"Jeder, der eine Frau ansieht,
um sie zu begehren, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr
begangen.
Wenn dich dein rechtes Auge zum
Bösen verführt, dann reiß es aus und wirf es weg!
Denn es ist besser für dich, dass
eines deiner Glieder verloren geht, als dass dein ganzer Leib in die
Hölle geworfen wird." (Mt 5,28-29)
Eine Aussage, die es in sich hat!
Jesus, der sie in der Bergpredigt ausspricht, macht damit klar, dass
es nicht immer ganz furchtbare Dinge sein müssen, die uns von Gott
oder von einander entfernen. Manchmal reicht ein Blick.
Nur Himmel. Über Niedergrunstedt, 2017. |
Aber vielleicht fange ich noch ein
bißchen allgemeiner an. Ich für mich kann sagen: Manche Dinge muss
ich nicht sehen!
Derzeit gehe ich auf dem Weg ins
Gefängnis regelmäßig an einer Werbung für eine Art
Zirkus-Freakshow vorbei und es ekelt mich jedesmal, wenn ich diese
Werbung sehe. Aber zugleich bin ich auch nicht wirklich fähig, nicht
hinzusehen. Die Ekelbilder spielen ja gerade damit, dass ich
hinschaue, um angewidert wieder wegzusehen.
Auch wenn ich die Einrichtung mancher
Zellen mit den vielen Bildern mehr oder weniger schöner und mehr
oder weniger nackter Frauen sehe, denke ich manchmal: Das möchte ich
eigentlich nicht sehen, das muss ich eigentlich nicht sehen.
Aber ich schaue dann eben doch manchmal
hin.
Was hat es also auf sich mit diesen
Dingen, die ich sehen oder nicht sehen will?
Der Jesuit und Kollegsrektor Klaus
Mertes hat 2009 ein paar Gedanken zu diesem Thema aufgeschrieben. Er
berichtete vom Wirbel um die Internetseite "spickmich.de",
auf der Lehrer bewertet werden können und das beschäftigt ihn:
"Jetzt stand ich vor zwei Fragen. Erstens: Stehe auch ich
drin und wenn ja, wie werde ich dort bewertet? Zweitens: Soll ich im
Internet nachschauen, um das zu überprüfen? ganz im Hintergrund
regte sich dabei die Neugier: Es wird sich bei dieser Gelegenheit
nicht vermeiden lassen, mit halbem Auge zu sehen,welche anderen
Kollegen und Kolleginnen dort wie bewertet werden. Nach einigen
Überlegungen entschied ich: Ich werde mir dieses Portal erst gar
nicht ansehen."
Er benennt das mit dem alten Wort
"Keuschheit": "Völlige Enthaltsamkeit des
Hinsehens und auch des Hinhörens. Sie ist wie ein Schutzmantel für
meine Beziehung zu den Menschen, mit denen ich zusammenlebe. Ihr
geistlicher Feind ist die voyeuristische Neugierde. Dieser Drang nach
Sehen- und Mitredenwollen dringt von außen in Intimsphären ein und
verstört die Beteiligten in ihrem Blick aufeinander."1
Es geht also nicht so sehr darum, dass
"man" so etwas nicht tut oder dass es moralisch nicht
geboten ist, sondern in erster Linie darum, dass mir viele Dinge
einfach nicht gut tun.
Ich muss mich also entscheiden. Bei
nackten Frauen ebenso wie bei Ekelbildern, Horrorfilmen,
Gewaltdarstellungen, Bewertungen und und und.
Das Sehen und die Bilder prägen mich
zuinnerst. Das ist es, was Jesus meint, wenn er sagt, dass lüstern
zu schauen schon wie Ehebruch ist.
Das Sehen bleibt nicht außen. Es geht
tief in mich hinein und rührt an mein Innerstes.
Von Zeit zu Zeit ist das ja auch bis in
die Träume hinein zu spüren.
Darum ist diese Entscheidung so
wichtig:
Welche Bilder will ich überhaupt in mich hereinlassen?
Von
welchen Bildern will ich umgeben sein, auch ganz konkret in meinem
Haftraum?
Welche Bilder sollen mich und mein Denken prägen?
Ich lade dazu ein, am Abend eines Tages
einmal ein paar Minuten ohne Radio und ohne Telefon in größtmöglicher
Stille, so das möglich ist, die inneren Bilder des Tages hochkommen
zu lassen.
Was ich oft sehe und was ich hier gar nicht mehr sehe.
Was
mein Herz anrührt, wenn ich es sehe.
Und vielleicht kann es auch helfen, ein
paar Tage mal bestimmten Bildern aus dem Weg zu gehen. Oder den
Fernseher aus zu lassen. Auch gegen innere Widerstände.
Das kann mir helfen, den Geist
freizubekommen, was Gott mir für mein Leben zeigen möchte.
Und es wird, wie Klaus Mertes es nennt,
auch eine Art "Schutzmantel" für mich selbst sein.
1 K.
Mertes, Ganz und gar wegsehen. In: Jesuiten. 3/2009, 16f; hier: 16.