebote und Zeichen der Anteilnahme wächst eine neue Art von Gemeinschaft, die nicht von der körperlichen Nähe lebt.

Auch wenn dabei nicht immer ein Gefühl wie im Stadion oder auf den Straßen Jerusalems beim Palmsonntag aufkommt – hier zeigt sich Gemeinschaft, die keine Menschenmassen auf den Straßen braucht, sondern im Kleinen zeigt, worauf es ankommt.

Kommen Sie gut durch diese Zeit und bleiben Sie gesund! Einen schönen Palmsonntag.

Gute Gaben.
Dießen, Ammersee, 2015.

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