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Freitag, 10. Juni 2022

Meine, deine, unsere Sprache. Impuls beim Friedensgebet in Frankfurt (Oder)

 Man sollte meinen, eine Sprache, die beide Seiten verstehen, erleichtert die Kommunikation.

Wenn wir in die Ukraine schauen, scheint das aber nicht der Fall zu sein.

Dort wachsen die Menschen in der Regel mehrsprachig auf, das Russische und das Ukrainische werden normalerweise verstanden – je nach Region ist die aktive Nutzung der Sprache verschieden, aber verstanden wird die jeweils andere Sprache.

Karl Schlögel, ehemaliger Professor der hiesigen Europa-Universität Viadrina, schreibt in seinem Aufsatzband „Entscheidung in Kiew“ dazu:

Samstag, 21. Mai 2022

Was braucht es zum Christsein? Predigt zu Apg 15 und Joh 14

1.
Es ist dies einer der entscheidendsten Textabschnitte, den die Apostelgeschichte zu bieten hat, wenn es um die Frage geht, wie sich die ersten Gemeinden in ihrer Stellung zum Judentum entwickeln.
Denn wie man hörte (15,1-2.22-29), gab es einige, die sagten, diejenigen, die als Nichtjuden zum Glauben an Jesus als den Sohn Gottes gefunden hatten, müssten sich erst beschneiden lassen und alle Gebote der Tora befolgen, bevor sie vollgültig Mitglieder der neuen christlichen Gemeinde werden könnten.
(Man merkt auch: im Blick waren vor allem die Männer als Zielgruppe der Verkündigung – gut, dass das heute anders ist.)
Paulus und Barnabas, die beiden Missionare, widersprachen diesem Standpunkt entschieden – sie waren der Meinung, dass Beschneidung und die Gesetze der Tora für die Christgläubigen keine solch weitreichende Bedeutung haben und man darum Christ:in werden kann, ohne zuvor zum Judentum zu konvertieren.

Mittwoch, 19. Mai 2021

Geiststurm heute? Vier Strophen zu Pfingsten

1

Gern Kirchengeburtstag genannt.

Ein heftiger Sturm ... erfüllte das ganze Haus

Stürmisch kennt Kirche es ja heute auch:

Segensmacht, Missbrauch, Weihezugang, Grabenkämpfe...

Kommt der Sturm vom Geist?

Donnerstag, 13. Mai 2021

Verbunden. Himmelfahrtspredigt im Gefängnis

Einer hats schon geschafft!

Mit der Himmelfahrt Jesu Christi sind wir Menschen ganz bei Gott angekommen. Wenn Jesus – Gottes Sohn und zugleich ganzer Mensch – nun bei seinem himmlischen Vater ist, dann hält er den Himmel für uns offen. Und wir haben jetzt schon eine Verbindung in den Himmel.

Mittwoch, 11. November 2020

Vox populi 2. Wie der heilige Martin zum Bischof wurde

Dies ist das Gegenstück zum letzten Beitrag. War ich dort skeptisch, bin ich hier euphorisch, habe ich dort die kritische Zurückhaltung geprobt, erhoffe ich hier einen Fortschritt.

Denn bei Martin können wir sehen, wie Bischofsernennungen auf katholisch auch funktionieren können. Nicht von oben, aus Rom, käme dann das Machtwort, sondern von unten, aus dem Volk Gottes, würde ein Bischof legitimiert.

Martin, der Soldat, der zum Einsiedler geworden war, wurde nach dem Tod des vorherigen Bischofs von Tours vom Volk gesucht, damit er, der heilige Mann aus der klösterlichen Abgeschiedenheit, der neue Bischof werde. Die Legende erzählt, dass Martin gar nicht wollte und sich sogar im Gänsestall versteckte, bis die Gänse ihn durch ihr Geschnatter verrieten.

