Mittwoch, 14. Mai 2014

Gott richtig verstehen - Unterscheidung der Geister nach Ignatius von Loyola

Wenn von der Stimme Gottes im Inneren eines Menschen die Rede ist, dann wird manchmal, wenn eine Hilfe beim Erkennen dieser Stimme gegeben werden soll, gesagt, dass wir sie daran erkennen, dass sie uns Frieden und Ruhe schenkt. Wer Frieden in sich hat, der spürt Gott.

Ich halte das für stark verkürzt und verzerrt.
Es hilft schon ein kurzer Blick in das Grundlagenwerk von Ignatius von Loyola, der ein Meister der Unterscheidung der Geister war und in seinen "Geistlichen Übungen" eine Reihe von Regeln festgeschrieben hat, "um einigermaßen die verschiedenen Regungen zu verspüren und zu erkennen, die in der Seele verursacht werden, die guten, um sie anzunehmen, und die bösen, um sie abzuweisen".1

Baumpilz, durchwachsen, Birkenwerder, 2014.
Um überhaupt einen Orientierungspunkt zur Ausrichtung zu haben, muss man wissen, wo man steht – das gilt auch im geistlichen Leben. Darum hat Ignatius an den Anfang seiner Ausführungen zwei Regeln gestellt, die sich damit beschäftigen.
Er beginnt mit den Menschen, die sich auf schlechten Wegen befinden, sich vielleicht sogar wohlfühlen dabei und "sinnliche Vergnügungen und Annehmlichkeiten" vor ihrem inneren Auge haben. Hier zeigt Gott sich laut Ignatius, indem er "ihnen durch die Urteilskraft der Vernunft die Gewissen sticht und beißt."2

Ein solcher Mensch wird sich wohlfühlen, wenn er seine gottabgewandten Vergnügungen genießt und demgegenüber Gott als kritischen Stich des inneren Anstandsorgans spüren.
Ignatius zeigt hier ein durchaus positives Bild vom Menschen - der Mensch ist fähig, durch die Gewissensvernunft zu spüren, dass er sich in die falsche Richtung bewegt.

Ob das Gewissen in jedem Fall so stark ist, mag bezweifelt werden. Gott jedenfalls wirkt für einen solchen, hier sehr schwarzgezeichneten Fall, eindeutig eher als Unfriede denn als Friede.
Jesu Umkehrruf dürfte einen ähnlichen Effekt beabsichtigt haben, auch wenn Menschen sich dafür nicht in schlimmsten Ausschweifungen befinden müssen – der Aufruf zur Überwindung der trägen Selbstbezogenheit als Öffnung zu Gott ist schon anstrengend genug. Der so genannte "reiche Jüngling" jedenfalls ging traurig weg, als er von den Anforderungen Gottes an sein Leben hörte (Mt 19,16-22).

Ähnlich ging es dem Propheten Jona – die Stimme Gottes reißt ihn aus seinem Alltag heraus und bringt ihn in Gefahr von den politischen Mächten für den göttlichen Bußruf verantwortlich gemacht zu werden. Gottes Stimme versetzt ihn in Unruhe, Jona versucht zu fliehen. Die weitere Geschichte ist bekannt. 
Himmel über Marzahn, Berlin, 2014.
Jesu Weg wiederum führt ihn in den Garten Gethsemane, wo er sich unter Bitten und Flehen dem Willen Gottes anheimstellt – und schließlich am Kreuz endet.

Unruhestifter, Aufrüttler, Gewissensbiss, Herausforderer – diese Züge gehören zur Stimme Gottes mindestens mit dazu.

Aber Gott schenkt natürlich auch Frieden. Wer, in Ignatius Worten, "vom Guten zum Besseren" geht, wird Gott erfahren, wie er "Mut und Kräfte, Tröstungen, Tränen, Eingebungen und Ruhe" schenkt.3
Gottes Friede zeigt sich ihm dann "mild, leicht und sanft wie ein Wassertropfen, der in einen Schwamm eintritt".4 Selbst ein Mensch, der sich in allen möglichen Verirrungen umhertreibt, kann eine andere Befriedung ersehnen, als sich ihm in Rausch und Gier ergeben kann. 

Deshalb schließlich erläutert Ignatius anschließend, was er unter göttlicher Tröstung versteht: "alle Zunahme an Hoffnung, Glaube und Liebe und alle innere Freudigkeit, die zu den himmlischen Dingen ruft und hinzieht und zum eigenen Heil seiner Seele, indem sie ihr Ruhe und Frieden in ihrem Schöpfer und Herrn gibt."5

Dann wäre nur noch hinzuhören.
 

1   Ignatius v. Loyola, Geistliche Übungen und erläuternde Texte. Leipzig 1978, No. 313.
2   Ebd., No. 314.
3   Ebd., No. 315.
4   Ebd., No. 335.
5   Ebd., No. 316.

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