Endlich einmal eine gute Nachricht!
Zukünftig soll es in Einzelfällen möglich sein, dass ein
gemischtkonfessionelles Ehepaar in Deutschland gemeinsam zur
Eucharistie gehen kann. Dass die Deutsche Bischofskonferenz hierzu
eine pastorale Orientierungshilfe entwickelt, ist an der Zeit und
äußerst löblich.
Was Papst Franziskus den einzelnen
Paaren aus verschiedenen Konfessionen schon 2015 bei seinem Besuch in
der evangelischen Gemeinde in Rom gesagt hat, nämlich: "Sprecht
mit dem Herrn und geht weiter. Ich wage und vermag nicht mehr zu
sagen." findet nun endlich auch eine kirchenamtliche
Wegleitung, die über das nur individuelle Entscheiden hinausgeht und
damit allen in diesem Feld Handelnden eine größere Sicherheit geben
kann.
Welches ist das entscheidende Lebensmittel? Neukölln, Berlin, 2018. |
Im heute veröffentlichten Pressetext
heißt es, die zentrale Aussage dieses bald erscheinenden Dokuments
sei, "dass alle, die in einer konfessionsverbindenden Ehe
nach einer reiflichen Prüfung in einem geistlichen Gespräch mit dem
Pfarrer oder einer mit der Seelsorge beauftragten Person zu dem
Gewissensurteil gelangt sind, den Glauben der katholischen Kirche zu
bejahen sowie eine 'schwere geistliche Notlage' beenden und die
Sehnsucht nach der Eucharistie stillen zu wollen, zum Tisch des Herrn
hinzutreten dürfen, um die Kommunion zu empfangen."
Das hört sich etwas verklausuliert an,
meint aber lediglich, dass es (a) organisatorisch um
Einzelfälle und bei diesen um gute Absprachen mit den örtlichen
Geistlichen geht und dass (b) theologisch jemand, der ein
Sakrament in der katholischen Kirche empfangen möchte, das
Verständnis dieses Sakraments teilt. Schließlich tritt daneben (c)
die existenzielle Ebene, die einerseits den Grund für diese
Erlaubnis bildet ("schwere geistliche Notlage"!) und
andererseits die Lösung, nämlich eine Entscheidung des
individuellen Gewissens.
Die Bedeutung des Gewissens ist seit
den Andeutungen zu wiederverheirateten Geschiedenen im Nachsynodalen
Apostolischen Schreiben Amoris Laetitia und den folgenden
Diskussionen neu in den theologischen und seelsorglichen Fokus
gerückt worden.
Mir geht es hier um einen anderen
theologischen Schwerpunkt in Bezug auf die Ehe, der seit dem Zweiten
Vatikanischen Konzil immer wieder auftaucht, aber leider nicht
hinreichend ökumenisch gewürdigt wird.
Ich meine den Begriff der "Hauskirche".
Eine christliche Familie sei, sagt das
Konzil in der Kirchenkonstitution Lumen Gentium, "eine
Art Hauskirche" (LG 11).1
Diese Aussage muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Die
Familie (und darin meinetwegen noch die Ehe) ist die kleinste Zelle
der Kirche!
Amoris Laetitia nimmt diesen Begriff
und Gedanken auf, wenn es heißt, die sakramental verbundenen
Brautleute "bauen durch eine eigene Gnade den Leib Christi
auf, indem sie so etwas wie eine Hauskirche bilden". (AL
67)2
In einer Art historischer Herleitung
wiederum wird darauf hingewiesen, dass die ersten Orte, an denen
Christen sich trafen, um gemeinsam Eucharistie zu feiern, ebenfalls
private Häuser und also die Lebensorte von Familien waren: "Der
Lebensraum der Familie konnte sich in eine Hauskirche verwandeln, in
einen Ort der Eucharistie, der Gegenwart Christi am selben Tisch."
(AL 15) Aus Familien also wuchsen die Gemeinden, die ersten
eucharistischen Mahltische waren die privaten Mahlorte von Familien.
Gemeinsam an einem Tisch?! Hotelfrühstück mit Ausblick, Leipzig, 2018. |
Die Deutschen Bischöfe haben schon in
ihrer letztjährigen Kommentierung von Amoris Laetitia ganz in diesem
Sinne festgehalten, dass die Familie "ein Stück gelebte
Kirche [ist]. Darum spricht die Kirche von Ehe und Familie als von
einer Kirche im Kleinen, einer 'Hauskirche'."3
Auf die ökumenische Frage angewendet,
bedeutet das: wenn die Familie, in der Tisch und Bett und eine Menge
Zeit und Liebe geteilt werden, eine "Kirche im Kleinen"
bildet, kann doch gerade hier das Arbeiten an der Einheit der Kirche
am besten gelebt werden.