Freitag, 29. Mai 2020

"pfingstwunder" von Andreas Knapp

...
pfingstwunder

alle reden
wirrwarr durcheinander
wildes kauderwelsch
ein einziges gebabel
keiner hört mehr zu

gottes geist jedoch
schafft stimmige stille
und im feuer des schweigens
ein verstehen springt über
das keine worte mehr braucht1


Samstag, 23. Mai 2020

Immer und überall. Christi Himmelfahrt und die Weisen der göttlichen Präsenz

Wir feiern an Christi Himmelfahrt ein Fest der Zwischenzeit – zwischen Ostern und Pfingsten, zwischen Frühling und Sommer, in diesem Jahr außerdem zwischen Corona-Shutdown und dem noch unklaren Danach.
Für heutige Christen ist klar, dass unser ganzes religiöses Leben ebenso eine Zwischenzeit ist: Jesus können wir nicht mehr sehen, wir leben alle nach seiner Himmelfahrt. Vom Heiligen Geist spüren wir mal mehr und mal weniger. Das Weltende ist noch fern. Dieser Zustand der Zwischenzeit kennt wenig Klarheit und fördert die Unsicherheit, wo Gott denn in unserem Leben zu finden sei.

In der Bibel und der christlichen Tradition kommen verschiedene Vorstellungen zum Tragen, wo Gott zu finden ist. Hier können wir auch einiges lernen für unsere persönliche Beziehung zu Gott.

Samstag, 16. Mai 2020

Ich höre auf den, den ich liebe. Gedanke zum Evangelium am 6. Sonntag der Osterzeit

Ich fand diese Logik Jesu, die das Sonntagsevangelium einrahmt, immer ein bisschen schräg:

Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten.“ (Joh 14,15) am Anfang und "Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt" (v21) am Ende.
Oder auch ein Kapitel später:
Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage.“ (Joh 15,14)

Die Verknüpfung von Liebe und Freundschaft mit dem Einhalten von Regeln zu verbinden, ist mir auf den ersten Blick nicht wirklich sympathisch. 
Das klingt wie: Regeln einhalten ist ein Zeichen von Zuneigung. Und: Nähe gibt’s nur bei Gehorsam.

Samstag, 27. Juli 2019

Wer an Gott nur glaubt, der lügt sich in die Tasche! Von Aufdringlichkeit und Freundschaft

Die Pointe und wichtigste Botschaft des heutigen Evangeliums (Lk 11,1-13) ist die Aufforderung, zu Gott zu gehen und darauf zu vertrauen, dass er mir hilft wie ein guter Freund. Man könnte sogar zuspitzen und sagen: Wir sollen Gott gegenüber genauso aufdringlich sein wie ein störender Freund, der nachts klopft.
Dazu drei Gedanken.

1. In der Not füreinander da sein - oder?
Ich sehe es hier immer wieder, wenn ich über die Flure gehe: Männer stehen zusammen in der Küche und bereiten sich gemeinsam eine gute Mahlzeit zu. Oder sie sitzen in den Aufenthaltsräumen und essen miteinander. Man hat vielleicht einen ähnlichen Geschmack oder Essensrhythmus, man kommt ins Gespräch, man verbringt gemeinsam Zeit und, hier besonders wichtig: man vertraut einander. (Jedenfalls insoweit es um die Verteilung des Essens und die gemeinsame Einkaufsliste geht...)
Jedes Mal freue ich mich darüber, denn es ist für mich ein Zeichen, dass Inhaftierte miteinander Verantwortung übernehmen für das, was ihr Leben angeht, auch wenn es sich dabei "nur" um das Essen handelt. Zugleich ist es ein Zeichen dafür, dass Essen verbindet.

Samstag, 15. Juni 2019

Living out of the box. Predigt am Dreifaltigkeitssonntag.

Wenn wir Christen heute die Heilige Dreifaltigkeit feiern, dann frage ich mich, ob das etwas ist, was uns heute etwas Wichtiges zu sagen hat. Ich versuche es - passenderweise - in drei Schritten.

1. Vater
Ich weiß nicht, was in Ihnen für Gedanken und Gefühle entstehen, wenn ich "Vater" sage. Vielleicht denken Sie "Idiot". Oder Sie bringen "Vater" mit "Vorbild" zusammen. Vielleicht denken Sie aber auch: "Trinker".
Vielleicht entsteht Sehnsucht. Oder Wehmut. Oder aber Wut. Oder Traurigkeit.
Jeder macht andere Erfahrungen mit dem Wort Vater.

Mir fällt bei dem Wort "Vater" ein Mann ein, der vor vier Jahren mit dem großen Strom der Flüchtlinge aus Syrien nach Deutschland kam und den ich in einem Nest in Brandenburg kennengelernt habe, als ich ein paar Freizeitangebote für die Bewohner der dortigen Unterkunft machen wollte.

