Sonntag, 12. April 2020

Ostersonntag – Verwechselt und trotzdem auferstanden, in "Serpentinen"

Das ist ein Osterbuch!
Zwar enthält es sehr viele karge, anstrengende, sich in sich selbst verwirbelnde Motive und Gedanken. Bov Bjerg hat die "Serpentinen" des Titels in die Handlung eingewoben.
Doch letztendlich spricht das Buch von einem großen Aufbruch: Ein Mann versucht, aus der Suizid-Spirale seines Vaters und seines Großvaters auszubrechen. Dazu wagt er mit seinem Sohn ein Experiment. Sie reisen in die schon lang verlassene Heimat und entdecken dabei nicht nur die dunkle Vergangenheit. Nein, sie erleben einige Krisen, Gefährdungen und Neuaufbrüche. 

Eine Entdeckung machen sie bei der Lektüre der biblischen Geschichte vom verlorenen Sohn (vgl. Lk 15,11-32):

Spiegelung.
Polnische Ostsee, 2019.
"Ich las laut: 'Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater. Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater und es jammerte ihn. Er lief und fiel ihm um den Hals und küsste ihn.'
Der Junge hatte die Augen geschlossen. Er rückte noch näher an mich heran.
Ich las: 'Denn dieser mein Vater war tot und ist wieder lebendig geworden. Er war verloren und ist gefunden worden. Und sie fingen an, fröhlich zu sein.'
Die Übersetzung störte mich.
Ich sagte: 'Das muss heißen: Und sie feierten ein Fest. Fingen an, fröhlich zu sein? Das ist doch blöd. Ein Fest! Sie feierten ein Fest!'
Der Junge murmelte: 'Mein Sohn.'
Ich sagte: 'Was?'
Der Junge murmelte: 'Mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden, nicht mein Vater.'
Der Junge schlief ein.
Ich wartete noch einen Moment.
Dann stand ich auf."1


Der Vater liest in der biblischen Geschichte seine eigene.
Sogar im Halbschlaf kann der Sohn ihn darüber aufklären, wessen Auferstehung wirklich gefeiert wird.
Am Ende des Buches jedoch werden beide Recht behalten. Nach einigen dramatischen Wendungen gibt es eine Auferstehung von Vater und Sohn. Und anstatt sich über einige komische Worte aufzuregen, werden sie wirklich fröhlich sein – und ein Fest feiern. Versehrt, aber lebendig.

Hoffentlich gelingt uns das an diesem Osterfest auch:
Dass wir allen Widrigkeiten und allen Einschränkungen zum Trotz Ostern als ein Fest der Auferstehung feiern.
Dass wir uns selbst aus unserer Verlorenheit wiederfinden – und die Personen um uns herum.
Dass wir näher aneinander rücken – bei aller erzwungenen Distanz.
Dass wir einander helfen, die richtigen Worte und Perspektiven zu finden.
Dass wir anfangen fröhlich zu sein, auch wenn die Übersetzung in unsere aktuelle Lage uns nicht passt.


1   B. Bjerg, Serpentinen. 3. Aufl. Berlin 2020, 180.

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