Dienstag, 23. Juli 2019

Ein Sämann ging aufs Feld... Predigt über Vögel, Wurzeln, Dornen

Jesus beschreibt das Handeln und die Herrschaft Gottes oft in Bildern. Viele dieser Bilder kommen aus der Landwirtschaft und aus dem Alltag der einfachen Leute in Israel. Mit seinen Vergleichen will Jesus deutlicher machen, worum es ihm geht.
Im Gleichnis vom Sämann (Mt 13,1-9) geht es ihm um die Frage, ob die Frohe Botschaft bei mir und dir ankommt.

Allerdings ist das Gleichnis mit Vorsicht zu genießen, denn es geht Jesus nicht um eine Darstellung der damaligen Lebenswirklichkeit! Es ist eben „nur" ein Bild.

Der Karmelitenpater Reinhard Körner meint darum, dass die Kleinbauern um den See Genezareth erst einmal gelacht haben werden, als sie hörten, wie der Bauer in Jesu Rede vorgeht. Er stellt sich vor, wie er zwischen ihnen steht und ihre Reaktionen mitbekommt:

Gut verwurzelt?!
Wildwuchs auf Birke, Rusinowo, 2019.
"'Na, was ist denn das für ein Bauer!', tuscheln sich zwei Bauern neben mir zu. 'Der hat das wohl noch nicht oft gemacht!' Sogar ich ... weiß, dass der Ackerstreifen an einem Wegrand gesondert eingesät wird, vorsichtig, damit ja nichts vom kostbaren Saatgut auf den Weg fällt. Erst danach, mit dem nun möglichen Abstand vom Weltrand wird im Weitwurf gesät ... Hat dieser Bauer das denn nicht gewusst? Und gleich nach dem Säen wird die Saat unter die Erde gebracht, unbedingt! Damals mit einem Holzpflug, den bei Großbauern die Knechte oder ein Rindergespann zogen und bei Kleinbauern der Kleinbauer selbst oder seine Kleinbauernsöhne. Denn was beim Säen auf den Weg gefallen ist, und alles, was nicht sofort untergepflügt wird, das ist für den Bauern verloren. Das weiß doch jeder! Und dieser Bauer weiß es nicht?" Als Jesus die Vögel erwähnt wird es lauter: "'Das schadet ihm gar nichts!',höre ich um mich herum die Leute sagen. Und die Kinder machen, schon belustigt, die emsig pickenden Vögel nach."1

Und so geht es weiter.
Körner beschreibt, wie die Bauern Jesus sicher ausgelacht haben – und dann irgendwann stutzig wurden, als er behauptet, dass aus einem Korn bis zu hundertfache Frucht herauskommen soll. Das bisschen, das am Ende überhaupt wächst, soll am Ende so viel abwerfen? Realistisch sind vielleicht 35-40 Körner auf einer Ähre, wenn es hoch kommt auch mal 50 – aber 100, das ist so dermaßen übertrieben, dass es schon wieder überhaupt nicht ernst gemeint sein kann.2

Oder Jesus meint eben etwas völlig anderes! Dann geht es nicht um Wortwörtlichkeit, wie sie ja bei manchen christlichen Fundamentalisten gepflegt wird, sondern um völlig andere Dinge. 

Gott wird hier nicht dargestellt wie ein kleinlicher Bauer, der an sein wertvolles Saatgut denkt. Jesus sagt damit vielmehr: Für euch mag es völlig verrückt klingen. "Aber was ich zu sagen habe, das säe ich aus, sei's gelegen oder ungelegen! So schwungvoll, wie ich nur kann, und ich kümmere mich nicht ängstlich darum, ob und wo die Saat aufgeht oder nicht! Ich pflüge nicht erst eure Herzen und steche nicht erst die Disteln aus euren Köpfen, ich stecke nicht erst sorgsam die Grenzen ab zu euren festgetretenen Trampelpfaden und prüfe nicht erst, ob ihr auch genug Tiefe habt. Die Zeit ist da, zu sagen, was ich zu sagen habe!"3

Gott denkt nicht in wirtschaftlichen Dimensionen, er spricht nicht nur zur Crème de la crème und er wendet sich nicht nur an die Tüchtigen, Schuldlosen, Schönen und Prächtigen. Sondern es geht ihm um alle, um dich und mich. Allen will er seine frohe Botschaft sagen.

Nicht gut genug gewachsen?!
Im Walde von Grünheide, 2018.
Und er lädt uns ein, diese Botschaft in unser Herz zu pflügen.
Was heißt das aber konkret?