Samstag, 8. Juni 2019

Pfingsten: Die "stages of change" und der Geist

"Viele Beratungsaktivitäten basieren auf der Annahme, dass die Adressaten bereit sind, ihr Verhalten zu ändern ... Dies trifft aber nur für einen ganz kleinen Teil der Bevölkerung wirklich zu. Wesentlich mehr Menschen befinden sich zum Zeitpunkt der Beratung in Stadien der Absichtslosigkeit (Precontemplation) oder der Absichtsbildung (Contemplation)."1

Mit anderen Worten: Es passiert nichts, weil die Betreffenden einfach nicht motiviert sind. Veränderung ist gar nicht gewollt, es existiert kein Problembewusstsein.

Wer mit diesen Gedanken aus der Motivationspsychologie im Hinterkopf auf die Anfänge der Kirche schaut, wie sie am Pfingstfest gefeiert werden, dem kann ein Licht aufgehen.

Mittwoch, 5. Juni 2019

Komm, großer Verflüssiger

Jede Rede aber, wenn sie nur einmal geschrieben, 
treibt sich allerorts umher, 
gleicherweise bei denen, die sie verstehen, 
wie auch bei denen, für die sie nicht passt, 
und sie selber weiß nicht, zu wem sie reden soll, zu wem nicht. 
(Platon, Phaidros)

Im Lebensatem Gottes wohnt das Wort

Als Hauch verhallt auf Golgotha

Geronnen zur Schrift durchwohnt es die Zeit.

Komm, Geisthauch, großer Verflüssiger

Mach das Wort lebendig in meiner Brust

Bring es zurück ins Gespräch

Lass schmelzen die Härten, durchtöne den Sturm

Küss wach die Seiten, die Zeilen, das Wort

Entdecke es mir im Meer der Zeit

Und kräftige mich mit seiner Kraft

Durch dich lebt es neu von Mensch zu Mensch

Trauben vor der Reife.
Gau Algesheim, 2019.
Mehr Geistlyrik hier, Bilder zur Pfingstsequenz hier, über Geist und Demokratie hier, über die Geisterfahrung nach Karl Rahner hier.

Montag, 1. April 2019

Darf ein Priester am Sonntag in der Bank sitzen?

Gestern habe ich den Gemeindegottesdienst mit äußerst ambivalenten Gefühlen verlassen.
Denn der Prediger in meiner Ortsgemeinde bot zwar eine sehr schöne Auslegung des Sonntagsevangeliums, aber er fügte auch noch einige Bemerkungen an, die mich nachdenklich zurückließen.
Es ging darum, dass er als Priester, der im Pfarrhaus neben der Kirche wohnt, aber nicht für die Pfarrseelsorge eingesetzt ist, sich nicht als Notnagel der Gemeindepastoral gebrauchen lassen wolle. Konkret gedenke er, lieber auch in den (bei uns regelmäßig stattfindenden) sonntäglichen Wortgottesdiensten in der Bank zu sitzen und auf diese Weise mit zu feiern, zumal er bei seiner Ankunft einen Wortgottesdienst erlebte, der ihn positiv beeindruckt hat.

Alte Kirchenteile, neu verpackt.
Nikolaikirche, Stralsund, 2018.
Ich stelle mir schon jetzt den Aufschrei vor, der durch die hiesigen Gemeinden gehen wird, nachdem monatelang um eine Gottesdienstordnung für die kommende Großpfarrei Nordneukölln mit ihren zwei Priestern, drei Hauptkirchen und fünf Gottesdienstorten insgesamt gerungen wurden. 
Der Wunsch nach Eucharistiefeiern und die gefühlte Not, nicht genügend Priester für das bisherige Gottesdienstangebot zu haben, war in den Diskussionen deutlich spürbar. Und nun ist da ein Priester, der im Zweifelsfalle aber nicht als Zelebrant zur Verfügung steht.

Persönlich finde ich die Haltung eines Priesters, der am Sonntag lieber einen Wortgottesdienst besucht, statt selbst eine Eucharistiefeier anzubieten, mindestens merkwürdig.
Aber ich kann die dahinterstehenden (und in den Bemerkungen des Geistlichen angedeuteten) Gründe teilweise verstehen.
Denn man kann diese Haltung von den verschiedenen möglichen Effekten her und damit in mehrfacher Hinsicht ansehen.

