Donnerstag, 22. Februar 2018

Ehe als Hauskirche. Ökumenische Mahlgemeinschaft inklusive?!

Endlich einmal eine gute Nachricht! Zukünftig soll es in Einzelfällen möglich sein, dass ein gemischtkonfessionelles Ehepaar in Deutschland gemeinsam zur Eucharistie gehen kann. Dass die Deutsche Bischofskonferenz hierzu eine pastorale Orientierungshilfe entwickelt, ist an der Zeit und äußerst löblich.
Was Papst Franziskus den einzelnen Paaren aus verschiedenen Konfessionen schon 2015 bei seinem Besuch in der evangelischen Gemeinde in Rom gesagt hat, nämlich: "Sprecht mit dem Herrn und geht weiter. Ich wage und vermag nicht mehr zu sagen." findet nun endlich auch eine kirchenamtliche Wegleitung, die über das nur individuelle Entscheiden hinausgeht und damit allen in diesem Feld Handelnden eine größere Sicherheit geben kann.


Welches ist das entscheidende Lebensmittel?
Neukölln, Berlin, 2018.
Im heute veröffentlichten Pressetext heißt es, die zentrale Aussage dieses bald erscheinenden Dokuments sei, "dass alle, die in einer konfessionsverbindenden Ehe nach einer reiflichen Prüfung in einem geistlichen Gespräch mit dem Pfarrer oder einer mit der Seelsorge beauftragten Person zu dem Gewissensurteil gelangt sind, den Glauben der katholischen Kirche zu bejahen sowie eine 'schwere geistliche Notlage' beenden und die Sehnsucht nach der Eucharistie stillen zu wollen, zum Tisch des Herrn hinzutreten dürfen, um die Kommunion zu empfangen."

Das hört sich etwas verklausuliert an, meint aber lediglich, dass es (a) organisatorisch um Einzelfälle und bei diesen um gute Absprachen mit den örtlichen Geistlichen geht und dass (b) theologisch jemand, der ein Sakrament in der katholischen Kirche empfangen möchte, das Verständnis dieses Sakraments teilt. Schließlich tritt daneben (c) die existenzielle Ebene, die einerseits den Grund für diese Erlaubnis bildet ("schwere geistliche Notlage"!) und andererseits die Lösung, nämlich eine Entscheidung des individuellen Gewissens.

Die Bedeutung des Gewissens ist seit den Andeutungen zu wiederverheirateten Geschiedenen im Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Amoris Laetitia und den folgenden Diskussionen neu in den theologischen und seelsorglichen Fokus gerückt worden.

Mir geht es hier um einen anderen theologischen Schwerpunkt in Bezug auf die Ehe, der seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil immer wieder auftaucht, aber leider nicht hinreichend ökumenisch gewürdigt wird.
Ich meine den Begriff der "Hauskirche".

Eine christliche Familie sei, sagt das Konzil in der Kirchenkonstitution Lumen Gentium, "eine Art Hauskirche" (LG 11).1 Diese Aussage muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Die Familie (und darin meinetwegen noch die Ehe) ist die kleinste Zelle der Kirche!
Amoris Laetitia nimmt diesen Begriff und Gedanken auf, wenn es heißt, die sakramental verbundenen Brautleute "bauen durch eine eigene Gnade den Leib Christi auf, indem sie so etwas wie eine Hauskirche bilden". (AL 67)2
In einer Art historischer Herleitung wiederum wird darauf hingewiesen, dass die ersten Orte, an denen Christen sich trafen, um gemeinsam Eucharistie zu feiern, ebenfalls private Häuser und also die Lebensorte von Familien waren: "Der Lebensraum der Familie konnte sich in eine Hauskirche verwandeln, in einen Ort der Eucharistie, der Gegenwart Christi am selben Tisch." (AL 15) Aus Familien also wuchsen die Gemeinden, die ersten eucharistischen Mahltische waren die privaten Mahlorte von Familien.

Gemeinsam an einem Tisch?!
Hotelfrühstück mit Ausblick, Leipzig, 2018.
Die Deutschen Bischöfe haben schon in ihrer letztjährigen Kommentierung von Amoris Laetitia ganz in diesem Sinne festgehalten, dass die Familie "ein Stück gelebte Kirche [ist]. Darum spricht die Kirche von Ehe und Familie als von einer Kirche im Kleinen, einer 'Hauskirche'."3

Auf die ökumenische Frage angewendet, bedeutet das: wenn die Familie, in der Tisch und Bett und eine Menge Zeit und Liebe geteilt werden, eine "Kirche im Kleinen" bildet, kann doch gerade hier das Arbeiten an der Einheit der Kirche am besten gelebt werden.
Wo schon so viel geteilt wird und wo, das sei vorausgesetzt, auch miteinander gebetet wird, warum muss dort die Eucharistie, das Teilen schlechthin, ausgesetzt und verboten sein?

