Das ist ein Osterbuch!
Zwar enthält es sehr viele karge,
anstrengende, sich in sich selbst verwirbelnde Motive und Gedanken.
Bov Bjerg hat die "Serpentinen" des Titels in die
Handlung eingewoben.
Doch letztendlich spricht das Buch von
einem großen Aufbruch: Ein Mann versucht, aus der Suizid-Spirale
seines Vaters und seines Großvaters auszubrechen. Dazu wagt er mit
seinem Sohn ein Experiment. Sie reisen in die schon lang verlassene
Heimat und entdecken dabei nicht nur die dunkle Vergangenheit. Nein,
sie erleben einige Krisen, Gefährdungen und Neuaufbrüche.
Eine Entdeckung machen sie bei der
Lektüre der biblischen Geschichte vom verlorenen Sohn (vgl. Lk 15,11-32):
Spiegelung. Polnische Ostsee, 2019. |
"Ich las laut: 'Und er machte
sich auf und kam zu seinem Vater. Als er aber noch weit entfernt war,
sah ihn sein Vater und es jammerte ihn. Er lief und fiel ihm um den
Hals und küsste ihn.'
Der Junge hatte die Augen
geschlossen. Er rückte noch näher an mich heran.
Ich las: 'Denn dieser mein Vater war
tot und ist wieder lebendig geworden. Er war verloren und ist
gefunden worden. Und sie fingen an, fröhlich zu sein.'
Die Übersetzung störte mich.
Ich sagte: 'Das muss heißen: Und
sie feierten ein Fest. Fingen an, fröhlich zu sein? Das ist doch
blöd. Ein Fest! Sie feierten ein Fest!'
Der Junge murmelte: 'Mein Sohn.'
Ich sagte: 'Was?'
Der Junge murmelte: 'Mein Sohn war
tot und ist wieder lebendig geworden, nicht mein Vater.'
Der Junge schlief ein.
Ich wartete noch einen Moment.
Dann stand ich auf."1
Der Vater liest in der biblischen
Geschichte seine eigene.
Sogar im Halbschlaf kann der Sohn ihn
darüber aufklären, wessen Auferstehung wirklich gefeiert wird.
Am Ende des Buches jedoch werden beide
Recht behalten. Nach einigen dramatischen Wendungen gibt es eine
Auferstehung von Vater und Sohn. Und anstatt sich über einige
komische Worte aufzuregen, werden sie wirklich fröhlich sein – und
ein Fest feiern. Versehrt, aber lebendig.
Hoffentlich gelingt uns das an diesem
Osterfest auch:
Dass wir allen Widrigkeiten und allen
Einschränkungen zum Trotz Ostern als ein Fest der Auferstehung
feiern.
Dass wir uns selbst aus unserer
Verlorenheit wiederfinden – und die Personen um uns herum.
Dass wir näher aneinander rücken –
bei aller erzwungenen Distanz.
Dass wir einander helfen, die richtigen
Worte und Perspektiven zu finden.
Dass wir anfangen fröhlich zu sein,
auch wenn die Übersetzung in unsere aktuelle Lage uns nicht passt.
1 B.
Bjerg, Serpentinen. 3. Aufl. Berlin 2020, 180.
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