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Dienstag, 4. Juli 2023

SORRY in Frankfurt (Oder) - Über innere Widersprüche und die Kirche in der Welt

 (Dieser Text erschien zuerst auf www.feinschwarz.net)


Am Ufer der Oder, direkt neben der Brücke, die Polen mit Deutschland verbindet, steht in diesem Sommer eine massive Mauer, verschlungen und labyrinthisch anmutend. Drei Meter hoch und oben mit Glas bestückt, wirkt sie wie eine Erinnerung an die Zeiten, als sich durch Europa und durch Deutschland noch sichtbare Grenzen zogen.

Ihre eigentliche Wirkung entfaltet die Mauer jedoch, wenn man sie von oben betrachtet, denn dann zeigt sich, dass die Mauern das Wort „SORRY“ formen.

Freitag, 10. Juni 2022

Meine, deine, unsere Sprache. Impuls beim Friedensgebet in Frankfurt (Oder)

 Man sollte meinen, eine Sprache, die beide Seiten verstehen, erleichtert die Kommunikation.

Wenn wir in die Ukraine schauen, scheint das aber nicht der Fall zu sein.

Dort wachsen die Menschen in der Regel mehrsprachig auf, das Russische und das Ukrainische werden normalerweise verstanden – je nach Region ist die aktive Nutzung der Sprache verschieden, aber verstanden wird die jeweils andere Sprache.

Karl Schlögel, ehemaliger Professor der hiesigen Europa-Universität Viadrina, schreibt in seinem Aufsatzband „Entscheidung in Kiew“ dazu:

Donnerstag, 21. April 2022

Achtsam für Wunden, nicht in sie verbohrt! Predigt zum Semesterstart

 Als ich vor ziemlich genau 20 Jahren in Lwiw in der Ukraine einen Freiwilligendienst gemacht habe, bekam ich eine Menge Wunden zu sehen. Denn meine Aufgabe war damals, ehemalige Häftlinge der deutschen Konzentrationslager zu besuchen.
Manchmal waren die Begegnungen eher belanglos, manchmal schwierig (vor allem wegen meiner anfangs sehr geringen Sprachkenntnisse), manchmal auch erfrischend. Aber an irgendeinem Punkt kam die Rede fast immer auf die Verwundungen in ihren Leben.
Nicht immer, das muss ich betonen, waren es die Erfahrungen aus den Konzentrationslagern, die am meisten obenauf lagen und als am schlimmsten erinnert wurden. Manchmal waren es Erfahrungen mit Schikanen in der Sowjetunion, manchmal der Verlust eines Familienmitglieds in der jüngsten Zeit, manchmal die Einsamkeit, die aus der Tatsache folgte, dass der Sohn oder die Tochter zum Arbeiten nach Westeuropa gegangen waren.

Dienstag, 1. März 2022

Aschermittwoch. Ohnmacht und Kraft angesichts des Krieges

Ich komme in diesen Tagen schwer zur Ruhe.
Das Leiden der Ukraine ist mir so nah, die Menschen tun mir so leid.
In den Nachrichten und auf Social Media höre und sehe ich sie in ihrer Verzweiflung, in ihrem Kampfgeist, in ihrer Angst, in ihrer Standhaftigkeit.
Fühle mich ihnen nah und fern zugleich.

Ich will die Dinge ändern und kann es nicht.
Ich will helfen und bin hilflos.
Ich will weinen und schreien vor Hilflosigkeit.

Donnerstag, 27. Januar 2022

„Ohne Verbitterung, ohne Haß“ Etty Hillesum am Gedenktag der Opfer des NS

Die Verbrechen der Shoah und die enthemmten Grausamkeiten der Nationalsozialisten schreien zum Himmel. Und obwohl der heutige Tag lange schon als Gedenktag begangen wird, obwohl der Kampf gegen Antisemitismus und Menschenverachtung in Deutschland einen hohen Stellenwert haben, greifen doch Hass und Menschenfeindlichkeit immer neu um sich.

Wenn wir aber den Opfern der nationalsozialistischen Schrecken gerecht werden wollen, reicht es eben nicht aus, sich zu erinnern. Der Einsatz für Menschlichkeit und Toleranz ist Teil des Gedenkens.
Daran gemahnt auch ein Brief von Etty Hillesum aus dem Lager Westerbork bei Amsterdam vom 03.07.1943:

Samstag, 22. Januar 2022

„… keine Kenntnis ...“ Viele Worte, trauriger Ertrag. Zum Münchener Gutachten vom 20.01.2022.

