Donnerstag, 23. April 2020

Unterirdisch: „wunder des weizenkorns“ von Andreas Knapp

Die Corona-Krise wird von religiös denkenden Menschen sehr unterschiedlich gedeutet. Manche sehen sie als eine Chance, was auch ich zum Teil tue, Andere sagen, dass aus dieser sinnlosen Lage nicht viel Gutes wachsen kann – und beides auch quer zu sonstigen Debattenlagen. Wahrscheinlich hängt die jeweilige Einschätzung sehr vom Charakter ab.

Ich selbst suche nach dem Positiven – in meinen Begegnungen im Gefängnis, in der Heiligen Schrift, in den Verlautbarungen meiner Kirche und auch in dem, was in den politischen und gesellschaftlichen Realitäten der Welt sonst so geschieht. Was meine gleichzeitige kritische Sicht auf viele Ereignisse nicht ausschließt.
Will Gott uns in den "Zeichen der Zeit" (GS 4) etwas sagen – und wenn, ja, in welcher Weise?


Nun also Corona, christlicher Glaube, Kirche im Shutdown, Ostern. Und der neue Gedichtband von Andreas Knapp, mit dem Titel "ganz knapp", in dem sich folgendes Ostergedicht findet.


Was wächst heutzutage schon noch?
Königsheide, Berlin, 2020.
wunder des weizenkorns1

sie hatten ihm nicht richtig zugehört
als er vom weizenkorn sprach

sonst hätten seine gegner
ihn nicht unter die erde gebracht

wo er keimen konnte und frucht bringen
dreißigfach und sechzigfach und hundertfach


Es sind die unterschiedlichen Deutungen dieser Ostertage.
Die Christen sagen: Unterirdisch entwickelt sich neues Leben. Das ist ein wichtiger Teil des Osterglaubens, der auf Tod und Auferstehung Jesu Christi beruht. Während sich an der Oberfläche in Jerusalem ein Sieg "seiner gegner" abzeichnet, wächst unter der Erde etwas Neues.

Ob das auch in der Corona-Krise zutrifft, die die Kirche und das religiöse Leben hier in Deutschland insgesamt umkrempelt?
Von Ostern her muss man fragen ob es eine Auferstehung kirchlichen christlichen Lebens geben wird oder ob das, was jetzt nicht an der Oberfläche weitergehen kann, verdorrt und verschimmelt. Viele werden merken, dass sie ihre Sonntage auch anders gestalten können, als in die Kirche zu gehen. Andere werden alternative Formen finden, ihren Glauben zu leben.

In jedem Fall: Das Leben der Kirche wird ein anderes sein. So wie der Auferstandene ein Anderer war. So wie die Frucht eine andere ist als das, was in die Erde gesät wird.

Das Christentum ist ein Hoffnungsglaube.
Ich hoffe, dass die durch Corona in die Erde gesäten Samen in den Dunkelheiten unserer Zeit vielfache "frucht bringen".


1   A. Knapp, ganz knapp. Gedichte an der Schwelle zu Gott. Würzburg 2020, 98.

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