Jean-Claude Romand scheint ein
durchschnittlicher Franzose mit einem durchschnittlichen Leben und
einem guten Job zu sein. Eines Tages aber ermordet er erst seine Frau
und seine beiden Kinder, zündet anschließend sein Haus an, tötet
dann seine Eltern und versucht am Ende sich selbst das Leben zu
nehmen. Emmanuel Carrère hat seine Geschichte recherchiert und in
seinem Buch "Der Widersacher" zu sich selbst ins
Verhältnis gesetzt. Hier erzählt er vom frühen
Familienglück:
Graffito, Berlin, 2012. |
"Die meisten Alben der Familie
Romand wurden beim Brand ihres Hauses vernichtet, doch einige Fotos
konnten gerettet werden und sie ähneln den unseren. Wie ich, wie Luc
und alle jungen Väter kaufte Jean-Claude bei der Geburt seiner
Tochter eine Kamera und fotografierte mit großem Eifer Caroline und
später Antoine als Baby, ihre Fläschchen, ihre Spiele im
Laufgitter, ihre ersten Schritte, dazu Florence, wie sie über ihre
beiden Kinder gebeugt lächelt; und sie fotografierte ihn, wie er
beide stolz herumträgt, sie in die Luft wirft, sie badet. Auf diesen
Fotos hat er einen Ausdruck von tolpatschiger Begeisterung, der seine
Frau gerührt und zur Überzeugung gebracht haben muss, letztlich die
richtige Wahl getroffen zu haben: einen Mann zu lieben, der sie und
ihre Kinder auf diese Weise liebt."1
Gedanken zum Text:
Kann die Liebe eines Mannes echt sein,
der in sich ein solches Monster verbirgt, das fähig ist, (scheinbar)
aus dem Nichts heraus seine Familie umzubringen? War die
"tolpatschige Begeisterung" nur gespielt? Aus dem, was der
Roman erzählt, war sie echt – nur war seine Verzweiflung noch
größer. Und zwar die Verzweiflung über sein tatsächlich
gespieltes, verpfuschtes und vorgegaukeltes Berufsleben (mehr hier).
Diese Verzweiflung fraß am Ende alles auf.
Impuls:
Heute kann ich meine Begeisterung
spüren und groß werden lassen. Was ist liebenswert an mir, was soll
wachsen? Welche schönen Momente sollen prägend sein? Dies alles
bringe ich dankbar vor Gott.
1 E.
Carrère, Der Widersacher. Berlin 2018, 69.
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