Das heutige Fest feiert die Erfüllung
einer Verheißung. Es ist die alttestamentliche Verheißung eines von
Gott gesandten Retters.
Symbolisch für diese Hoffnung stehen
Simeon und Hannah, die beiden Alten, denen die Eltern Jesu mit ihrem
Kind im Tempel begegnen.
In diesem Tempel, dem zentralen Kultort
der jüdischen Religiosität, finden die Alten und mit ihnen die von
alters her überlieferten Traditionen und Sehnsüchte einen neuen
Zielpunkt – in diesem Kind Jesus. Der Evangelist Lukas, dessen
Texte und Theologie dieses Fest prägen (Lk 2,22-40), zeigt, dass das
Alte an sein Ziel gekommen ist, indem es über die Maßen erfüllt
wird.
Als Christen leben wir nun eigentlich
in dieser Überfülle göttlicher Zuwendung, die uns in Jesu Leben,
Sterben und Auferstehen geschenkt wurde.
Aber unser Lebensgefühl ist eben
nicht, dass wir ständig aus der Überfülle Gottes leben würden. Es
besteht aus Trägheit, Schwäche, nervendem Alltag, manch kleiner
Freude und ein bisschen Glück.
Das Alte wartet. Ragower Mühle, Schlaubetal, 2017. |
Das liegt daran, dass Gottes
Heilsgeschichte sich trotz allem, was er uns in Taufe und Glauben
schenkt, in vielen Teilen als individuelle Lebensgeschichte
wiederholen muss.
Denn wir wachsen eben als Menschen mit
der Freiheit von Menschen auf und nicht als fremdgesteuerte
Pappfiguren, denen ihr Glück oder Unglück schon von anderswo
bereitet ist. Die in Jesus geschenkte Überfülle, "das Heil,
das Du vor allen Völkern bereitet hast" (v31), von dem
Simeon singt, braucht unser stetiges Wachsen und Offenwerden auf
Überfülle hin. Die Erfüllung fällt normalerweise nicht einfach so vom Himmel in uns hinein.
Das bedeutet: Auch wir müssen durch
das Alte und Verlebte hindurch, das allem Menschsein innewohnt, egal
wie alt wir jeweils konkret sind.
Darauf weist besonders die Lesung des
Propheten Maleachi hin, in der ständig von Feuer und Lauge, von
reinigen und läutern die Rede ist (Mal 3,1-4). Hier liegt der Akzent
auf der Aussage, dass sich Gottes Fülle in einen Menschen erst dann
hineingießen kann, wenn dieser Mensch auf Gottes Kommen tatsächlich
vorbereitet ist. Simeon und Hanna zeigen, dass diese Vorbereitung und
Achtsamkeit einige Lebenszeit in Anspruch nehmen kann.
(Und hier trifft sich der letzte
Ausläufer des Weihnachtsfestkreises wieder mit dem Advent.)
Das letzte Wort Simeons zu Maria zeigt
außerdem, dass selbst dann, wenn wir Gottes Liebe ganz an uns
herangelassen haben, so wie es Maria als Mutter Jesu tat, dass uns
selbst in diesem Moment der Erfüllung "ein Schwert durch die
Seele dringen" (v35) kann.
Denn einer, der sich an Jesus hält,
durch den viele "zu Fall kommen und viele aufgerichtet
werden" (v34), der bleibt in dieser Welt nicht
unwidersprochen. Die Nähe eines Gottes, der auf der Seite der
Leidenden ist, wird wohl nur selten ohne Leiden erfahrbar sein.
Wenn wir jedoch Achtsamkeit für Gottes
Wege gelernt haben, offen geworden sind für seine verwandelnde
Kraft, Gottes Nähe auch im Leid tastend erahnen konnten und mit
verwundetem Herzen unseren Weg gehen, dann können wir vielleicht von
Zeit zu Zeit mit Simeon jubeln über Licht und Herrlichkeit.
Licht und Herrlichkeit. Ostkreuz, Berlin, 2015. |