Ich hätte es gern anders gemacht und wollte zunächst mit einigen Worten von Betroffenen sexueller Übergriffe in der Kirche beginnen, ihrer Meinung exemplarisch Raum geben.
Aber ich habe gemerkt, dass ich mir nur ein Placebo gewünscht hätte, um mich besser zu fühlen, da ich mich im Folgenden doch auf die Täter fokussiere.
Das ist traurig, aber da ich keinen anderen Rat weiß, möchte ich es immerhin erwähnen.

Das Entsetzen und Erschrecken und der Zorn und Ärger über die Taten von Kirchenmännern sind – auch von Kirchenmännern – so oft geäußert, dass es schon kaum mehr zum Aushalten ist. Und viele haben das alles schon längst nicht mehr ausgehalten und sind gegangen.

Nun kommt die nächste Welle des Schreckens, dieses Mal aus München.

Sonntag, 9. Januar 2022

„...während er betete, öffnete sich der Himmel…“ Taufe des Herrn als Hoffnungsbild

Jesus lässt sich taufen und wird von oben bestätigt. Als er betet, tut der Himmel sich auf, der Geist kommt herab, eine Stimme ertönt (Lk 3,15-16.21-22).

Wie oft wünschte ich mir eine solche Vergewisserung, während ich bete! Eine Stärkung im Glauben. Einen Kraftakt Gottes, der mir zeigt, wie es um mich steht, was er wirklich will und dass er an meiner Seite ist.
Aber so etwas gibt es selten oder gar nicht.
Wir normalen Christ*innen sind zwar auch getauft, aber die Bestätigung bleibt oftmals aus. Wenn wir beten, fühlt es sich oft an, als würden wir ins Leere sprechen. Was unser Gebet wirklich bringt – und ob es etwas bringt, bleibt unklar. Ich selbst fühle mich unwohl mit manchen vorgeprägten Formulierungen. Wenn ich selbst formuliere, bleibe ich hinter meinen Erwartungen zurück oder fühle gar nicht, was ich eigentlich meinte.

Mittwoch, 5. Januar 2022

Sie brauchen einander! Provokation der Drei Könige

So unglaublich es klingt: Der böse König Herodes und die Weisen aus dem Morgenland brauchen einander.

Als die Besucher aus dem Osten in Jerusalem auftauchen, fragen sie: „Wo ist der neugeborene König der Juden?“ (Mt 2,2)
Nachdem Israels Schriftgelehrte auf Geheiß des entsetzten Königs Herodes in der Bibel recherchiert und Betlehem als Ort der Geburt des Gegen-Königs identifiziert hatten, ließ sich Herodes von den Weisen heimlich „sagen, wann der Stern erschienen war“ (v7).

Donnerstag, 9. Dezember 2021

Alle sind schuldig?! Erfahrungen aus der Gefängnisseelsorge. Eine Ansprache

Der folgende Text bildet die Grundlage einer Ansprache beim Potsdamer Hochschulgottesdienst zm Thema "Gefangene besuchen" als Werk der Barmherzigkeit am 05.12.2021. Dafür nehme ich einige Gedanken und Textpassagen aus früheren Beiträgen (z.B. von hier und hier und hier und hier und hier) noch einmal auf und stelle sie in einen größeren Kontext.

 

Die ersten Menschen mit Hafterfahrungen, denen ich begegnet bin, waren ehemalige KZ- und Gulag-Häftlinge in der Westukraine. Vor zwanzig Jahren machte ich dort einen Freiwilligendienst und besuchte Alte, die ihre Hafterfahrungen niemals thematisierten und andere Alte, die über nichts anderes sprachen.
Die Gründe für ihre Inhaftierung waren ganz einfach ihr Patriotismus, ihr Jüdischsein, ihre politische Meinung oder die Tatsache, dass sie Teil der Roten Armee waren. Jedenfalls waren die Gründe für ihre Haft keine Gründe, die es rechtfertigen würden, Menschen zu inhaftieren oder gar in ein Todeslager zu stecken.
Die ersten Menschen mit Hafterfahrungen, die ich kennenlernte, waren also unschuldig.

Montag, 1. November 2021

Alle gehören dazu! Anstoß an Allerheiligen

Wenn an den Tagen rund um den 1. November Kerzen auf viele Gräber gestellt werden, dann denken wir an unsere verstorbenen Angehörigen und Freunde. Denn es ist Allerheiligen und Allerseelen. „Du bist nicht vergessen!“ wollen diese Kerzen sagen, „Wir halten dich in unseren Herzen!“ Wir als Christ:innen drücken damit zugleich unser Vertrauen aus, dass Gott unsere Lieben (und später auch uns selbst) im Tod nicht verlässt.

