Panzer rollen auf den Straßen.
Bewaffnete Uniformträger patrouillieren. In der Türkei standen sich
heute Nacht putschende Militärs und erdogantreue Zivilisten im
Ringen um die Vorherrschaft im Land gegenüber.
Unfassbar eigentlich in einem Staat,
der die EU-Mitgliedschaft jedenfalls pro forma noch anstrebt. Und was
Nachrichtensendungen immer wieder konstatieren, ist eine von
Kurdenkrieg und Autoritarismus gespaltene Gesellschaft.
Eine solche Tendenz zur Spaltung zeigt
sich unter verschiedenen Voraussetzungen dieser Tage ja allerorten:
Österreich und seine Präsidentenwahl, Großbritannien und sein
Brexit-Votum, die EU und ihre Flüchtlingspolitik, der Islamistische
Terror gegen alle, die USA und ihre Rassenfrage, Polen und Ungarn und
ihr nationalistischer Rollback, und nicht zuletzt Deutschland mit
Pegida und AfD ...
Oder was? Collage, 2015. |
Hier wie da zeigen sich ähnliche
Phänomene – emotionale Polarisierung, die ganze Nationen spaltet,
Menschen gegeneinander aufbringt und Hass in den Köpfen sät.
Es scheint, als sei die konsensbereite
Vernunft besiegt vom gewaltbereiten Auseinanderreißen.
Und was sagt Jesus dazu?
Entgegen dem liebevollen Bild, das oft
von ihm gezeichnet wird, haut Jesus im heutigen Evangelium
augenscheinlich in dieselbe Kerbe. Als seine Gastgeberin Marta sich
beschwert, dass ihre Schwester Maria nicht in der Küche hilft,
sondern Jesus zuhört, entgegnet er ihr:
"Marta, Marta, du machst dir
viele Sorgen und Mühen. Aber nur eines ist notwendig. Maria hat das
Bessere gewählt, das soll ihr nicht genommen werden." (Lk
10,41f)
Anstatt also zu schlichten oder als
feministisch bewegter Mann selbst mit anzupacken, schürt Jesus den
Konflikt. Es muss ihm wohl sehr ernst sein damit, denn seine
bekanntermaßen harten Aussagen, dass er Schwert und nicht Frieden
bringen wolle (vgl. Mt 10,34), dass man Eltern und Familie "hassen"
müsse (Lk 14,26 in der Übersetzung Fridolin Stiers), stehen immer
im Kontext der Gottesfrage und der alles andere hintanstellenden
Nachfolge.
Doch bei der Hausarbeit?
Da scheint etwas Tieferes zu liegen als
nur der Konflikt zwischen Küche und Hören.
In seiner wohl berühmtesten Predigt
kommentiert Meister Eckhart diese Perikope gewohnt souverän und
eigenständig, wobei er die üblichen Deutungen vom Vorrang der
hörenden Maria konterkariert.1
Davon absehend will ich hier nur auf Eckharts Antwort auf die Frage nach dem Einen
eingehen, das Jesus meint, wenn er von dem "notwendigen"
spricht:
"Was ist dieses Eine?
Es ist Gott. Dies
(Eine) tut allen Kreaturen not; denn zöge Gott das Seine an sich,
alle Kreaturen würden zu nichts. Entzöge Gott der Seele Christi das
Seine, wo ihr Geist mit der ewigen Person vereint ist, so bliebe
Christus bloße Kreatur. Darum bedarf man jenes Einen sehr wohl."2
Die große Einheit hinter und in allem,
also Gott, verleiht allem das Sein und verbindet es mit sich.
Doch gerade um der Ernsthaftigkeit
dieses Einen willen muss unterschieden werden, was nicht das Eine
ist. Von allem, was wegführt vom ethischen und philosophischen
Universalismus, ist Abgrenzung gefordert. Genau diese setzt Jesus und
bindet so die scheinbar unverfängliche Frage nach Hilfe in der Küche
zurück an die Entscheidung zwischen der Zerstreutheit in die vielen
Alltäglichkeiten und die innere Einheit im Hören auf Gott. Das ist nicht gleichbedeutend mit der üblichen Interpretation der Geschichte, die besagt, dass es besser sei, auf Jesus zu hören (vita contemplativa) als noch so Gutes zu tun (vita activa) - etwas derartiges sagt Jesus ja auch nicht.
Trotzdem gilt: Gott, der das wahrhaft Eine ist, begegnet nur in der
Abwendung vom Vielen – darum setzt Jesus diesen Schnitt.
Das bedeutet zwar
keine Spaltung, wohl aber eine gut verstandene Abgrenzung von allem,
das nicht in die Einheit führt und eine Hinwendung zu Gott selbst.
Das ist der entscheidende Unterschied
zu allen Spaltpilzen in Gesellschaft und Politik – eine Hinkehr zu
Gott ist dort wohl am seltensten zu finden. Schon gar nicht in
militärischer Gewalt.
Stapelweise. S-Bahnhof Messe Nord / ICC, 2015. |