Wo schon so viel geteilt wird und wo,
das sei vorausgesetzt, auch miteinander gebetet wird, warum muss dort
die Eucharistie, das Teilen schlechthin, ausgesetzt und verboten
sein?
Um wieviel also mehr besteht der
Skandal, "dass wir einerseits in Jesus Christus ein
Leib sind und dass wir dennoch in getrennten Kirchen leben",4
wie es Kardinal Kasper für die Kirchen "im Großen" gesagt
hat, eben in den Hauskirchen, den Familien. Wie stark wird oftmals
die Not, nicht gemeinsam das stärkende und heilende Mahl Jesu
emfangen zu können, gerade dort empfunden!
Und auch theologisch behutsamere (um
nicht zu sagen traditionellere) Geister können sich mit der
Denkfigur der eucharistischen Ekklesiologie klarmachen, dass die
kirchliche Gemeinschaft als Audruck der eucharistischen Gemeinschaft
ja gerade innerhalb dieser Hauskirche schon mehr gegeben ist als in
vielen anderen Bereichen (vom Sonderfall Taizé vielleicht
abgesehen). Die Berechtigung der gemeinsamen Teilnahme an der
Eucharistie vor dem Hintergrund der schon gelebten Gemeinschaft
innerhalb der familiären Hauskirche scheint mir jedenfalls sehr
naheliegend.
Unter dem Primat des Begriffs der
Hauskirchen betrachtet und eingedenk dessen, dass die Kirche selbst,
wie Amoris Laetitia formuliert hat "eine Familie aus
Familien [ist], die durch das Leben aller Hauskirchen ständig
bereichert wird" (AL 87), kann sich die Bereicherung ja
durchaus einmal darin zeigen, dass die Ökumene im Kleinen
vorbildhaft wird für die große Ökumene.
Ein wichtiger Schritt also, aber nur
ein erster!
Trächtige Pollen im Wasser. Grünheide, 2016. |
1 Der
vollständige Kontext in LG 11 lautet wie folgt: "Die
christlichen Gatten endlich bezeichnen das Geheimnis der Einheit und
der fruchtbaren Liebe zwischen Christus und der Kirche und bekommen
daran Anteil (vgl. Eph 5,32). Sie fördern sich kraft des
Sakramentes der Ehe gegenseitig zur Heiligung durch das eheliche
Leben sowie in der Annahme und Erziehung der Kinder und haben so in
ihrem Lebensstand und in ihrer Ordnung ihre eigene Gabe im
Gottesvolk (vgl. 1Kor 7,7). Aus diesem Ehebund nämlich geht die
Familie hervor, in der die neuen Bürger der menschlichen
Gesellschaft geboren werden, die durch die Gnade des Heiligen
Geistes in der Taufe zu Söhnen Gottes gemacht werden, um dem Volke
Gottes im Fluß der Zeiten Dauer zu verleihen. In solch einer Art
Hauskirche sollen die Eltern durch Wort und Beispiel für ihre
Kinder die ersten Glaubensboten sein und die einem jeden eigene
Berufung fördern, die geistliche aber mit besonderer Sorgfalt."
2 Auch
hier wieder der Kontext, der wiederum aus einem langen Zitat des
Vorbereitungsdokumentes, der Relatio Synodii von 2014, besteht: "In
der Menschwerdung nimmt er [Christus] die menschliche Liebe an,
reinigt sie, bringt sie zur Vollendung und schenkt den Brautleuten
mit seinem Geist die Fähigkeit, sie zu leben, indem er ihr ganzes
Leben mit Glaube, Hoffnung und Liebe durchdringt. Auf diese Weise
werden die Brautleute gleichsam geweiht und bauen durch eine eigene
Gnade den Leib Christi auf, indem sie so etwas wie eine Hauskirche
bilden (vgl. Lumen gentium 11). Daher schaut die Kirche, um ihr
eigenes Geheimnis in Fülle zu verstehen, auf die christliche
Familie, die es in unverfälschter Weise darlebt."
3 „Die
Freude der Liebe, die in den Familien gelebt wird, ist auch die
Freude der Kirche“ Einladung zu einer erneuerten Ehe- und
Familienpastoral im Licht von AMORIS LAETITIA. Bonn 23.01.2017, 6. Zu finden unter: https://www.dbk-shop.de/media/files_public/tjqeqhlfl/DBK_11104.pdf.