Der
Dichter Uwe Kolbe bezeichnet sein Werk selbst als das eines Heiden.
Aber zugleich als eines Menschen, der sich auf einem spirituellen Weg
befindet. Seine 2017 erschienenen „Psalmen“ seien „aus
dem Feuer der irdischen Liebe“ entstanden und sie verraten doch
eine Sehnsucht nach mehr.
So ist auch dieser Psalm als Anruf
Gottes zu verstehen:
Graffito, Berlin, 2013. |
Rede aus Staub
Ich küsse den Staub, den deine Füße
berührt haben.
Ich hoffe nicht, glaube nicht, rufe
nur deinen Namen.
Ich küsse den Staub, den deine Füße
berührt haben.
Ich wüsste gern ein oder aus, doch
kommen nur Buchstaben.
Ich küsse den Staub, den deine Füße
berührt haben.
Ich büße, des Sinns beraubt und
aller schöneren Gaben.
Ich küsse den Staub, den deine Füße
berührt haben.
Ich finde nur Schutt von dem Bau,
den wir aufgeführt haben.
Ich küsse den Staub, den deine Füße
berührt haben.1
Gedanke zum Text:
Liebende tun alle möglichen komischen
Dinge. Selbst wenn sie sich nicht innerhalb der gängigen Normen von
"Glauben" oder "Wissen" einordnen. Hier ist
einer, der augenscheinlich nichts hat – und der doch oder gerade
deswegen bereit ist, den Staub zu küssen, wo eines oder einer
Anderen Füße standen. Diese metaphorische Rede weist auf das Entzogensein des Geliebten hin. Er ist nicht fassbar, abwesend, unbegreiflich.
Impuls:
Ich denke über mein eigenes Verhältnis
zu Gott nach. Welcher der Verse spricht mich an? Ich spüre ihm nach. Wie geht es mir mit der Fassbarkeit Gottes - leide ich unter der Distanz oder spüre ich ihn nah bei mir? Ich fasse meine Gedanken in ein Gebet.
1 U.
Kolbe, Psalmen. Frankfurt a.M. 2017, 66.
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