Ich muss gleich zu Beginn betonen, dass
dies eins der wenigen Bücher ist, das ich aus Überzeugung nicht bis
zu Ende gelesen, sondern fortgelegt habe, weil es mich von Inhalt und
Stil angewidert hat. Die hier zitierte Stelle ist auch nicht ganz
typisch, da sie einigermaßen positiv klingt und nicht den Sound des
Buches wiedergibt (die Auslassung in der Mitte wäre eher dazu
geeignet – in der Leseprobe
kann man die komplette Stelle und den Kontext erlesen). Gerade
deshalb sei sie aber hier aufgenommen.
Sibylle Berg imaginiert eine
untergehende Welt voller sozialer, ökomomischer und politischer
Abgründe. Einige Jugendliche finden sich zusammen, um gemeinsam zu
überleben.
Hier wird eine von ihnen vorgestellt:
Erinnert euch an die Liebe. Lodz, 2013. |
"Also. Hannah
Wohnte in Liverpool mit zwei
freundlichen Eltern, die typisch für die untergehende Mittelschicht
waren. Sie hatten ein Haus mit einem verranzten Hof dahinter
gemietet, besaßen zwei Fahrräder und konnten ihre Stromrechnungen
bezahlen. Hannah hielt die Liebe ihrer Eltern für den Normalzustand
– dass sie von ihnen in die Luft geworfen und gestreichelt wurde.
Dass sie ihre Hand hielten und unendlich stolz auf sie waren, dass
sie an ihrem Bett saßen und und in ihr Zimmer kamen, wenn sie
schlief, um nachzusehen, dass sie noch lebte, hielt Hannah für
selbstverständlich. [...] Hannahs Elternhaus befand sich in einer
Problemgegend der Stadt, die vornehmlich aus Problemgegenden bestand.
Aber ihre Problemgegend war eindeutig die problematischste. Oft hörte
man draußen Schießereien, selten hörte man Sirenen, die Polizei
hatte das Viertel schon lange aufgegeben. Aber das war Hannah egal.
Alles, was draußen war, konnte ihr nichts anhaben, wenn sie in ihrem
Bett lag und die Eltern leise miteinander redeten.
Das Gefühl, absolut behütet und
geliebt zu werden, würde sie später vor vielem retten."1
Bemerkung zum Text:
Das Gefühl, in der eigenen Kindheit
behütet zu sein und sich auf die Umgegend verlassen zu können,
lässt ein Urvertrauen wachsen, das ein ganzes Leben tragen kann. Die
so genannte Resilienz gibt die Kraft, um in Krisen nicht
unterzugehen.
Impuls:
Heute frage ich mich nach meinen
inneren Ressourcen: Aus welchen Kraftquellen kommt mir Halt? Worauf
kann ich mich völlig verlassen? Und traue ich Gottes Hand zu, dass
sie mich immer hält?
1 S.
Berg, GRM. Brainfuck. Köln 2019, 18f.
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