Um wieviel also mehr besteht der Skandal, "dass wir einerseits in Jesus Christus ein Leib sind und dass wir dennoch in getrennten Kirchen leben",4 wie es Kardinal Kasper für die Kirchen "im Großen" gesagt hat, eben in den Hauskirchen, den Familien. Wie stark wird oftmals die Not, nicht gemeinsam das stärkende und heilende Mahl Jesu emfangen zu können, gerade dort empfunden!

Und auch theologisch behutsamere (um nicht zu sagen traditionellere) Geister können sich mit der Denkfigur der eucharistischen Ekklesiologie klarmachen, dass die kirchliche Gemeinschaft als Audruck der eucharistischen Gemeinschaft ja gerade innerhalb dieser Hauskirche schon mehr gegeben ist als in vielen anderen Bereichen (vom Sonderfall Taizé vielleicht abgesehen). Die Berechtigung der gemeinsamen Teilnahme an der Eucharistie vor dem Hintergrund der schon gelebten Gemeinschaft innerhalb der familiären Hauskirche scheint mir jedenfalls sehr naheliegend.

Unter dem Primat des Begriffs der Hauskirchen betrachtet und eingedenk dessen, dass die Kirche selbst, wie Amoris Laetitia formuliert hat "eine Familie aus Familien [ist], die durch das Leben aller Hauskirchen ständig bereichert wird" (AL 87), kann sich die Bereicherung ja durchaus einmal darin zeigen, dass die Ökumene im Kleinen vorbildhaft wird für die große Ökumene.

Ein wichtiger Schritt also, aber nur ein erster!

Trächtige Pollen im Wasser.
Grünheide, 2016.



1   Der vollständige Kontext in LG 11 lautet wie folgt: "Die christlichen Gatten endlich bezeichnen das Geheimnis der Einheit und der fruchtbaren Liebe zwischen Christus und der Kirche und bekommen daran Anteil (vgl. Eph 5,32). Sie fördern sich kraft des Sakramentes der Ehe gegenseitig zur Heiligung durch das eheliche Leben sowie in der Annahme und Erziehung der Kinder und haben so in ihrem Lebensstand und in ihrer Ordnung ihre eigene Gabe im Gottesvolk (vgl. 1Kor 7,7). Aus diesem Ehebund nämlich geht die Familie hervor, in der die neuen Bürger der menschlichen Gesellschaft geboren werden, die durch die Gnade des Heiligen Geistes in der Taufe zu Söhnen Gottes gemacht werden, um dem Volke Gottes im Fluß der Zeiten Dauer zu verleihen. In solch einer Art Hauskirche sollen die Eltern durch Wort und Beispiel für ihre Kinder die ersten Glaubensboten sein und die einem jeden eigene Berufung fördern, die geistliche aber mit besonderer Sorgfalt."

2   Auch hier wieder der Kontext, der wiederum aus einem langen Zitat des Vorbereitungsdokumentes, der Relatio Synodii von 2014, besteht: "In der Menschwerdung nimmt er [Christus] die menschliche Liebe an, reinigt sie, bringt sie zur Vollendung und schenkt den Brautleuten mit seinem Geist die Fähigkeit, sie zu leben, indem er ihr ganzes Leben mit Glaube, Hoffnung und Liebe durchdringt. Auf diese Weise werden die Brautleute gleichsam geweiht und bauen durch eine eigene Gnade den Leib Christi auf, indem sie so etwas wie eine Hauskirche bilden (vgl. Lumen gentium 11). Daher schaut die Kirche, um ihr eigenes Geheimnis in Fülle zu verstehen, auf die christliche Familie, die es in unverfälschter Weise darlebt."

3   „Die Freude der Liebe, die in den Familien gelebt wird, ist auch die Freude der Kirche“ Einladung zu einer erneuerten Ehe- und Familienpastoral im Licht von AMORIS LAETITIA. Bonn 23.01.2017, 6. Zu finden unter: https://www.dbk-shop.de/media/files_public/tjqeqhlfl/DBK_11104.pdf.


4   W. Kasper, Sakrament der Einheit. Eucharistie und Kirche. Freiburg i.Br. 2004, 60.