Freitag, 29. Oktober 2021

Ich will meiner Sehnsucht folgen. Predigt am Anfang

„Ich will meiner Sehnsucht folgen“ – so haben wir diesen Gottesdienst überschrieben.

Doch wem oder was folge ich eigentlich, wenn ich meiner Sehnsucht folge? Ist das Thema nicht viel zu wenig religiös und dafür sehr selbstbezogen und egoistisch? Und überhaupt – machen das nicht sowieso alle, ihrer Sehnsucht folgen?

Die einen sagen: Wer seiner Sehnsucht nachgeht, macht einfach das, was ihm am Herzen liegt und wonach ihm ist. Jeder und jede weiß schon was gut für ihn und sie ist. Wer das nicht tut, weil er oder sie lieber Karriereerwägungen folgt oder äußerem Druck (zum Beispiel aus der Familie) nachgibt oder wer sich an Social-Media-Vorbildern orientiert, die ihm nicht entsprechen, der ist dann eben selbst schuld. Und findet sich letztlich nicht mehr im eigenen Leben wieder, sondern lebt die Vorstellungen anderer. Fremdbestimmt, nicht selbst entschieden.

Andere meinen: Es ist dir doch gesagt, was du zu tun, zu denken und zu glauben hast! Die Bibel, die Kirche, die Tradition der spirituellen Meister nehmen dich an die Hand. Deine Sehnsucht kannst du stecken lassen, denn der Weg ist bereits gebahnt! Geh ihn und alles wird gut.

Sonntag, 3. Oktober 2021

Ein Leib sein. Über Ehe und Christsein

Aus zwei mach eins!

Was auch gut für eine Rede zum Tag der deutschen Einheit taugen würde (Einen schönen Festtag auf diesem Wege!), ist im Evangelium des Sonntags (Mk 10,2-10) auf die Ehe gemünzt.

Also: Was für eine Herausforderung!

Jesus macht aus der Ehe eine echte menschliche Verwandlung. Denn aus den beiden Liebenden, die jeweils in sich "ein Fleisch" sind, wird nun zusammen "ein Fleisch" (v8). Und dies sagt er in einem Kontext, in dem es um die Ehescheidung geht – als Anfrage der Pharisäer, die von Jesus eine Aussage dazu haben wollen.

Sonntag, 22. August 2021

Harte Worte und Worte zum Leben. Predigt zum Abschied aus der JVA

Wie es der Zufall will, ist es eine Abschiedsrede, die wir da im heutigen Evangelium (Joh 6,60-69) hören. Nach einer anstrengenden und langen Rede haben einige von denen, die Jesus nachgegangen sind, keine Lust mehr, bei ihm zu sein, denn es war ihnen einfach zu viel, was er da von sich sagte. Jesus seinerseits gibt ihnen noch einige grundsätzliche Dinge mit auf den Weg.

Meine heutige Situation hier vor Ihnen ist ganz verschieden von dieser Situation der Jünger – ich gehe nicht, weil mir das alles zu viel ist und ich will auch nicht noch ein Bekenntnis aus ihnen herauskitzeln, wie Petrus es dann abliefert. Aber auch ich möchte noch ein paar Dinge sagen, die mir wichtig sind. Dabei lasse ich mich anstiften von dem, was wir gerade gehört haben.

Diese Rede ist hart. Wer kann sie hören?“ (v60)

Im Gefängnis ist vieles nur schwer zu ertragen – manche Mitgefangenen, manche SozialarbeiterInnen, manche Bedienstete, manche Angehörige – aber allzu oft auch das ganze System Knast. Vorzeitiger Einschluss, nicht besetzte Zahlstelle, kein Besuch, schon wieder warten usw. Wer kann das ertragen?

Und dann auch noch die Seelsorger. Sprechen von Gott, wo doch so viele andere wichtigere Sachen anstehen – eine Überweisung, ein Telefonat, ein Päckchen Tabak oder eine VPK.

Samstag, 12. Juni 2021

Gottes Same in uns. Eine Auslegung zu den Gleichnissen von der selbstwachsenden Saat und vom Senfkorn (Mk 4,26-34)

Rätselfrage: Was beginnt so winzig klein, dass man es beinahe übersehen kann – aber hat doch eine so unglaubliche Kraft in sich, dass es die Welt aus den Angeln hebt?


