Dazu drei Gedanken.
Ich sehe es hier immer
wieder, wenn ich über die Flure gehe: Männer stehen zusammen in der
Küche und bereiten sich gemeinsam eine gute Mahlzeit zu. Oder sie
sitzen in den Aufenthaltsräumen und essen miteinander. Man hat
vielleicht einen ähnlichen Geschmack oder Essensrhythmus, man kommt
ins Gespräch, man verbringt gemeinsam Zeit und, hier besonders
wichtig: man vertraut einander. (Jedenfalls insoweit es um die
Verteilung des Essens und die gemeinsame Einkaufsliste geht...)
Jedes Mal freue ich mich
darüber, denn es ist für mich ein Zeichen, dass Inhaftierte
miteinander Verantwortung übernehmen für das, was ihr Leben angeht,
auch wenn es sich dabei "nur" um das Essen handelt.
Zugleich ist es ein Zeichen dafür, dass Essen verbindet.
Brückenkonstruktion. Darlowo, Pommern, 2019. |
Persönlich halte ich
Essen für eine immens religiöse Angelegenheit, denn im besten Fall
ist es eine Unterbrechung des Alltagsrhythmus von Arbeit und Stress,
und wenn es gut geht, werde ich dabei ruhiger und schöpfe außerdem
neue Kraft, die von außen kommt. Und, wenn das Essen gemeinsam
geschieht, verbindet es die Anwesenden miteinander. Damit teilt das
Essen ein paar wichtige Merkmale mit der Ausübung von Religion. Und
nicht umsonst wird von Jesus immer wieder berichtet, dass er mit
seinen Jüngern und Anderen gegessen hat. Aber das nur nebenbei.
Ich weiß nicht, wie viele
Inhaftierte die Mitglieder ihrer Kochgruppe als Freunde bezeichnen
würden. Aber ich weiß, woran es sich erkennen ließe.
Freundschaft bedeutet nämlich: in der Zeit der Not füreinander da zu sein.
Freundschaft bedeutet nämlich: in der Zeit der Not füreinander da zu sein.
Also dann, wenn
beispielsweise einer aus der Kochgruppe seine Arbeit verliert (aus
welchen Gründen auch immer) und deshalb eine Zeitlang weniger oder
nichts beisteuern kann zu dem, was die Gruppe einkauft und kocht.
Fliegt er dann raus? Löst sich die Gruppe auf? Oder tragen die
Anderen seinen Teil mit?
Für die Vorbereitung der
Predigt habe ich ein paar Leute hier in der JVA gefragt, wie es für
sie mit Freundschaft aussieht und mehrere Male die Antwort bekommen,
dass die Freundschaft dort aufhört, wo jemand sich ausgenutzt fühlt.
Aber gleichzeitig geht es
bei der Freundschaft gerade darum, einander zu helfen, wenn es nötig
ist.
Das ist ein schmaler Grat!
Das ist ein schmaler Grat!
Angewendet auf das
Beispiel: Wie ist es nun mit dem Freund, der da mitten in der Nacht
noch kommt und für einen anderen Freund um etwas Brot bittet? Nutzt
er den Schlafenden aus?
Am Ende muss jeder für
sich selbst entscheiden, wann er sich ausgenutzt fühlt. Vor allem in
Situationen, in denen jemand selbst schon an der Grenze ist
Für Jesus jedenfalls
scheinen die Worte "penetrant" und "aufdringlich"
keine ausschließlich negative Bedeutung zu haben. Und sie passen für
ihn auch noch zur Freundschaft.
2. Freundschaft mit Gott pflegen
Denn er erzählt sein
Beispiel vom klopfenden Freund ja vor allem deshalb, weil er uns
empfiehlt, es genauso zu machen. Wir sollen Gott bedrängen: "Bittet
und es wird euch gegeben; sucht und ihr werdet finden; klopft an und
es wird euch geöffnet." (v9)
Genauer gesagt meint er
damit: Ihr seid eingeladen, die Freundschaft mit Gott zu pflegen!
Zu einem Freund geht man
eben nicht nur dann, wenn nichts mehr im Kühlschrank ist. Das hieße
dann nämlich wirklich den Anderen auszunutzen.
Sondern einen Freund
trifft man gern. Manchmal zwischendurch einfach so, manchmal geplant,
um etwas zu unternehmen. Um zu plaudern, sich auszutauschen, Zeit
miteinander zu verbringen, etwas zu essen, sich gegenseitig zu
bestärken, Rat zu holen, aufzutanken.
Genau darum geht es Jesus,
wenn er unsere Beziehung zu Gott mit der Beziehung von Freunden
zueinander vergleicht. Es geht nämlich nicht so sehr darum, dass ich
an Gott "glaube". Wenn ich in manchen Gesprächen höre,
dass mir jemand sagt, er glaube ja an Gott, nur praktiziere er den
Glauben nicht so, dann weiß ich, dass das eine hohle Formel ist, mit
der er sich selbst beschwichtigt. Wer nur an Gott glaubt, der lügt
sich in die Tasche!
Und wer Gott nur dann braucht, wenn es enge wird, der pflegt keine Freundschaft, sondern möchte einen Automaten zur Wunscherfüllung!
