Vor genau zehn Jahren habe ich ein Auto beladen und bin mit meinen Sachen von St. Georgen in Frankfurt am Main nach Berlin gefahren.
Wegen einer Möbelspende, die abzuholen, und einem Mitfahrer, der abzuliefern war, führte der Weg über Bremen und Hamburg, was eine gewaltige Fahrt von knapp 900 km bedeutete.
Aber das war dann auch noch irgendwie zu schaffen. Nachdem ich so viel geschafft hatte.
Mich von so vielen Menschen, von so vielen möglichen Lebensperspektiven verabschiedet hatte und aus dem Jesuitenorden ausgetreten bin.
Am 01. Februar 2012 habe ich noch einmal neu angefangen.
Blick auf St. Georgen Ende Januar 2012. |
Die Frage von Ehelosigkeit und der mit fehlenden Partnerschaft machte mir schon an meiner vorherigen Station in Berlin am meisten zu schaffen, so dass ich bereits mit einem kleinen Vorbehalt ein halbes Jahr zuvor nach Frankfurt kam. Doch ich wollte ernsthaft ausloten, ob ein Abbruch und Neuaufbruch sein sollte. Und dabei Geschichte studieren.
Aber anstatt viel zu studieren, habe ich viel in mich hinein gehorcht, habe Gott befragt, habe mit Freunden und (einigen) Mitbrüdern gesprochen, habe geschrieben und gelesen, gelauscht und gerufen.
Ich habe auch körperlich gespürt, dass es in mir rumorte. Wegen Herzrasen war ich einige Male beim Arzt und bekam u.a. eine 24-Stunden-Blutdruckmessung. Als meine Entscheidung zum Austritt dann irgendwann gefallen war, verflogen diese Beschwerden sehr schnell wieder. Ein Glück! Und ein Zeichen, wie mir mein Körper in Krisenzeiten signalisiert, dass etwas nicht stimmt.
Auch mein RMV-Ticket als Student der Goethe-Universität habe ich noch gut genutzt: mal allein, mal mit einem Mitbruder bin ich noch nach Darmstadt, Aschaffenburg, Hanau, Limburg, Wiesbaden, Marburg, Seligenstadt, Mainz und Offenbach gefahren und konnte mir wenigstens einen kleinen Eindruck von der eindrucksvollen Kulturlandschaft in Deutschlands Mitte verschaffen.
Natürlich musste viel organisiert werden (woran ich mich nur sehr dunkel erinnere): ein Smartphone, ein Konto, eine Bleibe in Berlin, der Umzugswagen und eine basale Ausstattung zum Leben. Am meisten ist mir das Smartphone mit der Kamera in Erinnerung geblieben.
Schließlich viele Abschiede: Wenn ich in meinen Kalender schaue, sehe ich Abschiede vom Chor der KHG, von einem privaten Bibelkreis, von einer Gruppe Priesterkandidaten, die ich als junger Jesuit anleiten sollte, von einzelnen Mitbrüdern, von meinem geistlichen Begleiter und schließlich von der Hausgemeinschaft der Mitbrüder, mit denen ich ein halbes Jahr zusammengelebt hatte.
Am 01. Februar habe ich schließlich meinen Schlüssel und meine Kreditkarte abgegeben, habe den gerade eingetroffenen Bescheid aus Rom bekommen, dass meiner Bitte um Entlassung aus dem Orden entsprochen worden ist, und bin losgefahren.
Was ich konkret mit meinem Leben anfangen wollte, wusste ich noch nicht. Außer, dass es zunächst nach Berlin gehen sollte.
Darum sagt mir das folgende Gebet von Thomas Merton sehr viel, mit dem ich schließe:
„Herr, mein Gott,
ich habe keine Ahnung, wohin ich gehe.
Ich sehe den Weg vor mir nicht.
Ich kann es nicht sicher wissen, wohin er geht.
Ich kenne auch mich selbst nicht wirklich,
und die Tatsache, dass ich meine, deinen Willen zu tun,
bedeutet nicht, dass ich ihn auch wirklich tue.
Aber ich glaube, dass bereits der Wunsch, dir zu gefallen, dir gefällt.
Und ich hoffe, dass ich in allem, was ich tue, diesen Wunsch habe.
Und ich weiß, wenn ich das tue, wirst du mich auf dem richtigen Weg führen,
obwohl ich ihn nicht kenne.
Darum werde ich dir immer vertrauen,
auch wenn es scheint, dass ich verloren bin und im Tal des Todes stecke.
Ich werde mich nicht fürchten, denn du bist immer bei mir,
und du wirst mich mit meinen Problemen nie allein lassen.“
Amen
Blick von drinnen nach draußen. Frankfurt a.M., 2011. |
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