Donnerstag, 1. Februar 2018

Erfüllung mit langem Anlauf. Ein Gedanke zum Fest der "Darstellung des Herrn"

Das heutige Fest feiert die Erfüllung einer Verheißung. Es ist die alttestamentliche Verheißung eines von Gott gesandten Retters.
Symbolisch für diese Hoffnung stehen Simeon und Hannah, die beiden Alten, denen die Eltern Jesu mit ihrem Kind im Tempel begegnen.
In diesem Tempel, dem zentralen Kultort der jüdischen Religiosität, finden die Alten und mit ihnen die von alters her überlieferten Traditionen und Sehnsüchte einen neuen Zielpunkt – in diesem Kind Jesus. Der Evangelist Lukas, dessen Texte und Theologie dieses Fest prägen (Lk 2,22-40), zeigt, dass das Alte an sein Ziel gekommen ist, indem es über die Maßen erfüllt wird.

Als Christen leben wir nun eigentlich in dieser Überfülle göttlicher Zuwendung, die uns in Jesu Leben, Sterben und Auferstehen geschenkt wurde.
Aber unser Lebensgefühl ist eben nicht, dass wir ständig aus der Überfülle Gottes leben würden. Es besteht aus Trägheit, Schwäche, nervendem Alltag, manch kleiner Freude und ein bisschen Glück.

Das Alte wartet.
Ragower Mühle, Schlaubetal, 2017.
Das liegt daran, dass Gottes Heilsgeschichte sich trotz allem, was er uns in Taufe und Glauben schenkt, in vielen Teilen als individuelle Lebensgeschichte wiederholen muss.
Denn wir wachsen eben als Menschen mit der Freiheit von Menschen auf und nicht als fremdgesteuerte Pappfiguren, denen ihr Glück oder Unglück schon von anderswo bereitet ist. Die in Jesus geschenkte Überfülle, "das Heil, das Du vor allen Völkern bereitet hast" (v31), von dem Simeon singt, braucht unser stetiges Wachsen und Offenwerden auf Überfülle hin. Die Erfüllung fällt normalerweise nicht einfach so vom Himmel in uns hinein.

Das bedeutet: Auch wir müssen durch das Alte und Verlebte hindurch, das allem Menschsein innewohnt, egal wie alt wir jeweils konkret sind.
Darauf weist besonders die Lesung des Propheten Maleachi hin, in der ständig von Feuer und Lauge, von reinigen und läutern die Rede ist (Mal 3,1-4). Hier liegt der Akzent auf der Aussage, dass sich Gottes Fülle in einen Menschen erst dann hineingießen kann, wenn dieser Mensch auf Gottes Kommen tatsächlich vorbereitet ist. Simeon und Hanna zeigen, dass diese Vorbereitung und Achtsamkeit einige Lebenszeit in Anspruch nehmen kann.
(Und hier trifft sich der letzte Ausläufer des Weihnachtsfestkreises wieder mit dem Advent.)

Das letzte Wort Simeons zu Maria zeigt außerdem, dass selbst dann, wenn wir Gottes Liebe ganz an uns herangelassen haben, so wie es Maria als Mutter Jesu tat, dass uns selbst in diesem Moment der Erfüllung "ein Schwert durch die Seele dringen" (v35) kann.
Denn einer, der sich an Jesus hält, durch den viele "zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden" (v34), der bleibt in dieser Welt nicht unwidersprochen. Die Nähe eines Gottes, der auf der Seite der Leidenden ist, wird wohl nur selten ohne Leiden erfahrbar sein.

Wenn wir jedoch Achtsamkeit für Gottes Wege gelernt haben, offen geworden sind für seine verwandelnde Kraft, Gottes Nähe auch im Leid tastend erahnen konnten und mit verwundetem Herzen unseren Weg gehen, dann können wir vielleicht von Zeit zu Zeit mit Simeon jubeln über Licht und Herrlichkeit.

Licht und Herrlichkeit.
Ostkreuz, Berlin, 2015.