Das ist der Wunsch, der sich mit Urlaub
verbindet: einfach nur mal wegfahren und allein sein, seine Ruhe
haben und aus den Zwängen der Arbeit herauszukommen.
Jesus und seine Jünger versuchen
dasselbe im Evangelium
des heutigen Sonntags (Mk 6,30-34), als sie ein Boot besteigen und an einen
anderen Ort fahren.
Aber sie entkommen der Mühle nicht.
Denn irgendjemand kriegt raus, wo sie
sind, und schon kommen die Leute ihnen hinterher.
Auch das ist eine Erfahrung des Urlaubs
– wir werden den Alltag nicht so leicht los.
Und uns selbst noch viel weniger.
Zwei Assoziationen zum Text.
Zwei Assoziationen zum Text.
Überfahrt mit Blick auf das Herkommen. Fähre nach Hiddensee, 2018 |
1
Mir fällt in diesem Zusammenhang das
nette Büchlein über die "Einladung zu einer Kreuzfahrt"
von Bodo Kirchhoff ein, das im letzten Jahr erschien.1
Darin reflektiert das Autoren-Ich in Form einer Mail an die
Kulturbeauftragte einer Reederei über die positiven und negativen
Gründe, als lesender Schriftsteller und "Sprachlieferant"
an einer Kreuzfahrt teilzunehmen.
Neben den hohntriefenden Anmerkungen
über die absurden Bedingungen, die dem Autor gestellt werden – von
der nahegelegten zuvorkommenden Kontaktpflege mit den zahlenden
Gästen (wobei der Kontakt nicht intim werden darf!) bis zum Verbot,
entschieden moralische oder gar unmoralische Äußerungen zu machen
–, lässt sich der Angefragte auch über die mutmaßlichen
Reisenden aus.
Ihnen unterstellt er großspurige
Kleingeisterei, die sie durch die Fahrt über das Meer glauben,
verdecken zu können. Er sieht darin eine Verwechslung ihrer eigenen
Begrenztheit mit den Freiheitsgefühlen eines Urlaubs, weil sie, wie
er spöttisch orakelt, "die Weite des Himmels beim
Sonnenuntergang für die eigene halten."2
Sich selbst sieht er stattdessen als
freien Geist, der eine Art hilfreiche Unruhe an Bord herstellen
könnte. Denn, so seine Warnung, des Schriftstellers "Geist
ist gestört von innerem Chaos, vermag sich aber störungsfrei
auszudrücken; er ist ein Sprachmonster".3
Bei aller sprachfertigen Betonung der
Unterschiede: Zahlende Passagiere und eingeladener Schriftsteller
gleichen sich allerdings darin, dass sie sich selbst durch diese
Reise nicht entfliehen können.
2
Der Themenkomplex Flucht, Boot und der
Wunsch, anderswo mal ganz anders zu sein, bestimmen auch meinen
zweiten Gedanken zum Text des Sonntags – und dieser Gedanke ist
ganz kurz.
Es ist beschämend und empörend, wie
sich die EU seit dem 24. Juni in der Flüchtlingsfrage verhält.
Nachdem in Malta nun Lebensrettern der Prozess gemacht wird und die
Kriminalisierung freiwilliger ziviler Rettungsmissionen in vollem
Gang ist, hat sich die EU nun entschlossen, auf Druck Italiens (und
angesichts des unsolidarischen Verhaltens anderer EU-Staaten) die
eigene Rettungsmission "Sophia" auf den Prüfstand zu
stellen.
Die oftmals havarierten und
dehydrierten Flüchtlinge werden nun augenscheinlich weder auf offene
Aufnahmehäfen noch auf private oder staatliche Rettungsschiffe
hoffen dürfen. Man mag das als widersprüchlich empfinden, aber ich habe den Eindruck, dass es nur konsequenter Ausdruck der politischen Großwetterlage ist.
Keine Perspektiven auf einen Ausweg mehr: Unmenschlicher geht es wohl kaum!
3
Beide Assoziationen verdienen wohl kaum den Namen frohe Botschaft.
Auch in der Evangelienlesung versteckt diese sich erst im letzten Abschnitt, aber wenigstens dort. Da heißt es: "er hatte Mitleid mit ihnen" (v34).
Mitleid bedeutet dann wohl: Wir können uns von uns selbst loslösen und mit Ihm neue Fahrt ausnehmen. Und wir finden bei ihm einen offenen Hafen, eine Rettung nach langer Irrfahrt.
3
Beide Assoziationen verdienen wohl kaum den Namen frohe Botschaft.
Auch in der Evangelienlesung versteckt diese sich erst im letzten Abschnitt, aber wenigstens dort. Da heißt es: "er hatte Mitleid mit ihnen" (v34).
Mitleid bedeutet dann wohl: Wir können uns von uns selbst loslösen und mit Ihm neue Fahrt ausnehmen. Und wir finden bei ihm einen offenen Hafen, eine Rettung nach langer Irrfahrt.
1 B.
Kirchhoff, Betreff: Einladung zu einer Kreuzfahrt. Frankfurt a.M.
2017.
2 Ebd.,
30.
3 Ebd.,
46f.