Im Rahmen der Gedanken, die hier
unlängst über das Thema Ambiguität und Uneindeutigkeit abgelegt
wurden (und die unter dem Suchwort "Vereindeutigung" auf
dem Blog zu finden sind), ist mir dieser Tage bei der Vorbereitung
meiner polnischsprachigen Gruppe in der JVA noch ein Gedicht von Jan
Twardowski in die Hände gefallen.
Es heißt im Polnischen "Pewność
niepewności",
was korrekt übersetzt "Sicherheit der Unsicherheit"
bedeutet. Leider hat die sonst sehr elegant und gut formulierende
Übersetzerin Karin Wolff dies nicht eins zu eins übertragen – was
aber dem Inhalt des Gedichts selbst (und seiner Übertragung) keinen
Abbruch tut.
Rohre, irgendwohin. Tübke-Villa, Leipzig, 2018. |
Sicherheit – Unsicherheit1
Ich danke Dir dafür
daß Du das Unausgesprochene nicht
ausgesprochen
das Unvollendete nicht vollendet
das Unbewiesene nicht nachgewiesen
hast
Ich danke Dir dafür
daß Du Dir Deiner Unsicherheit
sicher warst
daß Du an die unmögliche
Möglichkeit geglaubt hast
daß Du in 'Religion' nicht weiter
wußtest
und Tränen Dir im Halse würgten
wie ein Pfirsichkern
dafür daß Du bist, der Du bist
und ohne zu reden
soviel mir von Gott erzählt hast
Ich lese hier:
Glaube im christlichen Sinne ist ein
Beziehungsgeschehen, gegründet auf den Menschen, durch die wir Gott
kennenlernen.
Diese Beziehung, sowohl jene zu den
Zeugen als auch jene zu Gott, setzt ein Wagnis voraus. Nichts ist
hier zu Ende gedacht, "nachgewiesen", vollends
"ausgesprochen" oder einfach klar.
Der
glaubwürdigste Zeuge des Glaubens an Gott ist darum einer,
der seine Unsicherheiten und Zweifel nicht überspielt. Dem die
Trauer den Hals zuschnürt trotz seiner Hoffnung, der nicht alle
Fragen beantworten kann und sich vor allem seiner "Unsicherheit
sicher" ist.
Gerade auf diese Weise muss er noch
nicht einmal viele Worte machen, sondern ist Zeuge des lebendigen
Gottes – durch seinen lebendigen, anfechtbaren und vorläufigen
Glauben.
Und Gott, der selbst als unfertiger Mensch zu uns Menschen kam, wird in einem solchen Akt des Vertrauens wohl auch am angemessensten verstanden.
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1 J.
Twardowski, Bóg prosi o miłość. Gott fleht um Liebe. Ausgewählt
und bearbeitet von Aleksandra Iwanowska. Krakau 2000, 141.