Mit diesen Worten werde ich am
Palmsonntag um ca. 10 vor 10 Uhr auf rbb 88,8 zu hören sein:
Massen sind in Jerusalem unterwegs. Es
ist fast kein Durchkommen mehr an den Eingangstoren zur Stadt. Denn
dieser Wunderheiler aus Nazareth soll kommen. Ein berühmter Mann,
den muss man gesehen haben.
Und da ist er endlich, auf einem Esel
reitet er ein, seine Jünger bahnen ihm einen Weg durch die Menge.
Die Leute reißen Zweige von den Bäumen. "Viele Menschen
breiteten ihre Kleider auf der Straße aus" und jubeln ihm zu.
So ähnlich beschreibt die Bibel den Einzug Jesu in Jerusalem.
Normalerweise feiern Christen auf der
ganzen Welt am heutigen Palmsonntag mit großen Gottesdiensten den
Beginn der Karwoche. Ihr Höhepunkt ist nach der Erinerung an den Tod
Jesu am Karfreitag die Feier seiner Auferstehung an Ostern.
Einsam schön. Neukölln, Berlin, 2020. |
Doch wegen der hohen Infektionsgefahr
durch das Corona-Virus werden in diesem Jahr keine öffentlichen
Gottesdienste stattfinden. Das hat es noch nie gegeben. Keine
gemeinsamen Ostergottesdienste: Nicht in Berlin, nicht in Jerusalem,
nicht einmal im Vatikan.
Wer versucht, sich den Einzug Jesu in
Jerusalem ohne die vielen Menschen vorzustellen, die ihre Kleider auf
der Straße ausbreiten und Palmzweige von den Bäumen pflücken, dem
wird rasch klar: Erst durch die Menge der versammelten Menschen
konnte die begeisterte Stimmung überhaupt entstehen. Nur weil so
viele schon da waren, wurde es für andere überhaupt interessant zu
sehen, was da vor sich geht.
Denn ebenso wie ein Fußballspiel oder
ein Konzert lebt auch der Glaube zu einem guten Teil vom Feiern in
Gemeinschaft.
Wenn es nun in diesem Jahr keine
Prozession, keinen gemeinsamen Gottesdienst, keine selbstgebastelten
Palmwedel gibt, dann stellt sich die Frage, was noch vom Palmsonntag
bleibt.
Vor diese Herausforderung sind wir in
diesen Tagen alle gestellt, ob wir nun religiös sind oder nicht:
Wenn es keine gemeinsamen Unternehmungen, keine Picknicks mit
Freunden und keine Familienfeiern gibt, was bleibt uns dann noch vom
Leben? Welchen Wert hat mein Leben ohne die konkret erfahrbare
Gemeinschaft mit anderen?
Darauf finden sich gerade in dieser
Zeit der Krise viele kreative Antworten: Menschen helfen einander in
Berlin durch Gabenzäune, von denen sich Bedürftige und Obdachlose
Spenden mitnehmen können. Abends wird an den Fenstern für das
Krankenhauspersonal geklatscht. Nachbarn, die sonst kein
überflüssiges Wort füreinander übrig haben, kaufen nun für jene
ein, die zu den Risikogruppen zählen. Und das Internet bietet neben
Livestreams zu klassischer Musik und Sportübungen für Kinder auch
viele neue religiöse Angebote.
"Viele Menschen breiteten ihre
Kleider auf der Straße aus" als Jesus vorbei kam. Sie wollten
damit eine Art roten Teppich für den berühmten Mann auslegen und
zeigen, wie wichtig er ihnen ist. Wenn wir zur Zeit nicht mehr
zusammenkommen können, müssen wir neue Möglichkeiten finden, um
einander zu zeigen, wie wichtig wir einander sind. Durch viele
Hilfsangebote und Zeichen der Anteilnahme wächst eine neue Art von
Gemeinschaft, die nicht von der körperlichen Nähe lebt.
Auch wenn dabei nicht immer ein Gefühl
wie im Stadion oder auf den Straßen Jerusalems beim Palmsonntag
aufkommt – hier zeigt sich Gemeinschaft, die keine Menschenmassen
auf den Straßen braucht, sondern im Kleinen zeigt, worauf es
ankommt.
Kommen Sie gut durch diese Zeit und
bleiben Sie gesund! Einen schönen Palmsonntag.
Gute Gaben. Dießen, Ammersee, 2015. |
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