1: Pro I
Wenn es darum geht, Laien zu selbstverantwortlichem, auch liturgisch eigenständigem, Handeln zu motivieren und sich damit einem Klerikalismus entgegenzustellen, der ja oft von auf Priester fixierten Laien ausgeht, dann halte ich es für gut, wenn sich nicht in jede mögliche Gottesdienstform ein Priester hineindrängt.
Dann halte ich es auch für akzeptabel, wenn ein Priester an einem Sonntagvormittag in einer Kirche Eucharistie mit der Gemeinde feiert und anschließend zum Gemeindekaffee bleibt, dafür in einer anderen Kirche ein Wortgottesdienst gefeiert wird (so hier vor Ort zum Teil die künftige Praxis). Meiner Meinung nach muss ein Priester nicht von Messe zu Messe hetzen, damit nur ja unter allen Umständen keine eucharistiefreie Zone am Sonntag entsteht (auch wenn ich selbst eher geneigt bin, dann lieber einen weiteren Weg für eine Sonntagseucharistie auf mich zu nehmen).
Schließlich ist ein Priester keine Sakramentenmaschine, sondern ein Mensch.

Unter der Hinsicht der Ermutigung von Laien zu selbstmächtigen Handeln im Kirchenraum kann ich also nachvollziehen, dass nicht auf Druck immer eine Eucharistie gefeiert werden muss. (Darüber hinaus kann in einer Eucharistiefeier ruhig immer mal ein qualifiziertes Glaubenszeugnis oder eine persönliche Auslegung der Lesungen statt Predigt "im Angebot" sein, denn an der fehlenden Predigtvorbereitung des Priesters soll es nun nicht scheitern.)

2: Pro II
Zugleich wird der Eigenwert von Wortgottesdiensten hervorgehoben, wenn dort das Wort Gottes in einer schönen Form gefeiert, zu Gehör gebracht und ausgelegt wird. Wider die eucharistische Monokultur!
Das wäre die Bejahung dieser Haltung unter Hinsicht der gottesdienstlichen Vielfalt.
Andersherum wird durch die Feier von Wortgottesdiensten auch der Wert der Eucharistiefeier wieder mehr betont. Denn logischerweise steigt das Rare im Wert, wird man sich dessen, was man aktuell nicht hat, stärker bewusst und schätzt es mehr.

Alles ist fast schon bereitet.
Nikolaikirche, Stralsund, 2018.
3: Contra I
Demgegenüber steht beim Priester die Weihe zum Dienst.
Nicht für die persönliche Heiligung oder zur Erbauung der Hierarchie oder für das Erbringen wissenschaftlicher Leistungen wird jemand zum Priester geweiht, sondern für den Dienst am Volk Gottes.
Das Amtspriestertum ist ein Dienstamt!

Das bedeutet (wie oben schon erwähnt) nicht, dass Priester nur für liturgische und sakramentale Belange da wären (auch wenn das im Zeitalter von Verwaltungsleitern einer Pfarrei, die nicht Priester sind, praktisch im Vordergrund steht).
Der Dienst des Priesters besteht in solchen Situationen jedoch darin, sich auch dann für liturgische Feiern zur Verfügung zu stellen, wenn er eigentlich keine Lust dazu hat oder aus oben genannten (und möglicherweise noch anderen) Gründen der Meinung ist, dass keine Eucharistiefeier angeboten werden muss.

Unter der Hinsicht der grundsätzlichen Zielstellung des Amtspriestertums in der katholischen Kirche wäre es also mehr als angemessen, für die sonntägliche Feier der Eucharistie bereit zu sein. 
(Aus privatem Erleben als Seelsorger mit Familie kann ich sagen, dass hier ein äußerst praktischer Grund für den Zölibat liegt - auch ich möchte gern mal am Sonntag frei haben und mit meinen Kindern den Gottesdienst besuchen und nicht immer selbst vorn stehen.)

4: Contra II
Noch mehr gilt dies in Hinsicht auf die Ausbildung. Die Priester nämlich wurden, im Gegensatz zu den meisten Gläubigen, genau für diese liturgischen Feiern ausgebildet.
Während viele engagierte Laien, die nicht im kirchlichen Dienst stehen, vor großen Problemen stehen, wenn sie einen Gottesdienst leiten oder einen Segen spenden oder eine Predigt halten sollen, gehört es für den Priester zum Alltag, in kompetenter Weise liturgische Präsenz zu zeigen (was, zugegeben, mal mehr und mal weniger gut gelingt...).

