Das klingt kitschig.
Möglicherweise aber formuliert es sich so am
leichtesten mitten in einem Leben der Heimatlosigkeit, wie es Mascha
Kaléko zu führen hatte, auf die diese Wortzusammenstellung zurück
geht. Ihr Leben - eine Odyssee: von Galizien über Berlin in die USA
und nach Israel, oft getrieben und innerlich verwundet, ausgefüllt
mit großem Sehnen und dem Wunsch nach Geborgenheit.
Angeschwemmte Qualle, Strand bei Timmendorf, Mecklenburg-Vorpommern, 2014. |
In ihrer eigenen Sprache wird das ein
"Frieren" in "Unerschlossenheit", ein Gefühl der
Fremdheit und des "Ausgesetztseins" in der Finsternis. Der
spätere Rückblick auf die "frühen Jahre" lässt ahnen,
in welcher Unsicherheit und Verlassenheit sie sich sah – eine
Wahrnehmung des eigenen Daseins, mit der sie auch heute nicht allein
wäre angesichts der Not, die Flüchtlinge immerfort buchstäblich
aufs Meer treibt.
Hier das Gedicht selbst:
Die frühen Jahre1
Ausgesetzt
In einer Barke von Nacht
Trieb ich
Und trieb an ein Ufer.
An Wolken lehnte ich gegen den
Regen.
An Sandhügel gegen den wütenden
Wind.
Auf nichts war Verlaß.
Nur auf Wunder.
Ich aß die grünenden Früchte der
Sehnsucht,
Trank von dem Wasser das dürsten
macht.
Ein Fremdling, stumm vor
unerschlossenen Zonen,
Fror ich mich durch die finsteren
Jahre.
Zur Heimat erkor ich mir die Liebe.
Wie hingeschrieben in die haltlose
äußere und innere Situation so Vieler, denen nicht einmal mehr der
"Wunderglaube" Hoffnung gibt. Was der Autorin in der
existenziellen Unbehaustheit bleibt, ist der Entschluss zur Liebe
- sogar der ist keine Selbstverständlichkeit, da auch und gerade er
fordert.
So bleibt mit der letzten Zeile zwar
schließlich doch ein heimelig klingendes Grundgefühl; das größte
menschliche Wort mit seiner überbordenden Verheißung, ein
Lebensmotto, das sich nicht am Äußeren festhält, aber eben durch
Nähe und Beständigkeit genährt werden muss.
Ich jedenfalls bin angesprochen von den
eingängigen Motiven, die doch kein konsistentes Bild im Kopf
entstehen lassen. Neben dem "Rezept"
mein liebstes Gedicht von Mascha Kaléko.
Bunte Streifen, Rügen, 2013. |
1 M.
Kaléko, Mein Lied geht weiter. Hundert Gedichte. 7. Aufl. München
2008, 9.
Ein wunderschönes Gedicht und das Gedicht "Rezept" ist einfach nur genial. Auch ein sehr schöner Blog. Vielen Dank für die darein investierte Zeit und Mühe. Man spürt das Herzblut, das in ihm steckt. :)
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