Mittwoch, 26. November 2014

Mit Gott reden wie mit einem Kleinkind

Wann gelingt Kommunikation? – Wenn etwas auch ungefähr in dem Sinne ankommt, wie es gemeint ist. Alltagsdeutsch: wenn wir uns verstehen. Das kann man im Bilde von vier Ohren oder fünf Sprachen der Liebe ausdrücken, ganz nach Belieben.
In der Beziehung zu meiner inzwischen fast sieben Wochen alten Tochter sind mir zwei Kommunikationsgrundsätze aufgefallen, die durchaus parallel zur Kommunikation mit Gott gehen. Eine bemerkenswerte Beobachtung gibts hinterher.

Greifende Hände, Hafen von Wismar, 2014.
1
Meine Tochter versteht, trotz ihres inzwischen schon erstaunlichen Alters, die deutsche Sprache noch nicht. Spreche ich also mit ihr, dürfte wenig von der Wortinformation ankommen. Was kommt dann aber an, wenn nicht der Inhalt meiner Worte?
Für das Neue Testament gilt das Wort Jesu, beim Beten zum Vater im Himmel nicht wie die Heiden zu plappern, sondern mit Worten Maß zu halten (Mt 6,7). Aus dem Alten Testament kommt die passende Ergänzung dazu, was vor Gott zählt: "Der Mensch sieht, was vor den Augen ist, der Herr aber sieht das Herz" (1Sam 16,7).
Was bei Gott ankommt, ist nicht in erster Linie der Inhalt meiner konkreten Worte bzw. der jeweiligen begrifflichen Äußerung, sondern das tiefste Sehnen meines Herzens. Das ignatianische Suchen nach der eigenen Sehnsucht entspricht dem ebenso wie das fernöstlich inspirierte kontemplative Gebet ohne Worte. Das Innere zählt.
Dem Kinde wiederum wird ganz ähnlich kein Wort helfen, wohl aber kann ihm die zugrundeliegende Herzensregung nahekommen und im besten Fall verständlich werden.
Genügen muss, was als Grundton des Herzens mit meinen Worten transportiert wird – und das wird im einen wie im anderen Fall hoffentlich liebevoll sein.

2
Manchmal wirkt das Gespräch mit dem Kleinstkind wie ein Sprechen ins Leere. Einmal kommt erkennbar etwas an, dann wird die Beziehungsaufnahme von einer mehr oder weniger eindeutigen Reaktion gekrönt, ein anderes Mal lässt sich nicht erkennen, ob die meinerseits gemeinte wohlwollende, beruhigende oder aber ungeduldig, vielleicht erschöpfte Kontaktaufnahme erfolgreich ist.
Ganz genauso dürfte es den meisten Menschen mit Gott gehen. Kommt das, was ich da vorbringe überhaupt an bei meinem Gegenüber? Die Zweifel können dann schon mal wachsen, gerade wenn ich nur Wüste, aber keinen Trost im Gebet spüre, oder wenn meine Gebetsbitte keine Erhörung zu finden scheint.
Straßenspiegel, Alt-Lobeda, Jena, 2014.
Das Vertrauen auf die nicht vergebliche Kommunikation ist hier wie da Grundlage dafür, dass die Beziehung gelingt. Langfristiges Dranbleiben garantiert zwar nichts, ist aber die einzige Chance, dass es weiter geht, auch wenn keine Reaktion folgt.

3
Der greifbarste Ausdruck des kindlichen Gemüts ist Schreien – das passt auf Traurigkeit, Ärger, Schmerz, Hunger usw. Jedenfalls wurde uns Lächeln bisher vornehmlich im Schlafe geschenkt. Wäre das Gespräch mit Gott ebenso von vornehmlich negativ konnotierten Regungen geprägt, hätte er wohl weniger Freunde. Und doch solidarisiert er sich mit seiner leidenden Kreatur, wie das Evangelium des letzten Sonntags betonte: "Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan." (Mt 25,40) Würden wir das ernst nehmen, sähen wir Gottes Mit-Leid allüberall.
Da wiederum gleichen sich die Beziehung zu Kind und zu Gott – die Liebe zum Nächsten ist Konsequenz unseres offenen Herzens.
Im Fall meiner Tochter geh ich dann mal Windeln wechseln...