Und wer Gott nur dann braucht, wenn es enge wird, der pflegt keine Freundschaft, sondern möchte einen Automaten zur Wunscherfüllung!
Aber das ist nicht
Christsein!
Freundschaft: In zwei Richtungen schauen. Vitte, Hiddensee, 2018. |
Wer Christ sein will,
verbringt Zeit mit Gott, erinnert sich an seine Gegenwart mitten im
Alltag, beim Putzen, beim Gehen, beim Warten.
Wer Christ sein will,
erinnert sich beim Essen, wie viele Menschen dafür gearbeitet haben,
dass jetzt etwas auf dem Teller ist, erinnert sich, wie Gott Früchte
und Tiere wachsen ließ.
Wer Christ sein will,
sieht im Anderen einen Bruder oder eine Schwester, die von Gott
genauso geliebt ist und an dem oder der Gott genauso viel liegt wie
an mir.
Wer Christ sein will,
tauscht sich mit Gott aus über das, was so los ist, über das Gute
ebenso wie über das Schlechte.
Wer Christ sein will,
lässt sich von seinem Freund Gott auch in Frage stellen bei der
eigenen Lebensführung, lässt sich in die Karten schauen, lässt
sich reinreden, wenn etwas schief läuft.
Und Gott steht ebenso zu
dieser Freundschaft.
Während in manchen anderen Religionen (und bisweilen auch in Ausprägungen des Christentums) das Verhältnis zwischen Gott und seinen Anhängern wie das von Herr und Sklave beschrieben wird, sagt Jesus zu den Seinen, dass er sie Freunde nennt (Joh 15,15).
Während in manchen anderen Religionen (und bisweilen auch in Ausprägungen des Christentums) das Verhältnis zwischen Gott und seinen Anhängern wie das von Herr und Sklave beschrieben wird, sagt Jesus zu den Seinen, dass er sie Freunde nennt (Joh 15,15).
Und Jesus selbst beweist seine Freundschaft sogar dadurch, dass er sein eigenes Leben nicht schont: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.“ (Joh 15,13)
Vielleicht ist dieser höchste Ausdruck nicht immer dran.
Umso mehr sollte ich,
wenn ich mit Gott in Kontakt treten will, wenigstens die Basics
beibehalten: Mich immer wieder mal melden, ein bisschen erzählen,
wie es mir geht, mich erinnern, dass er da ist, mir nicht in die
Tasche lügen, weil ich ja an ihn glaube...
3. Ihr, die ihr böse seid, tut doch schon Gutes
Ein Wort noch zu dem
letzten Satz der Lesung, der ja ziemlich übel klingt.
(A) Er beginnt: „Ihr,
die ihr böse seid...“ (v13).
Nach all dem zuvor
Gesagten kann man nun meinen: Das ist ja ein toller Freund. Lädt uns
ein, zu Gott zu gehen und ihn zu bitten und sagt uns zugleich, dass
wir böse sind.
Aber es ist ja gerade eine
total realistische Botschaft: Wir sind keine Heiligen. Hier im Knast
ist das sowieso bekannt – und mancher bekommt es hier auch deutlich
mehr zu spüren als in der Freiheit, dass er angeblich ein Bösewicht
und deshalb angeblich nicht so viel wert sei.
Gott ist kein Freund, der
uns ins Gesicht lügt und sagt, es ist alles nicht so schlimm, mach
nur weiter so und setz dein Leben in den Sand. Nein, er erinnert uns
daran, dass wir manchmal ziemliche Arschlöcher sein können.
(B) Und er sagt im
gleichen Atemzug: Auch ihr seid fähig, Gutes zu tun. Bei all dem,
was in meinem Leben schief gelaufen ist und bei all dem, was ich
verbockt habe, gibt es doch auch gute Seiten in mir. Ihr wisst "euren
Kindern gute Gaben zu geben".
Ergo: Nicht nur schwarz
oder weiß, wie der Anfang des Satzes vermuten lässt. Sondern genau
das Gegenteil: Es gibt beides in uns, Gutes und Böses.
(C) Und für uns
schwarz-weiß-gut-und-böse-Gestreifte hält der Satz eine gute
Botschaft bereit: Ihr erhaltet Gottes Geist, wenn ihr ihn bittet.
Ihr kriegt von eurem
Freund Gott vielleicht nicht immer das, was ihr euch wünscht –
aber wenn ihr seine Freunde bleibt und immer wieder zu ihm geht, böse
und gut zugleich, so wie ihr eben seid, dann werdet ihr euch
verändern.
Nichts anderes bedeutet
nämlich: Ihr erhaltet den Heiligen Geist. Der Geist Gottes verändert
uns, mehr und mehr, weiter und weiter.
Bis wir bereit sind,
loszulassen und unserem Freund Gott unser Leben anzuvertrauen.
Zum Schluss die Predigt in
drei Sätzen:
Wenn du nur an Gott
glaubst, vergiss es!
Sei ein penetranter Freund
Gottes!
Du bist schwarz-weiß
gestreift und kannst dich verändern!
Weiß gepunktet. Lampen im Lafayette, Berlin-Mitte, 2017. |