Montag, 30. Dezember 2019

Von Umbruch und Neuanfang. Geistliche Gedanken zum Jahreswechsel

Dieser Radiobeitrag ist als eine Art Mini-Feature am 31.12. um 19:05 Uhr auf rbb Kultur zu hören. Wer viel Zeit hat, kann ihn hier lesen:


Musik 1: Leonard Cohen, "It seemed the better way" (Anfang, Instrumental)

O-Ton 1: "Was mich immer wieder umtreibt, ist, dass ich nicht nur einmal, sondern mehrfach schon Äußerungen gehört habe, in denen es hieß: "Naja, das hättste Dir ja vorher überlegen sollen, ne? Jetzt biste ja im Gefängnis, ne?"

Der Inhaftierte Winfried, der in Wirklichkeit einen anderen Vornamen hat, lebt seit mehr als zwei Jahren in der Justizvollzugsanstalt Berlin-Plötzensee. Er hat die Reaktionen seiner Umwelt erlebt, die meistens nicht freundlich waren:

Und das ist so 'ne Art Abwehrhaltung gegenüber Wünschen oder Zielen, die man hier im Vollzug erreichen möchte, um einen dadurch halt zu stoppen.
Und man braucht mir nicht sagen, dass ich mir das hätte früher überlegen müssen, da ich seit zweieinhalb Jahren jeden Tag 24 Stunden drüber nachdenke und es mich quält, hier zu sein. Aber ich möchte ja auch weiterkommen, mich weiter entwickeln, mich persönlich da rausarbeiten, ja, aber es führt halt, es führt halt, es führt kein Weg da raus. Man muss die Zeit absitzen und dann schauen, wie man zurecht kommt."

Samstag, 28. Dezember 2019

Von wahrer Größe. "Marriage Story" und die Heilige Familie

Es ist der beste Film, den ich in diesem Jahr gesehen habe. Zugegeben, es waren insgesamt nicht viele Filme, aber "Marriage Story" war wirklich toll.

Auch wenn es herzerweichend und zu Tränen rührend war, wie dort die Liebe und die Trennung von Nicole (Scarlett Johansson) und Charlie (Adam Driver) gezeigt wurde. Es sind zwei, die noch im Auseinanderleben versuchen, vernünftig miteinander umzugehen und sich gegenseitig mit Respekt zu begegnen. Doch sie geraten in einen juristischen Kampf hinein, der mit ihren anfänglichen Wünschen anscheinend nicht viel zu tun hat, in dem aber jede Kleinigkeit plötzlich eine Rolle spielt.

Dienstag, 24. Dezember 2019

Ich will hier raus! - Gott will hier rein! Oder: Weihnachten macht verletzlich

Wer will dort schon hin? – Mitten in der Provinz, nicht in der Stadt, nicht mal auf dem Dorf, sondern irgendwo außerhalb der menschlichen Siedlungen in einem heruntergekommenen Stall kommt das Kind zur Welt, das die Welt retten soll.

Wer will hier schon hin? – Keine Privatsphäre, kein Lieblingsessen, kein Internet, kein S-Bahnhof, keine Familienzimmer, keine Weihnachtsamnestie. Hier müssen Sie Weihnachten verbringen, im Haftkrankenhaus am Rande des Berliner S-Bahnrings, direkt neben der Stadtautobahn.

Aber was soll ich Ihnen sagen? Das, was Sie sich nicht ausgesucht haben, hat Gott sich ausgesucht.
Wenn Sie sagen: Ich will hier raus! - muss ich Ihnen antworten: Gott will hier rein.

Geliebt 24 – Telefon in "Die Liebe im Ernstfall" von Daniela Krien

Daniela Krien (die schon im Eingangstext zu Wort kam) beschreibt in mehreren ineinander verwobenen Geschichten von verschiedenen Gesichtern der Liebe. Paula und Wenzel lieben einander. Wenzel schreibt Paula regelmäßig:

Montag, 23. Dezember 2019

Geliebt 23 – Pferdeschwänze in "Monster" von Yishai Sarid

Yishai Sarids beeindruckendes Buch über die Erinnerung an den Holocaust ist als Brief eines Tourguides an seine Auftraggeber gehalten. Schonungslos erzählt er von seinen Eindrücken der israelischen Gruppen, die in Polen die Lager und Erinnerungsstätten besuchen. Hier spricht er über einen Besuch an den Orten des Aufstands im Warschauer Ghetto:

Sonntag, 22. Dezember 2019

Geliebt 22 – Thron in "Marzahn Mon Amour" von Katja Oskamp

Eine Glanzleistung der Menschenfreundlichkeit ist das Buch von Katja Oskamp, das in vielen kleinen "Geschichten einer Fußpflegerin" liebevoll die Menschen von Marzahn, dem riesigen DDR-Neubaugebiet im Nordosten Berlins, porträtiert. Das gut eingespielte Zusammenwirken von Stammkundschaft und Fußpflegerin zeigt sich auch als sich eine der ersten beschriebenen Kundinnen auf dem Fußpflegestuhl niederlässt:

Samstag, 21. Dezember 2019

Josef überlegt, liebt und lebt in Gemeinschaft. Drei Adventsgedanken

In der Adventszeit erscheinen viele Personen rings um die Geburt Jesu, die uns eine Hilfestellung geben können zu unserem Gehen durch den Advent. Heute ist es Josef, der seine schwangere Freundin eigentlich verlassen will, sich aber noch einmal anders entscheidet, als ihm ein Engel des Herrn rät, Maria zu sich zu nehmen.

1. Josef denkt nach
Das klingt normal, ist es aber nicht.
Wenn ich nur daran denke, wie oft ich spontan Sachen entscheide oder impulsiv reagiere, wenn ich eine schlechte Nachricht mitbekomme.
Aber Josef ist einer, der sich die Entscheidung nicht leicht macht. Ob er betet, ist nicht überliefert. Er bricht es jedenfalls nicht übers Knie, sondern überlegt noch einmal. Er scheint fast schon entschlossen, als noch eine Wende kommt. Als er Gottes Stimme das erste Mal hörte, brachte sie ihm Frieden, sagt ein anderer Joseph, nämlich Anthony Hopkins als Benedikt XVI. in dem aktuellen Film "Die zwei Päpste". Manchmal ist der Friede tatsächlich ein Kriterium. Aber nicht immer hören wir Gott so. Manchmal kann die Stimme Gottes auch in Unruhe versetzen. So war es sicher auch bei dem biblischen Josef, als der Engel Gottes ihm bei der Entscheidung half.

Geliebt 21 – Nasen in "Die zweite Frau" von Günter Kunert

Beim Aufräumen und Sortieren hat Günter Kunert diesen Roman nach eigener Aussage wiedergefunden, entstanden in den frühen 1970ern, wurde er in diesem Jahr erstmals veröffentlicht und spiegelt eine Beziehung, ein Lebensgefühl aus der DDR und eine Liebe.
Nach vielen Seiten Stress und Ärger liegt das Paar nun im Anschluss an eine alkoholschwere Geburtstagsfeier nebeneinander im Bett. Sie erzählt aus ihrer Kindheit:

Freitag, 20. Dezember 2019

Ich kann es nicht mehr abwarten. Ein Radiobeitrag zum Ende des Advents

So ähnlich bin ich am Sonntag, 22.12., gegen 10 vor 10 Uhr auf Radio rbb 88,8 zu hören:


Das Ende des Advents ist wirklich eine Herausforderung für mich.
Kurz vor Weihnachten immer noch auszuhalten, dass das richtige Fest erst noch kommt, das strapaziert meine Geduld schon sehr.
Wenn ich mich umschaue, sehe ich, dass mir das Warten auch nicht leicht gemacht wird. Die aktuellen Adventskalender werden immer größer und bestehen aus thematischen Geschenkesammlungen vor dem Fest, zu dem es dann noch einmal viele Geschenke gibt.
Geschenke als Vorbereitung auf Geschenke? – Ehrlich gesagt erschließt sich mir der Sinn solcher Adventskalender nicht, außer dass auf diese Weise noch mehr gekauft und konsumiert wird.

Geliebt 20 – Keine Reue in "Schnelle Nachtfahrt" von Reiner Kunze

Bei der Suche nach einem passenden Gedicht bin ich über viele tolle Gedichte der hier auf dem Blog schon vertretenen Dichterinnen und Dichter gestoßen, aber ich habe mich am Ende entschieden, einen Dichter auszusuchen, der hier noch nicht auftauchte und noch dazu ausnahmsweise ein Gedicht zu wählen, das ich nicht mehr auf die Seite genau zitieren kann.
Aber es passt so wunderbar in diese letzten Tage vor Weihnachten:

Donnerstag, 19. Dezember 2019

Geliebt 19 – Evian in "American Psycho" von Bret Easton Ellis

Dieses Buch ist, was der Titel verspricht – psycho. Abgesehen von den äußerst unappetitlichen Szenen kommt es zu einer Reihe von Reflexionen und Dialogen, aus denen die dissoziale Persönlichkeit des snobistisch-psychopatischen Ich-Erzählers Patrick Bateman gleichfalls nur so trieft.
Hier ist eine davon, ein Restaurantgespräch mit einem Liebesbekenntnis seiner Sekretärin Jean, eingeleitet von einem Gedankenstrom der Hauptfigur, der seine Weltsicht gut auf den Punkt bringt:

Mittwoch, 18. Dezember 2019

Geliebt 18 – Appetitlosigkeit in "About a boy" von Nick Hornby

Will ist Lebemann und Junggeselle aus Überzeugung. Aber da im Kult-Roman von Nick Hornby nichts wie geplant läuft, tritt nicht nur der besagte Junge Marcus in Wills Leben, sondern auch eine Frau.

Dienstag, 17. Dezember 2019

Geliebt 17 – Werbung in "Mein Leben – mein Weg" von Papst Franziskus

Heute hat Papst Franziskus Geburtstag. Das Interview mit S. Rubin und F. Abrogetti, erstmals 2010 lange vor seiner Wahl zum Papst erschienen, ist zwar kein literarischer Text, aber aus Anlass des Geburtstags eine gute Gelegenheit, das Geliebtwerden aus spezifisch religiöser Sicht anzuschauen. Hier spricht der spätere Papst von seiner Berufung:

Montag, 16. Dezember 2019

Geliebt 16 – Füße in "Rede aus Staub" von Uwe Kolbe

Der Dichter Uwe Kolbe bezeichnet sein Werk selbst als das eines Heiden. Aber zugleich als eines Menschen, der sich auf einem spirituellen Weg befindet. Seine 2017 erschienenen „Psalmen“ seien „aus dem Feuer der irdischen Liebe“ entstanden und sie verraten doch eine Sehnsucht nach mehr.
So ist auch dieser Psalm als Anruf Gottes zu verstehen:

Sonntag, 15. Dezember 2019

Dürfen wir uns denn freuen? Notiz zum Dritten Advent

Johannes der Täufer stellt die entscheidende Frage an Jesus:
"Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen andern warten?" (Mt 11,3)

Oder anders gefragt: Ist denn Grund zur Freude da? Bist du der Messias? Sind die Erfolge groß genug? Ist das Entscheidende endlich passiert? Können wir aufatmen?

Wenn wir heute den Sonntag "Gaudete" feiern, also "Freut euch!", dann stellt sich diese Frage durchaus ernsthaft: Dürfen wir uns denn freuen?
Können wir uns freuen angesichts der Weltlage, angesichts der Armut, angesichts der Wohnungsnot, angesichts der Klimaveränderungen...?
Ist das Schlechte nicht so viel stärker und größer als das Gute?

Geliebt 15 – Bruchlinie in "Der traurige Gast" von Matthias Nawrat

Es geht um eine Zufallsbekanntschaft in der Berliner polnischen Community: Aus dem Gespräch über die Umbauplanung in der Wohnung des Ich-Erzählers entwickeln sich regelmäßige Besuche bei einer alternden Architektin. Sie erzählt von ihrem Leben, ihren Überzeugungen und auch von ihrer Ehe:

Samstag, 14. Dezember 2019

Geliebt 14 – Kissen in "All das zu verlieren" von Leila Slimani

Die Nymphomanin hat eine Familie. Der Zwiespalt zwischen ihrer sexuellen Obsession und dem Kind, um das sie sich kümmern muss, zeigt sich in ihrer emotionalen Gespaltenheit bei der Pflege des Säuglings. Diese Gespaltenheit kann man auch nachvollziehen, ohne nymphoman zu sein:

Freitag, 13. Dezember 2019

Geliebt 13 – Tolpatsch in "Der Widersacher" von Emmanuel Carrère

Jean-Claude Romand scheint ein durchschnittlicher Franzose mit einem durchschnittlichen Leben und einem guten Job zu sein. Eines Tages aber ermordet er erst seine Frau und seine beiden Kinder, zündet anschließend sein Haus an, tötet dann seine Eltern und versucht am Ende sich selbst das Leben zu nehmen. Emmanuel Carrère hat seine Geschichte recherchiert und in seinem Buch "Der Widersacher" zu sich selbst ins Verhältnis gesetzt. Hier erzählt er vom frühen Familienglück:

Donnerstag, 12. Dezember 2019

Geliebt 12 – Anwaltspost in "Ein Post Scriptum" von Mascha Kaléko

Die große Dichterin Mascha Kaléko ist 1938 auf der Flucht vor den Schikanen der Nazis in die USA emigriert. Wie so viele deutsche Exilanten, die zuvor von der Sprache lebten, hat sie unter großen Problemen versucht, sich ein neues Leben aufzubauen.
Nach dem Krieg konnte sie zwar wieder ungehindert in Deutschland publizieren, kehrte aber nur zu Lesereisen und Besuchen in ihre alte Heimat zurück.
Hier ein Zitat-Gedicht von ihr:

Mittwoch, 11. Dezember 2019

Geliebt 11 – Familienfoto in "Die 21" von Martin Mosebach

Der IS ermordete 2015 in Libyen 21 Männer, die fast alle der koptischen Kirche angehörten. Dort werden sie inzwischen als Märtyrer verehrt. Martin Mosebach reiste nach Ägypten und besuchte viele Personen, die mit den diesen Märtyrern zu tun hatten.
Unter anderem trifft er auf die Witwen, die von ihren gestorbenen Männern erzählen:

Dienstag, 10. Dezember 2019

Geliebt 10 – Bett in "GRM. Brainfuck" von Sibylle Berg

Ich muss gleich zu Beginn betonen, dass dies eins der wenigen Bücher ist, das ich aus Überzeugung nicht bis zu Ende gelesen, sondern fortgelegt habe, weil es mich von Inhalt und Stil angewidert hat. Die hier zitierte Stelle ist auch nicht ganz typisch, da sie einigermaßen positiv klingt und nicht den Sound des Buches wiedergibt (die Auslassung in der Mitte wäre eher dazu geeignet – in der Leseprobe kann man die komplette Stelle und den Kontext erlesen). Gerade deshalb sei sie aber hier aufgenommen.
Sibylle Berg imaginiert eine untergehende Welt voller sozialer, ökomomischer und politischer Abgründe. Einige Jugendliche finden sich zusammen, um gemeinsam zu überleben.
Hier wird eine von ihnen vorgestellt:

Montag, 9. Dezember 2019

Geliebt 9 – Psalmen in "Geronimo" von Leon De Winter

Die Geschichte der Ermordung Osama bin Ladens wird bei Leon De Winter eingebettet in einen größeren Rahmen, der teils Drama, teils Thriller, teils Sozialstudie und teils Liebesgeschichte ist. Nachdem die Amerikaner ihr Werk im pakistanischen Abbottabad vollbracht haben, spinnt der Autor die Geschichte weiter, in der es um ein gerettetes muslimisches Mädchen im Haus pakistanischer Christen geht:

Sonntag, 8. Dezember 2019

Geliebt 8 – Augen in "Gleichgewicht" von Hilde Domin

Hilde Domins Gedichte haben eine Fragilität, die vielleicht aus ihren Flucht- und Exilerfahrungen herrührt. Sie kennt den Verlust und zeichnet ihn mit ihrer Sprache nach. Trotzdem wohnt ihren Gedichten ein tiefes Vertrauen inne, besonders dann, wenn es um Liebe geht:

Samstag, 7. Dezember 2019

Wolf und Lamm und Axt und Feuer. Eine Predigt am 2. Advent

Die Vielfalt der biblischen Visionen ist immer wieder erstaunlich.
Johannes der Täufer zerstört im Evangelium (Mt 3,1-12) die adventliche Besinnlichkeit durch seine drastische Sprache, wenn er ankündigt: "jeder Baum, der keine gute Frucht hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen" (v10).
Kurz davor aber haben wir gerade in der Lesung (Jes 11,1-10) gehört, wie der Prophet Jesaja eine göttliche Friedenszeit erhofft: "Dann wohnt der Wolf beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen" (v6).

Wie passt die Friedfertigkeit, die Jesaja verheißt, zu der Aggressivität des Johannes?
Verkündet der alttestamentliche Prophet einen anderen Gott oder eine andere Version von Gottes Herrschaft als der Vorläufer Jesu?

Geliebt 7 – Blumen in "Die Nickel Boys" von Colson Whitehead

In seinem Roman "Die Nickel Boys" seziert Colson Whitehead die Wunden, die staatliche Besserungsanstalten in den 1960er Jahren jungen Männer in den USA gerissen haben. Seine Darstellung einer rigorosen und von willkürlicher Gängelung geprägten Gefängniswelt ist emotional sehr aufrüttelnd.
Einer der Protagonisten wird viele Jahre später beschrieben, wie er immer noch dabei ist, normale menschliche Verhaltensweisen auszuloten.
Elwood wartet auf der Straße auf seine Frau, um mit ihr Essen zu gehen.

Freitag, 6. Dezember 2019

Geliebt 6 – Schokolade in "Internat" von Serhij Zhadan

Pascha soll seinen Neffen im kriegsgeschüttelten Donbass aus dem Internat holen. Es ist eine Odyssee durch Trümmerlandschaften und über trostlose Felder, mal zu Fuß, mal im Auto, fast immer im Dunkeln. Auf dem Rückweg finden sie einen hartgesottenen Fahrer, der sie eine gefährliche Strecke fast bis ans Ziel fährt. Harsch und einsilbig ist der Kontakt mit ihm.
Kurz vor dem Aussteigen aus dem Auto will Pascha sich bedanken:

Donnerstag, 5. Dezember 2019

Geliebt 5 – Kofferherz in "Was dann nachher so schön fliegt" von Hilmar Klute

Literatur und Sprache stehen im Zentrum von Hilmar Klutes Roman. Der junge Autor Volker Winterberg aus der westdeutschen Provinz wird ins wilde Berlin eingeladen, um einige seiner Gedichte vorzustellen. Dabei lernt er Katja kennen, eine Mitarbeiterin des Literatentreffens.
Ihre Beziehung bleibt zweideutig zwischen Liebe und Erotik, wie der folgende Abschnitt nach der ersten sexuellen Annäherung verdeutlicht:

Mittwoch, 4. Dezember 2019

Waffen weg und losgehen - Jesaja-Predigt im Advent

1.
Advent ist ein Sich-auf-den-Weg-machen.
So hören wir es in der Lesung aus dem Buch Jesaja (Jes 2,1-5) - „Viele Nationen machen sich auf den Weg" (v3), es wird darum gebeten, dass Gott seine Wege zeigt (ebd.), Jesaja fordert auf, die eigenen Wege im „Licht des Herrn" (v5) zu gehen.
Der Advent ist der Weg in Richtung auf ein großes Ziel. Hier in Haft ist Ihr Ziel, das eigene Leben draußen wieder leben zu können. Der Advent gibt uns einen Hinweis, wie das aussehen kann: Adventlich gestimmte Menschen warten darauf, dass etwas Neues geboren wird.
Der Weg besteht darin, abwarten zu können, bis dieses Neue ankommt.
Denn Advent heißt: nicht alles kommt sofort.

Geliebt 4 – Knie in "Das Elend und die Welt" von Wolfgang Herrndorf

Die aus dem Nachlass herausgegebenem Schriften von Wolfgang Herrndorf sind sehr verschieden. Es eint sie ihre Kürze und der autortypische Ton, der von lakonisch bis zynisch, von traurig bis herzerwärmend reicht, in nahezu jedem Fall einmal (auch) zum Lächeln herausfordert.
So wie in diesem Liebesgedicht:

Dienstag, 3. Dezember 2019

Geliebt 3 – Tischplatte in "Lincoln im Bardo" von George Saunders

Die Verstorbenen kommunizieren die ganze Zeit. Sie plaudern miteinander, sie beschimpfen sich gegenseitig, sie reden vor sich hin.
In George Saunders hochgelobtem Roman "Lincoln im Bardo" wird eine Zwischenwelt beleuchtet, in der die unerlösten Toten ständig damit beschäftigt sind, nicht das offensichtliche Gestorbensein zur Kenntnis zu nehmen. Doch auch diejenigen, die zugeben, tot zu sein, beziehen sich ständig rechtfertigend auf ihr Vorleben.
So wie in dieser (gekürzten) Aufzählung:

Montag, 2. Dezember 2019

Geliebt 2 – Kirschen in "Giovannis Zimmer" von James Baldwin

James Baldwins früher Roman (1956) hat die Liebe zweier Männer im Fokus. Allerdings kann sich der Ich-Erzähler seine Homosexualität nicht vollends eingestehen. Er ist zerrissen zwischen den gesellschaftlichen Konventionen, die ihn in die Arme seiner herumreisenden Verlobten führen würden, und den tiefen Gefühlen für seine Pariser Bekanntschaft Giovanni.
Hier erzählt er vom gemeinsamen Glücksgefühl:

Sonntag, 1. Dezember 2019

Geliebt 1 – Kätzchen in "Unterleuten" von Juli Zeh

Im fiktiven Dorf Unterleuten in der Prignitz beobachtet Juli Zeh die kleinsten Ebenen der Gesellschaft und ihre Konflikte. Durch klare Beschreibungen und schnörkellose Sprache entsteht ein vielschichtiges Panorama des Dorfalltags. Ein Teil davon ist das von ihrem Großvater vergötterte Krönchen: