Sonntag, 21. Juli 2019

Klare Ansage gefällig? Der 20. Juli und die Küchenarbeit

Welche Anmaßung in diesen Worten steckt!
Da kommt der Star aus Nazareth als Gast zu Maria und Marta, lässt sich bekochen und macht dann die Fleißigere der beiden Frauen runter, als sie ihre Schwester in der Küche braucht.
Jesus sagt den Frauen, was nach seiner Meinung die bessere Wahl ist, was wirklich zählt – ihm zuhören, anstatt in der Küche zu stehen.

Heute höre ich das mit einem gendersensiblen Ohr und ärgere mich über etwas diesen so selbstverständlich eingreifenden und sortierenden Mann, der den Frauen sagt, was dran ist.
Und es tauchen Fragen in mir auf: Gibt es nicht immer mehrere Perspektiven, die zu ihrem Recht kommen müssen? Sollten wir nicht allen Seiten Gerechtigkeit widerfahren lassen? Leben wir nicht in einer moralisch viel unübersichtlicheren Welt als damals?

Küchenkram nachgeordnet...
Grünheide, 2019.
Ist es also, kurz gefragt, so klar und einfach, wie Jesus es sich macht? Immerhin sagt er im Sonntagsevangelium (Lk 10,-38-42): "nur eines ist notwendig. Maria hat den guten Teil gewählt, der wird ihr nicht genommen werden."(v42)
Gerade angesichts der aktuellen politischen Polarisierungen und des zunehmenden Hate Speech in sozialen Medien müsste er doch mehr einigen und befrieden als die Unterschiede noch anzuschärfen.

Beispiel 1: Natürlich können wir die Klimasünder im boomenden China geißeln und im Unverständnis des amerikanischen Präsidenten für die Klimakatastrophe die Schuld für die sich beschleunigende Vernichtung unserer Welt sehen.
Aber wir wissen natürlich zugleich, dass wir auch unsere eigene Lebensweise in Frage stellen müssen. Dass nicht eine kleine Gruppe oder eine Nation hier Schuld hat.
Wir leben in den wohlhabenden Ländern weniger über unsere eigenen Verhältnisse als über die der anderen und lagern diese Kosten von jeher ökonomisch wie politisch aus", schreibt Andrea Böhm am 11. Juli in der ZEIT. Die Lage ist also moralisch anspruchsvoller und anstrengender als wir es gern hätten, wenn wir mit dem Finger auf die Braunkohleverteidiger und Vielflieger zeigen. Nicht die da oder wir hier – sondern wohl differenziert muss in dieser Frage gedacht werden.

Beispiel 2: Wenn ich in meinen Blog schaue, dann erkenne ich diese Tendenz ebenfalls bei mir: Anstatt eine Seite bis ins Extrem zuzuspitzen, möchte ich in der Regel auch die Gegenseite differenziert darstellen (oder mindestens benennen). Denn um das Ganze zu sehen, reicht nicht der Blick vom eigenen Sofa, sondern die innere Grenzüberschreitung wäre nötig, die auch der Gegenseite ihr Recht zugesteht. Dadurch ergibt sich weniger Anstoß und Reibung (aber unter Umständen mehr Langeweile).

Darum sei (auch hier) das Gegenüber benannt: Selbstverständlich gibt es Situationen, in denen eine klare Ansage nötig ist. Und selbstverständlich wird es immer Menschen geben, die das als anmaßend oder grundfalsch ansehen.

Beispiel 1: Wer der Attentäter des 20. Juli gedenkt, hat meistens klare Vorstellungen von den Fronten: Da ist auf der einen Seite der Tyrann Adolf Hitler, der von den ehrbaren Widerständlern auf der anderen Seite umgebracht werden soll.
Klare Sache, sollte man meinen. Die aktuelle Stauffenberg-Biographie von Thomas Karlauf versucht zwar, den Mythos des Widerständlers aus Gewissensgründen zu dekonstruieren.
Entscheidend für die hiesige Frage ist aber, dass trotz der vielen sehr intensiv geführten Diskussionen über die Zulässigkeit des Tyrannenmords für die Verschwörer am Ende klar war, dass die Ermordung Hitlers richtig ist. Diskussionen oder Mittelwege waren für diese Gruppe des Widerstands nicht mehr denkbar. Sie waren überzeugt, dass das "eine Notwendige" in diesem Fall war, dass der Anführer der Verbrecher getötet werden musste.

Beispiel 2: Für Jesus war die Szene im Esszimmer augenscheinlich so eine entscheidende Situation. Er fordert das Selbstverständnis der fleißigen Marta heraus, indem er die hörende Maria lobt. Denn für ihn ist klar, was in diesem Moment dran ist. Sein eigenes Selbstverständnis, als Stimme Gottes in dieser Welt zu sprechen, gibt ihm den beherzten Mut dazu. Da ist kein Abwägen nötig und kein Zögern vor ethischer Mühe oder allgemeiner Unübersichtlichkeit.
Kurz: Jesus geht es nicht um die Abwertung des Tuns, sondern darum, dass Gott und das Hören auf sein Wort die Priorität haben.

Das wäre mal eine Eindeutigkeit, der ich mich, allen berechtigten oder nicht berechtigten Einwürfen zum Trotz, anschließen möchte.

Klare Ansage. Oder?
Neukölln, Berlin, 2019.