Wenn Sie jetzt an Corona denken, liegen Sie nicht falsch. Aber im Evangelium des heutigen Sonntags (Mk 4,26-34) vergleicht Jesus das Wachsen der Herrschaft (oder des Reiches) Gottes mit einem Senfkorn und seinem Wachsen zu einem großen Baum – erst winzig und dann riesig.

So wie Corona viel Angst und Sorge, Not und Unglück über die Welt gebracht hat – so will Gott mit seiner Herrschaft eine Welt des Friedens zu uns bringen.


***

Donnerstag, 27. Mai 2021

Halte mich! Von meinem Stoßgebet.

Eines meiner meistgebeteten Stoßgebete lautet:


Gott, halte mich!


Ich bete es immer, wenn mein Kopf zu voll ist, um mehr Worte zu suchen und anderes zu beten.

Sonntag, 9. Mai 2021

Demut, Geborgenheit, Entgrenzung – Eine Predigt über drei Dimensionen der Liebe.

Das große Thema der heutigen Lesungen (Apg 10, 25–26.34–35.44–48; 1 Joh 4, 7–10; Joh 15, 9–17) lautet – Sie werden es erraten haben – Liebe.

Nicht nur, dass Jesus im Evangelium von seiner Liebe zu seinen Jüngern spricht und sie auffordert, einander nach seinem eigenen Beispiel zu lieben. Sogar von Gott selbst wird der biblische Spitzensatz ausgesagt, dass er selbst Liebe sei (1Joh 4,8).

Während die beiden Johannestexte sehr auf Gott und Jesus fokussiert sind, hat die Apostelgeschichte die Menschen und ihr Handeln im Blick. Und auch hier, bei den Fragen der ersten Christen nach Zugehörigkeit und Abgrenzung, zeigt sich die Liebe.

Donnerstag, 29. April 2021

dankbar. Ein Stimmungsbild

Ich weiß, dass das in der jetzigen Zeit komisch klingen mag, aber ich bin gerade sehr dankbar.

Das hat auch damit zu tun, dass sich in meinem Leben aktuell eine Menge ändert: ein Umzug in eine andere Stadt steht an (Frankfurt an der Oder!), damit verbunden eine neue Arbeitsstelle (noch geheim).

Im Hintergrund stehen auch noch die Impfung, die jetzt demnächst kommt und die konkrete Hoffnung auf ein mittelfristiges Ende der einschneidendsten Corona-Probleme.

Samstag, 13. März 2021

Perle im Dreck. Das Evangelium vom 4. Fastensonntag (Joh 3,14-21) und die Lage der Kirche.

Wäre dieses Sonntagsevangelium (Joh 3,14-21) eine Muschel, so hieße die Perle in ihm:


Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt,

dass er seinen einzigen Sohn hingab,

damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht,

sondern ewiges Leben hat.“ (v16)


Allerdings liegt diese Perle ungünstig. Denn die Situation der heutigen Kirche ist im Vergleich zu diesem glänzenden Verheißungs-Kleinod eine Schlammkuhle.

Donnerstag, 11. März 2021

Poetische Fastenspeise 3 – "Ohne" von Tadeusz Różewicz

Nun wäre es Zeit für eine weitere Fastenspeise – dachte ich und suchte so vor mich hin. Nachdem schon der Frauentag in meinem Bücherschrank keine lyrische Fundgrube war und ich noch viele andere Dinge um die Ohren habe, war ich zunächst nicht sehr optimistisch.

Aber da!

Im neu erworbenen Auswahlband von Tadeusz Różewicz mit dem Titel "Zweite ernste Verwarnung"1 wurde ich fast erschlagen von der existenziellen Kraft des folgenden Gedichts.

Es spiegelt in Anlehnung an viele biblische Worte die Last und die Pein, die Größe und Bedeutung, aber auch die Belanglosigkeit und die Nebensächlichkeit der Gottesfrage für uns heute Lebende. Für mich ist es auch ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Alltagsatheismus, der sogar Menschen erfassen kann, die sich als gläubig ansehen.

Mich hat dieses Gedicht jedenfalls gerade so erfasst, dass ich es euch einfach zur Meditation überlasse und im Anschluss nichts mehr kommentiere oder interpretiere.

Donnerstag, 14. Januar 2021

Großzügig spenden. Ein Radiowort

In dieser Woche wird täglich ein kurzes Wort für den Tag auf rbb Antenne Brandenburg (9:10 Uhr), rbb Kultur (6:45 Uhr) und rbb 88.8 (5:55 Uhr) von mir gesendet. Hier der Text des heutigen Wortes: