Der IS ermordete 2015 in Libyen 21
Männer, die fast alle der koptischen Kirche angehörten. Dort werden
sie inzwischen als Märtyrer verehrt. Martin Mosebach reiste nach
Ägypten und besuchte viele Personen, die mit den diesen Märtyrern
zu tun hatten.
Boot. Berlin, 2019. |
"Die junge Witwe des
achtundzwanzigjährigen Samuel, des Älteren, zeigte mir zunächst
ein gestelltes Familienfoto, auf dem sie mit Mann und drei Kindern
vor der Kulisse einer futuristischen Skyline steht, fügte dann aber
hinzu, ihr Mann habe auch von Libyen darauf geachtet, daß die
Familie bete – bei jedem Anruf sei das seine letzte Frage gewesen.
Der sechsundzwanzigjährige Milad
hielt bei schwerer Feldarbeit gegen den Rat des Pfarrers seine Fasten
ein und antwortete ihm: 'Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.' So
erzählte es seine Witwe, beinahe noch ein Kind, in der Witwentracht
wie verkleidet; aus Libyen hat man ihr seine Bibel geschickt, die er
immer in der Tasche trug – sie kann nicht lesen und verwahrt diesen
Schatz für ihre Kinder.
Der dreiundzwanzigjährige Girgis der Ältere, mit seiner Cousine frisch verlobt, habe oft zwei Stunden lang in seinem Zimmer gebetet - der einäugige Vater mit weißem Turban zeigte auf die geschlossene Tür, die mit bunten Heiligenbildchen beklebt war, als sei dahinter immer noch sein Sohn."1
Reflexion zum Text:
Aus der Perspektive des Todes verändert
sich der Blick auf einen Menschen natürlich. Besonders gilt das für
geliebte Menschen. Wichtig werden dann die ganz
einfachen, von Mosebach beschriebenen Gegenstände, die von den Toten übrig bleiben: Ein Foto, eine Bibel, eine Tür.
Oder dies: Auf dem heutigen Foto sieht man ein Boot, das
mein Urgroßvater seinem Sohn Dieter, meinem Opa, der heute 80 Jahre
alt geworden wäre, aus dem Russlandfeldzug geschickt hat.
Impuls:
Heute kann ich mir die Frage stellen:
Was für Gegenstände sind mir wichtig, die mich an geliebte Menschen
erinnern?
1 M.
Mosebach, Die 21. Eine Reise ins Land der koptischen Martyrer.
Reinbek bei Hamburg 2018, 103.
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