Sonntag, 9. Januar 2022

„...während er betete, öffnete sich der Himmel…“ Taufe des Herrn als Hoffnungsbild

Jesus lässt sich taufen und wird von oben bestätigt. Als er betet, tut der Himmel sich auf, der Geist kommt herab, eine Stimme ertönt (Lk 3,15-16.21-22).

Wie oft wünschte ich mir eine solche Vergewisserung, während ich bete! Eine Stärkung im Glauben. Einen Kraftakt Gottes, der mir zeigt, wie es um mich steht, was er wirklich will und dass er an meiner Seite ist.
Aber so etwas gibt es selten oder gar nicht.
Wir normalen Christ*innen sind zwar auch getauft, aber die Bestätigung bleibt oftmals aus. Wenn wir beten, fühlt es sich oft an, als würden wir ins Leere sprechen. Was unser Gebet wirklich bringt – und ob es etwas bringt, bleibt unklar. Ich selbst fühle mich unwohl mit manchen vorgeprägten Formulierungen. Wenn ich selbst formuliere, bleibe ich hinter meinen Erwartungen zurück oder fühle gar nicht, was ich eigentlich meinte.


Ist da oben etwas?
Kirche Heilig Kreuz, Frankfurt (Oder), 2021.
Aber liegt es überhaupt an meinem Gebet, dass ich Gottes Nähe so wenig spüre? Ist der gehörte Bibelabschnitt nicht eine Bildgeschichte, die gar keinen Halt in der historischen Wirklichkeit hat?
Wenn wir die bibelwissenschaftlichen Kommentare anschauen, dann ist das wohl so. Niemand weiß genau, was bei der Taufe Jesu geschah – und dennoch hören wir z.B. von den Heiligen, dass sie solche Erlebnisse kennen und ein fruchtbares und bestätigendes Gebetsleben hatten.
 
Schauen wir beispielsweise auf Marcel Callo, einen jungen französischen Katholiken, der von den Nazis zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt wurde, wird deutlich, dass er sogar in Gefangenschaft ein Glaubenszeuge für andere war. So sehr, dass er 1987 selig gesprochen wurde.
Von ihm gibt es die Aussage vor seiner Ankunft im thüringischen Zella-Mehlis: „Ich gehe nicht als Arbeiter dorthin – ich fahre als Missionar. Glücklicherweise gibt es einen Freund, der mich nicht einen einzigen Augenblick verlässt und der versteht, mich in notvollen und niederdrückenden Stunden aufrecht zu halten. Mit IHM erträgt man alles. Wie dankbar bin ich Christus, dass er mir den Weg, auf dem ich mich gegenwärtig befinde, durch sein Beispiel vorgezeichnet hat!

Aber vielleicht kennen auch Sie solche oder ähnliche Erfahrungen im Gebet und ich laufe hier offene Türen ein?! Wenigstens den Zipfel einer Ahnung davon haben einige von uns wahrscheinlich schon.
Denn ich glaube, jede und jeder von uns kennt durchaus Situationen, die wir gar nicht unbedingt mit Gott und seiner Nähe in Verbindung bringen, die aber Zeichen seiner Bestätigung und Stärkung sein können, wenn wir sie nur richtig anschauen.

Wenn du dich nach langer Entscheidungsphase für ein Studienfach entschieden hast und nun merkst, dass es dich wirklich erfüllt und interessiert – dann kann es sein, dass Gott dich wirklich leitete (selbst wenn du ihn nicht explizit um Rat gefragt hast).
Wenn dir wenigstens ab und zu das Herz aufgeht beim Anblick deines Partners oder deiner Partnerin (oder auch deines Kindes) – dann kann es sein, dass Gott euch begleitet, selbst wenn es manchmal wirklich nicht einfach ist.
Wenn eine Ungerechtigkeit bei der Arbeit oder auf der Straße, die dich gar nicht selbst betrifft, dir wirklich nahegeht und dich eine Weile beschäftigt – dann kann es sein, dass Gott dir auf diese Weise ins Herz spricht und dich zu einer Zeugin, einem Zeugin seiner Gerechtigkeit machen will.
Wenn du dich um die Gesundheit deiner Nächsten sorgst und aus Rücksicht auf sie auch dann eine Maske trägst, wenn alle ringsum das für sinnlos halten – dann kann es sein, dass die göttliche Liebe zu jedem Geschöpf in dir brennt, auch wenn du das gar nicht so nennen würdest.

Taufstelle?
Oder bei Frankfurt (Oder), 2021.
Vielleicht sind das banale Beispiele. Und tatsächlich muss es auch nicht so sein.
Aber ich glaube, dass Gott sehr unterschiedliche Wege sucht, um uns zu stärken und zu bestätigen.
Bei manchen tut er dies vielleicht bei der Bibellektüre, bei anderen im Gesang. Und wieder bei anderen, wenn sie ihrem Herzen zuhören.

Der heilige Ignatius, dem ich sehr nahestehe, hat das „Unterscheidung der Geister“ genannt.
Dazu gehört, dass wir in uns selbst hineinhören und unsere eigenen Regungen, d.h. unsere Wünsche und Sehnsüchte, unsere Begabungen, unsere Ängste, aber auch unser Angesprochensein von den Dingen, die wir in der Welt (etwa beim Blick in die Nachrichten) vorfinden, wahrnehmen. Durch eine Sehnsucht kann Gott zu uns sprechen, genauso wie durch die Talente, die wir haben oder durch unsere Wahrnehmung der Nöte Anderer.

Ich wünsche euch, dass ihr solche bestärkenden Erfahrungen machen könnt. Und dass ihr aufmerksam werdet für die Hinweise, die Gott euch in eurem Alltag geben möchte, auch wenn sich nicht der Himmel über euch öffnet.
 

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