Ich selbst suche nach dem Positiven –
in meinen Begegnungen im Gefängnis, in der Heiligen Schrift, in den
Verlautbarungen meiner Kirche und auch in dem, was in den politischen
und gesellschaftlichen Realitäten der Welt sonst so geschieht. Was
meine gleichzeitige kritische Sicht auf viele Ereignisse nicht
ausschließt.
Will Gott uns in den "Zeichen
der Zeit" (GS 4) etwas sagen – und wenn, ja, in welcher
Weise?
Nun also Corona, christlicher Glaube,
Kirche im Shutdown, Ostern. Und der neue Gedichtband von Andreas
Knapp, mit dem Titel "ganz knapp", in dem sich
folgendes Ostergedicht findet.
Was wächst heutzutage schon noch? Königsheide, Berlin, 2020. |
wunder des weizenkorns1
sie hatten ihm nicht richtig
zugehört
als er vom weizenkorn sprach
sonst hätten seine gegner
ihn nicht unter die erde gebracht
wo er keimen konnte und frucht bringen
dreißigfach und sechzigfach und hundertfach
als er vom weizenkorn sprach
sonst hätten seine gegner
ihn nicht unter die erde gebracht
wo er keimen konnte und frucht bringen
dreißigfach und sechzigfach und hundertfach
Es sind die unterschiedlichen Deutungen dieser Ostertage.
Die Christen sagen: Unterirdisch
entwickelt sich neues Leben. Das ist ein wichtiger Teil des
Osterglaubens, der auf Tod und Auferstehung Jesu Christi beruht.
Während sich an der Oberfläche in Jerusalem ein Sieg "seiner
gegner" abzeichnet, wächst unter der Erde etwas Neues.
Ob das auch in der Corona-Krise
zutrifft, die die Kirche und das religiöse Leben hier in Deutschland
insgesamt umkrempelt?
Von Ostern her muss man fragen ob es
eine Auferstehung kirchlichen christlichen Lebens geben wird oder ob
das, was jetzt nicht an der Oberfläche weitergehen kann, verdorrt
und verschimmelt. Viele werden merken, dass sie ihre Sonntage auch
anders gestalten können, als in die Kirche zu gehen. Andere werden
alternative Formen finden, ihren Glauben zu leben.
In jedem Fall:
Das Leben der Kirche wird ein anderes sein. So wie der Auferstandene
ein Anderer war. So wie die Frucht eine andere ist als das, was in
die Erde gesät wird.
Das Christentum ist ein Hoffnungsglaube.
Ich hoffe, dass die durch Corona in die
Erde gesäten Samen in den Dunkelheiten unserer Zeit vielfache
"frucht bringen".
1 A.
Knapp, ganz knapp. Gedichte an der Schwelle zu Gott. Würzburg 2020,
98.
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