"Ich glaube nicht an einen
Gott, der in das Weltgeschehen eingreift".
So würde ich die Liedzeile aus dem
wunderbaren Song „Into my arms“ von Nick Cave mal frei
übersetzen. Cave, der eine ganze Reihe sehr religiöser (aber auch
verstörender) Songtexte veröffentlichte, formuliert darin seinen
Zweifel an christlichen Glaubenswahrheiten.
Aber, und das ist entscheidend, er
weicht seinen Unglauben sofort wieder auf – um seiner Liebe willen:
Alle Wege offen? Altes Gefängnis, Wittenberg, 2017 |
I don’t believe in an
interventionist God
But I know, darling, that you do
But if I did I would kneel down and ask Him
Not to intervene when it came to you
Not to touch a hair on your head
To leave you as you are
And if He felt He had to direct you
Then direct you into my arms
But I know, darling, that you do
But if I did I would kneel down and ask Him
Not to intervene when it came to you
Not to touch a hair on your head
To leave you as you are
And if He felt He had to direct you
Then direct you into my arms
Into my arms, O Lord
…
…
And I don’t believe in the
existence of angels
But looking at you I wonder if that’s true
But if I did I would summon them together
And ask them to watch over you
To each burn a candle for you
To make bright and clear your path
And to walk, like Christ, in grace and love
And guide you into my arms
But looking at you I wonder if that’s true
But if I did I would summon them together
And ask them to watch over you
To each burn a candle for you
To make bright and clear your path
And to walk, like Christ, in grace and love
And guide you into my arms
Into my arms, O Lord
...
But I believe in Love
And I know that you do too
And I believe in some kind of path
That we can walk down, me and you
So keep your candles burning
And make her journey bright and pure
That she will keep returning
Always and evermore
And I know that you do too
And I believe in some kind of path
That we can walk down, me and you
So keep your candles burning
And make her journey bright and pure
That she will keep returning
Always and evermore
Into my arms, O Lord
Into my arms, O Lord
Into my arms, O Lord
Into my arms, O Lord
Into my arms
Into my arms
Auch wenn für Nick Cave der Glaube an
einen aktiv handelnden Gott und an schützende Engel eigentlich nicht
rational nachvollziehbar sind, dreht sich paradoxerweise das ganze
Lied darum, dass er eine Bitte an Gott (und seine Engel) wegen dieses
Eingreifens richtet. Der Unglaube wird also ausgesagt und im nächsten
Moment durch eine Hoffnung, eine Möglichkeit, eine Geste des
Zweifels am eigenen Kleinglauben konterkariert.
Das bringt eine humorvolle Spannung in
den Text. Nichts wird aufgelöst, nur die Liebe als starke und
metaphysisch wirksame Kraft.
Tatsächlich glaube auch ich eher nicht
daran, dass Gott eindeutig ihm zuordenbare Taten in der Welt
vollbringt.
Auf der theologischen Ebene nämlich
wäre das ständige Überschreiten von zuvor in der Schöpfung
gesetzten natürlichen Schranken um mancher (aber nicht aller)
Hilferufe und Gebete willen in sich unlogisch und inkonsistent. Warum
hier und dort nicht? Zu wenig gebetet? Willkür? Einerseits also
Skepsis.
Andererseits widerspricht diese
Auffassung klar dem biblischen Befund, der von Gottes Wirken
allüberall und besonders in und durch Jesus spricht. Außerdem wäre
jegliche Rede vom „Vertrauen auf Gott“ vollständig desavouiert,
wenn es keine Basis für dieses Vertrauen in Gott als
handlungsmächtig gäbe.
Auf schmalem Grat. Britz, Neukölln, Berlin, 2016. |
Insofern ist die Inkonsequenz und
Uneindeutigkeit des Songtextes nur konsequent und eine klare Option
für das Offenhalten der Frage.
Denn auf der erkenntnistheoretischen
Ebene sind wir als Gläubige auf glaubensoffene Deutungen angewiesen
und müssen die Unklarheit der Welt aushalten, müssen aushalten,
oftmals nicht zu wissen, was Gott nun will und was nicht. Es geht um
den „Glauben an etwas, das über das rational Erkennbare
hinausgeht, im Wortsinne es überschreitet bzw. transzendiert, den
Glauben also an etwas, das größer und anders ist als wir. Und weil
das so ist, ist es auch nicht restlos ausdeutbar. Wie sehr sich auch
die klügsten Theologen und Religionsgelehrten bemühen, das
Transzendente in Begriffe zu fassen, bleibt doch immer ein Rest an
Vagheit, Unbestimmtheit und Mehrdeutigkeit, also: an Ambiguität.“1
Als innere Grundhaltung ist dieses
willentliche Aushalten von Ambiguität, gerade in politisch
angespannten Zeiten wie den unseren, eine nicht zu unterschätzende
Tugend. Wer immer hundertprozentig Recht haben muss, ignoriert in der
Regel die Komplexität der Sachverhalte (selbst wenn es in der
Politik oft auf die Zuspitzung ankommt). Beim so genannten
Asylkompomiss der Unionsparteien kommt es eben genauso auf die
jeweilige Interpretation der Verhandlungsergebnisse an wie in den
Verhandlungen mit anderen EU-Ländern über die Abschiebung in andere
Länder.
Unsicherheit demütig auszuhalten und eventuell
mehrere Lösungen als logisch anzuerkennen ist in unserer Welt also
paradoxerweise sachgerecht und mit Blick auf Gott angesichts des
christlichen Glaubens nur nachvollziehbar.
Dazu gehört auch: Liebe scheint als
Kriterium genauso wie als Weg die Antwort zu sein.
1 T.
Bauer, Die Vereindeutigung der Welt. Über den Verlust an
Mehrdeutigkeit und Vielfalt. 2., durchgesehene Aufl. Ditzingen 2018,
34.