"Als er säte, fiel ein Teil der Körner auf den Weg, und die Vögel kamen und fraßen sie." (v4)
Eine Botschaft des von Jesus verkündeten Evangeliums ist, dass du bei Gott immer noch einmal neu anfangen kannst. Was bedeutet es also, wenn es hier heißt, dass diese Botschaft von den Vögeln weggepickt wird?
Es bedeutet, dass es da beispielsweise Leute gibt, die behaupten, dass irgendwann doch mal genug sein muss. Die sagen, dass du dein Limit erreicht hast und nun keine Chance mehr bekommst. Die dir einreden wollen, dass du es nicht wert bist, dass man sich noch einmal mit dir abgibt.
Die dich hier im Gefängnis vielleicht spüren lassen, dass du dein Leben versaut hast und sie sich deswegen viel besser fühlen dürfen als du.
Aber Gott ist nicht so!
Deshalb: Pflüge diese Botschaft in dein Herz und vertrau darauf, dass Gott dir immer noch eine Chance gibt, wenn du zu ihm kommst. Denn du bist es wert.

"Ein anderer Teil fiel auf felsigen Boden, wo es nur wenig Erde gab, und ging sofort auf, weil das Erdreich nicht tief war; als aber die Sonne hochstieg, wurde die Saat versengt und verdorrte, weil sie keine Wurzeln hatte." (v5f)

Eine etwas beunruhigendere Botschaft, die Jesus seinen Nachfolgern immer wieder sagt, ist: Es wird nicht leicht. Wenn du vergibst, wird man es nicht verstehen. Wenn du nachgibst, wird man dich ausnutzen. Wenn schenkst, wird man dich für verrückt halten. Wenn du zu denen gehst, die niemand mag, wird man dich auslachen. Wenn du nicht nur an dich denkst, wird man dich nicht ernst nehmen und Gutmensch nennen.
Der Großteil der Menschen, auch in unserem Land, hat keine Ahnung, was es wirklich heißt, wie ein Christ zu handeln. Alle reden von Respekt und Nächstenliebe und so fort, aber wer Jesus genau zuhört, wird merken, wie realistisch er ist. Er weiß, dass Menschen auch darunter leiden werden, wenn sie sich an ihm orientieren. Jesus spricht immer wieder davon (vgl. Mt 8,19ff; Mk 3,21; Mt 5,11f u.ö.).
Wer also glaubt, Christsein schaffe man auf einer Pobacke, der täuscht sich. So einfach ist es nicht, und deshalb empfiehlt Jesus denen, die es mit ihm halten, sich gut einzuwurzeln und sich Kraft aus der Tiefe zu holen.
Deshalb: Pflüge auch diese Botschaft in dein Herz und halte dich in deiner tiefstenTiefe an Gott fest. Er ist dein Halt, auch wenn es hart wird.

"Wieder ein anderer Teil fiel in die Dornen, und die Dornen wuchsen und erstickten die Saat." (v7)

Eine weitere Botschaft des Evangeliums ist schließlich, dass du dir Gottes Liebe nicht erarbeiten musst, sondern dass Gott sie dir immer schenkt. Gott will dich lieben. Du musst dich nur an ihn wenden und kannst es spüren.
Aber tief in unserem Innern glauben wir manchmal, wir müssten doch lieber etwas dafür tun – wir wollen Gott kaufen, anstatt uns beschenken zu lassen. Glauben, wir bräuchten das nicht oder haben Angst, dafür in seiner Schuld zu stehen.
Doch Gott will dir seine Liebe schenken.
Deshalb: Pflüge auch diese Botschaft tief in dein Herz und lass die Dornen deines Zweifels nicht darüber wachsen. Gott liebt dich kostenlos als sein Kind, auch wenn es dir schwer fällt, das anzunehmen und du lieber dafür bezahlen würdest.

Wenn du dich daran orientierst,
wenn du Gott vertraust, dass er dir noch eine Chance geben will,
wenn du dich tief in ihm verwurzelst und er selber dein Halt wird,
wenn du dich gratis von ihm lieben lässt,
dann wirst du Frucht bringen und das heißt, du wirst auch anderen noch eine Chance geben, du wirst selbst ein Halt für andere sein können und auch du wirst von Herzen lieben ohne eine Gegenleistung dafür zu erwarten.

Keine Gegenleistung für Schönheit!?
Lichterfelde, Berlin, 2019.


1   R. Körner, Jesus für Kleinbauern und solche, die es werden wollen. 3. Aufl Münsterschwarzach 2009, 22f.
2
   Vgl. ebd., 26f.
3
   Ebd., 30.