Literatur und
Sprache stehen im Zentrum von Hilmar Klutes Roman. Der junge Autor
Volker Winterberg aus der westdeutschen Provinz wird ins wilde Berlin
eingeladen, um einige seiner Gedichte vorzustellen. Dabei lernt er
Katja kennen, eine Mitarbeiterin des Literatentreffens.
Ihre Beziehung
bleibt zweideutig zwischen Liebe und Erotik, wie der folgende
Abschnitt nach der ersten sexuellen Annäherung verdeutlicht:
Graffito, Berlin, 2012. |
"Als wir auf der Straße
standen, kam es mir vor, als würden uns die vergangenen zwei Stunden
wie Papierkleider vom Leib geweht. Wir redeten lebhaft miteinander
wie zwei, die sich mehr als sympathisch finden, aber noch nicht in
die Falle getappt sind. Katja zeigte auf das Schwarze Café an der
anderen Straßenseite; wir setzten uns in den ersten Stock an einen
kleinen schäbigen Holztisch am Fenster, bestellten Cappuccino und
waren nun restlos von unserer albernen Verlegenheit befreit.
'Das war schön rasant', sagte
Katja. Ich war so kindisch froh über die sportliche Formulierung,
dass ich aufstand und Katja auf den Mund küsste; das Leben sollte
bitte leicht bleiben, so lautete die Abmachung des Jahrzehnts. Die
großen Leidenschaften mussten handhabbar sein, Dramen und
Liebeselend gehörten in die Tagebücher der Pubertätsjahre, das
Herz lebte aus dem Koffer."1
Bemerkung zum Text:
Der Ich-Erzähler übt sich in
Zurückhaltung. Er will nicht "in die Falle" des
Verliebtseins tappen und möchte das Leben lieber "handhabbar"
belassen. Seine Liebe zur Sprache und der literarische Ehrgeiz sollen
stärker bleiben als Herz und Fleisch. Doch ist das eine Haltung, die
das Leben sättigt?
Impuls:
Wenn Liebe mich angeht und drängt,
kann ich nachgeben oder versuchen, mich rauszuziehen. Macht es mir
Sorgen, wenn meine Leidenschaften nicht mehr unter meiner Kontrolle
und damit handhabbar sind? Oder genieße ich Offenheit und Freiheit?
Kann mein Herz bei jemandem zur Ruhe kommen oder bleibt es rastlos an
den Koffer gefesselt?
Ich kann diese Gedanken im Gebet vor
Gott bringen.
1 H.
Klute, Was dann nachher so schön fliegt. Berlin 2018, 237.
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