Nur mal zum Vergleich: Würde der Busfahrer sich lieber nach hinten in den Bus setzen und stattdessen einen Fahranfänger ans Steuer lassen, würden wir uns doch sehr wundern. Der anwesende, aber nicht aktiv werdende Arzt würde im Fall der Fälle sogar vor Gericht kommen.
Aber in der Kirche soll der Heilige Geist nun in allen gleichermaßen wehen, egal wie professionell sie der liturgischen Aufgabe gerecht werden können. Bei aller Liebe: die Ausrichtung an den verschiedenen Talenten schließt eine Förderung dieser Talente gerade mit ein.

Ich halte es deshalb unter dieser Hinsicht nötiger, nicht vorgebildete Laien mehr auszubilden und zu befähigen, als sie irgendetwas machen zu lassen. Das würde Wortgottesdienste nämlich wirklich entwerten.

5: Conclusio
Mir persönlich liegt die Betonung des Dienstcharakters der Priesterweihe (s. 3) besonders am Herzen. Wenn ein Priester demütig Gott und dem Volk Gottes dient, wird Klerikalismus (s. 1) auch kein Problem werden. Ein solcher Priester wird die nichtgeweihten Gläubigen gern ermutigen und befähigen (s. 4), im rechten Moment das ihnen Gemäße zu tun – und selbst seine eigenen Aufgaben wahrnehmen.

Damit bin ich vom konkreten Erlebnis sehr weit ins Allgemeine gerutscht – aber so ist das eben.
Ich hoffe auf gedeihliches Gemeindeleben.

Alles im Umbau.
Kulturkirche, Neuruppin, 2017.

Sonntag, 10. März 2019

Meine Versuchungen im Gottesdienst. Gedanken zum Evangelium am Ersten Fastensonntag

Wenn Jesus im Evangelium des heutigen ersten Fastensonntags auf die Probe gestellt wird, dann frage ich mich, was diese Versuchungen für mich bedeuten.

(Leider gab es traditionell keine Auslegung dieses Textes durch den Gemeindepfarrer – aber dafür den in diesem Jahr äußerst hörens- und lesenswerten Fastenhirtenbrief von Erzbischof Koch. Ich kann ihn an dieser Stelle nur empfehlen und betonen, wer ihn liest und bisweilen auch in diesen Blog hineinschaut, kann dort viele Gedanken entdecken, die hier auch auftauchen: Ambivalenzen aushalten, Vielfalt würdigen, Aufmerksam durch den Alltag gehen...)

Besonders wenn ich selbst einen Gottesdienst gestalte, gibt es eine Reihe von Versuchungen, denen ich standzuhalten habe.

"Befiehl diesem Stein, zu Brot zu werden" (Lk 4,3), beginnt der Teufel bei Jesus.
Auch meine Versuchung ist oft genug, zu glauben, dass ich durch meine eigenen Kräfte und Möglichkeiten die Gottesdienstbesucher satt machen könnte.

Samstag, 2. Februar 2019

Deine Zukunft gehört dir nicht! Visionen an Darstellung des Herrn

Das Evangelium am Fest der „Darstellung des Herrn" hat eine doppelte Botschaft:
Es sagt nämlich, dass unser Leben eigentlich Gott gehört – aber auch, dass er uns mit einer vollen Zukunft beschenken will. Gott erhebt Anspruch auf unser Leben – und zugleich gibt er uns das Versprechen, dass er eine wunderbare Vision dafür hat.

1. Erläuterung zum jüdischen Hintergrund1
Wenn die Eltern Jesu etwas mehr als einen Monat nach seiner Geburt in den Tempel kommen, um ihren Sohn vor Gott hinzubringen („darzustellen", wie es im Namen des Festes heißt), dann erfüllen sie damit zwei Gebote, die in der Torah zu finden sind.
Das ist sperrige Kost, die ich hier gern nur kurz erläutern und stehen lassen möchte:

Im Tempel.
Propsteikirche, Leipzig, 2018.
Zum einen geht das Denken jener Zeit davon aus, dass eine Frau sich nach der Geburt rituell reinigen, das heißt in einen Zustand versetzen muss, in dem sie vor Gott hintreten kann. Für diese Wiedereingliederung in das religiöse Leben bringt sie im Tempel eine Gabe dar (vgl. Lev 12,1-8).
Das zweite mit dem Besuch erfüllte Gebot besagt, dass der Erstgeborene bei Gott „ausgelöst", also sozusagen umgetauscht werden muss. Dahinter wiederum steht der Gedanke, dass jede männliche Erstgeburt Gott gehört.
Dieser Anspruch Gottes auf das erste Kind zweier Menschen geht nach der biblischen Überlieferung zurück auf die Verschonung der Erstgeborenen der Juden beim Auszug aus Ägypten (im Gegensatz zu den Erstgeborenen der Ägypter). Während die einen (die Juden) gerettet wurden, mussten die anderen (die Ägypter) sterben (Ex 13,12-15).
Diese historische Bevorzugung soll nun gewissermaßen von den einzelnen Gläubigen wieder aufgeholt werden.
Abgesehen von den Hinweisen auf die Exodus-Geschichte stecken aber auch noch grundsätzlichere Hinweise im Text:
Der Evangelist betont außerdem die Gesetzestreue der Eltern Jesu, die sich ganz in der Frömmigkeit ihrer Religion bewegen, die ja nicht die Religion der ersten Leserschaft ist. So zeigt er Kontinuität und Differenz zur Religion Israels auf.
Dazu kommt, dass im Hereinbringen des Kindes in den Tempel die Zugehörigkeit Jesu zu Gott besonders herausgestellt wird – bemerkenswert ist, dass dies eigentlich für alle gilt, der Evangelist (der den Tempel vermutlich nicht mehr gekannt hat) stellt Jesu Verbindung zu seinem im Tempel verehrten Vater jedoch noch einmal besonders heraus, wenn er betont, dass sie das Kind brachten, "um es dem Herrn zu weihen." (v22)

Ein weiteres Motiv taucht auf, nämlich dass Kinder, und zwar alle Kinder, als eine Gottesgabe angesehen werden.
Die Eltern kommen zu Gott und bitten ihn mit dem Opfer gewissermaßen noch einmal um ihr Kind, das sie doch schon haben – das zeigt, dass Kinder nicht ihren Eltern gehören. Sie sind, trotz aller Abhängigkeit von den Eltern und trotz der engen Blutsbande, freie Wesen und stehen nicht nur als Kinder von irgendwem, sondern direkt als sie selbst vor Gott.
Das betont die individuelle Freiheit jeder Person vor Gott. 

2. Die Zukunft vorhersagen
Der greise Simeon sagt Jesus etwas Großes voraus. Seit Jahren wartet er darauf, den Erlöser zu sehen und nun wird dieser Wunsch ihm erfüllt. Er sagt vom Kind, dass es das Heil und das Licht der Heiden sei, dass es Herrlichkeit für Israel bedeute (vgl. v31.32) und dass es die Verhältnisse umkehren werde: viele sollen "durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden". (v34)

Aber dieses Vorhersagen ist zutiefst zwiespältig:
Auch in der Situation der Haft gibt es immer wieder Leute, die Ihnen sagen, wo es für Sie - höchstwahrscheinlich – hingeht. Jedes Mal, wenn der Plan für den weiteren Verlauf des Vollzugs geschrieben wird, muss eine Diagnose erstellt werden. Dann entscheidet irgendwer, dass Sie jetzt bereit sind, stundenweise frei hinauszugehen – oder dass es eben noch nicht so weit ist.
Oder es geht gar darum, dass eine Verlegung in den Offenen Vollzug ansteht – auch hier muss jemand sagen: „Ja, er wird es unter den Bedingungen größerer Freiheit schaffen." Oder: „Nein, das kann er nicht."
Was die Zukunft bringt.
Werbetafeln am S-Bahnhof Sonnenallee, Berlin, 2018.
Wir alle wissen, dass Vorhersagen über das Leben eines Menschen unmöglich sind. Alle, die das trotzdem tun müssen, tun es (hoffentlich) im Wissen um ihre eigene Beschränktheit bezüglich solcher Aussagen.

Simeon scheint sich jedoch sehr sicher zu sein, ihm wird vom Evangelisten jedenfalls bescheinigt, dass der Geist ihn in den Tempel geführt habe (vgl. v27).

Als Erwachsener fragen Sie sich natürlich, ob sich das, was andere da über Sie sagen, auch mit dem deckt, was Sie selbst in sich sehen. Im positiven Fall, wenn Ihnen etwas zugetraut wird, ist das wahrscheinlich eher so. 
Man muss ja ehrlicherweise sagen: Wenige Leute möchten gern über sich hören, dass sie zu bestimmten Dingen, die sie tun sollen, nicht in der Lage sind. Mir scheint oft, dass nur selten jemand ausspricht (um im Kontext Haft zu bleiben): Ja, Sie haben recht, es stimmt, für den Offenen Vollzug bin ich doch gar nicht bereit.

Das Schöne ist nun, dass es eine Perspektive gibt, die noch unendlich viel weiter geht als die Perspektive eines Sozialarbeiters oder einer Sozialarbeiterin. Es ist die Perspektive Gottes.

Denn Gott hat Großes mit Ihnen vor! Nicht nur mit einigen Wenigen, sondern mit jedem, der hier sitzt.
Gott sieht in Ihnen etwas äußerst Wichtiges und er möchte eine Zukunft für Sie, die Sie erfüllt und zum Heil führt. Und er will Sie zum Heil machen, auch für jene, die nicht zum auserwählten Volk gehören. 
Sie können ein Licht sein! 
Sie können Herrlichkeit für einen Menschen sein! 
Sie können Menschen retten!

Und seien Sie beruhigt: Auch für Jesus war das nicht leicht. 
Gott verspricht uns kein Leben ohne Leiden, wenn er uns eine große Zukunft und eine Leben in Fülle verheißt.
Wenn jemand für seinen Glauben eintritt, Gottes Liebe zu allen verkündet und danach lebt, dann wird oft genug genau das passieren, was von Jesus gesagt wurde: "er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird." (v34)

Aber darauf muss man sich einlassen. Oder sich ehrlich entscheiden, dass das nichts ist. Sie dürfen sich aber sicher sein: Gott traut es Ihnen zu, er will Sie dabei sogar unterstützen. Allerdings macht er nichts aus Ihnen, wenn Sie nicht mitmachen. Auch Jesus hat sich auf den Weg seines göttlichen Vaters gemacht und ist nicht sein Leben lang der Zimmermann geblieben, der er hätte sein können.
Denn dieser Weg verändert eine Person. Auch dafür muss man bereit sein. Wenn Sie Ihr Leben in die Spur Gottes stellen, dann gehört Ihnen Ihre Zukunft nicht mehr.
Dann lassen Sie sich darauf ein, dass Gott Sie und die Zukunft Ihres Lebens verwandelt.

Das aber fordert Mut, Geduld und das tiefe Vertrauen darauf, dass Gottes Plan für Sie wirklich gut ist.
Wenn Sie das probieren wollen, dann ist der erste Schritt, dass Sie darauf hören, was Gott eigentlich mit Ihnen ganz konkret vorhat – mit Ihren Erfahrungen, Ihrer Lebensgeschichte, Ihren Talenten, Ihren Schwächen, Ihren Wünschen.
Fragen Sie ihn ruhig: Gott, was willst Du von mir? Welche Zukunft siehst Du für mich?
(Manchmal kann auch die Perspektive der Sozialarbeiterin bei der Beantwortung dieser Fragen helfen!)

3. Das Leiden der Eltern
Ein kurzes Wort noch zu Jesu Eltern: Von Maria wird noch gesagt, dass ihr ein Schwert durchs Herz fahren werde (vgl. v35).
Das ist ein bekanntes Thema: Besonders die Mütter haben es schwer mit ihren Kindern und sie leiden besonders daran, wenn ihre Söhne Wege gehen, die nicht mit den Erwartungen übereinstimmen…
Sicher geht oder ging es Ihren Müttern nicht viel besser als der Mutter Jesu.
Manchmal sind die Situationen dann auch schon so festgefahren, dass weitere Erklärungen oder Beteuerungen nichts bringen.
Dann – und auch sonst – ist es eine gute Möglichkeit, für die eigenen Eltern zu beten.
Mit Dank. Um Kraft und gelassene und friedvolle Gedanken, wenn es um die eigenen Kinder geht.

4. Schluss
Lassen Sie sich ein auf den Weg, den Gott mit Ihnen gehen will!
Seien Sie ein Zeichen, dem widersprochen wird – aber ein Zeichen im Geiste Gottes!
Fragen Sie Gott, was Er von Ihnen will!

Wohin soll es gehen, Gott?
Im Wald bei Grünheide, 2018.

Sonntag, 23. Dezember 2018

Ankunftszeit 23 – Fremd in "Von dieser Welt" von James Baldwin

John ist Sohn eines Predigers und als solcher mit Küsterdiensten beauftragt. Allerdings hadert er mit dem Glauben, den seine Familie ihm vorlebt und der auf intensiver Gotteserfahrung fußt. Seine Erfahrung ist eine andere, als er zur Vorbereitung des abendlichen Gottesdienstes den Kirchenraum betritt:

Montag, 17. September 2018

"Ihr Gesicht war mit Staub bestreut" Hildegard von Bingen über die Schande der Kirche.

Um 1170 schrieb die heutige Tagesheilige Hildegard von Bingen an Abt Werner von Kirchheim von einer Vision der Kirche in der Gestalt einer Frau.
Ihre Beschreibung der Kirchenverschmutzung durch ihre eigenen Amtsträger passt ganz gut zur heutigen Lage.
Hier ein Auszug:

Mittwoch, 6. Juni 2018

Jesus der Influencer!?

Was ist das Influencer-Potenzial eines Jesus von Nazareth im 21. Jahrhundert?

Diese (vielleicht etwas unerwartete) Frage stellt sich mir, wenn ich auf die Lage des Christentums in unserer Zeit, in unserem Land schaue.
Und natürlich bin ich nicht der Einzige, der dies tut. Mit anderen Formulierungen fragen sich das auch eine aktuelle Publikation wie das „Mission Manifest“ oder die Mehr-Konferenz des Gebetshauses Augsburg, es fragt sich der Papst mit seinen eingängigen Sprachbildern, es fragen diverse Theologen und geistliche Autoren wie Heiner Wilmer, Anselm Grün und Tomas Halik, etwas fokussierter auf die Institution Kirche ebenso Erik Flügge, Martin Werle und Thomas Frings.
Und natürlich finden sie alle auch ihre jeweiligen Antworten darauf.
Nur dass eben keine Antwort bisher so fruchtbar ist, dass Christsein wieder in wäre.

Mittwoch, 23. Mai 2018

Religiöse Ekstase in James Baldwins "Von dieser Welt"

"... etwas regte sich in Johns Körper, das nicht John war. Etwas war in ihn eingedrungen, hatte ihn entwürdigt und besetzt. Diese Kraft hatte John in den Kopf oder ins Herz getroffen und auf einen Streich, indem sie ihn ganz und gar mit einer Qual erfüllte, die er sich niemals hätte vorstellen können und sicher nicht aushalten und selbst jetzt noch nicht fassen konnte, geöffnet, mittendurch aufgeknackt wie Holz unter einer Axt, wie brechendes Gestein; hatte ihn auf einen Streich mitgerissen und hingestreckt, sodass John nicht die Wunder spürte, sondern nur den Schmerz, nicht den Fall, sondern nur die Furcht. Und so lag er nun da, hilflos, schreiend, am Grund der Finsternis."1

Ein Sturz in die Tiefe, Finsternis, Tränen, Schreie, endlos tiefes Wasser, Feuer und einsame Verzweiflung – der gerade vierzehn Jahre alt gewordene John hat beim abendlichen Gottesdienst eine Vision.

Samstag, 19. Mai 2018

So viele Sprachen! So viele Deutungen! Und Pfingsten heißt: Love is the way.

Auch wenn Menschen innerhalb verschlossener Räume und hinter Mauern leben, wirkt der Geist Gottes!
Das ist für mich die erste wirklich gute Botschaft der Geschichten, die eben vorgelesen wurden (vgl. Apg 2,1-11; Joh 20,19-23). 
Denn es bedeutet, dass der Heilige Geist, dessen Ausgießung wir heute feiern, Sie auch innerhalb der Gefängnismauern problemlos erreichen kann. Gott will Ihnen nahe sein im Heiligen Geist – auch in dieser Zeit der Unfreiheit!
Soweit klingt das ziemlich gut, wie ich finde. Aber was bedeutet es konkret für unser Leben?