Samstag, 28. Juli 2018

Die wunderbare Speisung. Vier Thesen zum Sonntagsevangelium

Die neutestamentliche Geschichte von der Speisung der 5000, die den Kern des heutigen Sonntagsevangeliums (Joh 6,1-15) bildet, ist so bekannt wie unverstanden.
Darum vier kurze Gedanken dazu, was die Bedeutung aufschließen könnte.
Dabei spielt für mich keine entscheidende Rolle, ob sie genau so historisch geschehen sind oder literarische Konstrukte darstellen.
Das soll reichen?
Schwante, 2018.
  1. Christsein hat etwas mit Gemeinschaft zu tun
Entgegen der heute geläufigen Attitüde, die Religiosität als eine individuelle bis intim-geheime Sache ansieht, stehen hier die Menschen, die Jesus folgen, als Gemeinschaft im Vordergrund.
Sicher spricht die Bibel sehr oft von der Begegnung Jesu mit Einzelnen, aber dies kann nicht bedeuten, dass nach dem persönlichen Angesprochenwerden von Jesus (auch heute) jeder nur sein alleiniges Ding mit ihm machen muss.
Vielmehr bedeutet die Begegnung mit ihm ein Aufbrechen und Aufgebrochenwerden hin zu den anderen Menschen, zu jenen, die da das gleiche Anliegen teilen, und zu allen anderen.

  1. Christsein dreht sich um alle
Dass, wie heute bei Jesus, zu viele Christen kommen, wird hierzulande wohl kaum ein Verantwortlicher in der Kirche beklagen. Das mag auch daran liegen, dass sich auch nicht alle willkommen fühlen – wenn sie einen Partner mit "falscher" Konfession haben oder die "falsche" sexuelle Orientierung.
Im Evangelium zeigt sich nun, dass es um alle geht. Denn die christliche Botschaft richtet sich grundsätzlich an alle Menschen. Jeder ist gemeint, keiner muss wieder gehen, weil nicht genug da wäre oder eine zweitrangige Differenz stören würde. Wer anwesend ist und bleiben will, wird auch gespeist.

  1. Christsein braucht Hunger
Wer sich selbst genug ist, kann kein Christ sein. Dass gilt in politischer und ökologischer ebenso wie in existenzieller religiöser Hinsicht. Ohne einen Hunger im Inneren macht sich keiner auf den Weg, um in eine vertrauensvolle Beziehung mit Gott einzutreten.
Diese Sehnsucht aber verweist auf das Bewusstsein oder Verspüren eines inneren Mangels. Wenn es etwas Unabgegoltenes, Nichtfertiges, Ausstehendes in meinem Leben gibt, dann mache ich mich auch auf den Weg und nehme dafür sogar Unannehmlichkeiten auf mich.

  1. Christsein ist Beschenktwerden
Die Speisung setzt keine besondere Glaubensleistung, keine guten Werke und schon gar kein Testat in Rechtgläubigkeit voraus. Sondern es werden all jene beschenkt, die da sind.
Da sein allerdings müssen sie schon – Jesus trägt sie nicht zur Begegnung mit sich, ihre (und unsere) Aufgabe ist es, den Aufbruch selbst zu wagen.
Alles andere aber schenkt Jesus dann, vor aller Leisung und trotz aller Schuld.


PS: Natürlich gibt es noch eine fünfte und nicht unwesentliche These als Bonus: Christsein ist die Bereitschaft zu teilen. Ohne diese Bereitschaft, weiterzugeben, was wir mitbringen und empfangen, kann es keine Speisung geben. Und kein christliches Leben.

Ein Laster voller Geschenke!
Kreuzberg, Berlin, 2016.