Montag, 16. Juli 2018

Wann ist mein Handy eigentlich aus? Zur Besinnung

Wann bin ich eigentlich mal nicht erreichbar auf dem Smartphone?
Solche Momente gibt es – aber, ich gebe es zu, nur sehr selten. Mein Telefon hat meinen Alltag fest im Griff, fester als ich will.
Dass es grundsätzlich ausbleibt, kommt nur an drei Punkten vor.

  1. Im Gefängnis
Hier ist es verboten, ein Mobiltelefon zu benutzen; den Inhaftierten ist außerdem verboten, in Haft überhaupt eins zu besitzen. Allerdings zirkulieren (je nach Anstaltsteil verschieden) eine Menge davon.

Freier Blick ohne Netze.
Neukölln, Berlin, 2018.
Ich selbst interpretiere dieses Verbot für mich positiv. Denn ich glaube, dass ich dann näher dran bin an den Inhaftierten, zu denen ich dort ja hauptsächlich gesandt bin. Einerseits hilft es mir, mich zu fokussieren, weil ich weiß, dass gerade nichts anderes Vorrang haben sollte als die Zuwendung zu meinem Gegenüber. Und das ist auch sehr gut. Ich fühle mich wohl damit. Andererseits ist es ein Zeichen der Solidarität, ein sehr schwach ausgeprägtes natürlich.
Paradoxerweise ist für mich das nicht verwendete (aber doch in der Tasche behaltene) Smartphone in diesen Momenten ein Ausweis von Freiheit für mein Gegenüber, während dieser das Fehlen des Telefons in der Regel als Ausdruck seiner Unfreiheit ansieht.

  1. In der Kirche oder beim Gebet
Letzteres füge ich eher pro forma an, da es derzeit eher selten vorkommt, dass ich betend zu Hause sitze. (Statt hier zu bloggen lieber zu beten – das wäre vielleicht eine Überlegung wert...)
Natürlich gehört es in der Kirche zum guten Stil, keine anderen als die liturgisch vorgegebenen Verbindungen "nach oben" zu nutzen. Darüber hinaus komme ich beim Beaufsichtigen meiner Kinder (in der Regel habe ich zwei dabei) gar nicht dazu, mich um noch mehr Dinge als um sie und um das innere Mitgehen mit der Liturgie zu kümmern
Und ich genieße die Liturgie (vorrangig dann, wenn ich allein einen Gottesdienst besuche) als eine Zone, in der ich dem Alltag enthoben bin und mich um Rückmeldungen aus den sozialen Verstrickungen und um die Nachrichten nicht kümmern muss. Die Bestätigung, dass ich existent und wertvoll bin, kommt von Gott und nicht aus dem Internet.
Gott ist im Gottesdienst genug.
Ist ja normalerweise auch nur für eine Stunde...
  1. Nachts
Das müsste ich laut sagen: Mein Schlaf ist mir heilig.
Also befindet sich mein Telefon nicht in der Nähe des Bettes und ist darum auch nicht das Erste und nicht das Letzte meiner Tagesläufe. Das entspannt mich unheimlich.
Weniger entspannend ist das sehr früh im selben Zimmer erwachende Kind, aber das ist ein anderes Thema.
Nachts bin ich auch in äußersten Notfällen einfach nicht erreichbar.
Pause ist Pause und das, was die jüdische Religion am Sabbat praktiziert, gilt bei mir wenigstens nachts. Immerhin, meistens auch beim sonntäglichen Mittagsschlaf.

Ehrlich gesagt versuche ich, das Telefon auch beim Essen mit der Familie auszulassen und weit weg zu legen – und schränke meine Nutzung ein, wenn ich mit den Kindern spiele. Aber das ist manchmal mehr Theorie als Praxis, darum gilt es nicht.

Als Fazit bleibt übrig:
Das Ding auszuschalten passiert dann, wenn anderes eindeutig wichtiger ist.
Es bedeutet für mich mal eine Ermöglichung von befreiender Fokussierung und Zuwendung, mal ist es die Abkoppelung von der sozialen Bestätigungsmaschine des Netzes, mal eine Unterbrechung des Alltäglichen. 

Einfach mal nur sitzen.
Hiddensee, 2018.