Wir gehen
jeder für sich
den schmalen Weg
über den Köpfen der Toten
- fast ohne Angst -
im Takt unsres Herzens,
als seien wir beschützt,
solange die Liebe nicht aussetzt.
So gehen wir
zwischen Schmetterlingen und Vögeln
in staunendem Gleichgewicht
zu einem Morgen von Baumwipfeln
- grün, gold und blau -
und zu dem Erwachen der geliebten
Augen.1
Gedanke zum Text:
Wohin sind wir unterwegs auf unserem
schmalen Weg? Die Antwort der Dichterin ist eindeutig: "zu
dem Erwachen der geliebten Augen". Das kann ich auslegen als
die Hoffnung auf den Geliebten, den ich erhoffe, wieder zu sehen.
Oder ich liest ganz adventlich: Wir gehen auf Weihnachten zu und
erhoffen den neuen Morgen, an dem uns das geliebte Kind geboren wird.
Impuls:
Auch wenn ich nicht sicher sein kann,
dass ich "beschützt" bin, auch wenn mich von Zeit
zu Zeit die Angst befällt – solange meine Liebe nicht
aussetzt, kann ich weitergehen.
Wen treffe ich heute und wie kann ich
ihm oder ihr Liebe zeigen?
1 H.
Domin, Nur eine Rose als Stütze. Gedichte. Frankfurt a.M. 1994, 14.
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