Ich bin der Meinung, dass die Menschen
sich durch die Jahrtausende ziemlich gleich geblieben sind. Es mag
hier und da etwas mehr Reflektiertheit und breitere Bildung geben und
sogar etwas mehr Zivilisiertheit, aber wenn die Zeiten prekär
werden, bleibt sich im Grunde vieles gleich.
Was wir an Hass und Wut im Netz und (nach dem Verfassungsschutzbericht des letzten Jahres) auch in der nichtvirtuellen Realität vor allem an den politischen Rändern wahrnehmen können, war doch nie wirklich verschwunden. Vielleicht wurden Ressentiment und Verachtung Anderer von Wohlstand und Behaglichkeit leidlich zugedeckt, aber doch nicht einfach fort.
Es sprießt. Pilze in Rixdorf, Berlin, 2016. |
Mit Sicherheit hat sich der Hass
weitgehend säkularisiert - denn was in der Geschichte innerhalb des
kirchlichen Rahmens an Gewalt potenziell und wirklich begegnete, das
findet sich heute, jedenfalls im säkularen Abendland, meist
außerhalb von Religion und Kirche wieder.
Aggressive Energien und sie legitimierende Reinheitsphantasien, die früher Ketzer und Juden, als Hexen verfolgte Frauen, uneheliche Kinder und sonstige kirchlich Ausgestoßene getroffen hatten, richten sich heute rechts wie links gegen das staatliche Gewaltmonopol und (vornehmlich von rechts außen) gegen jene, die der Staat als Minderheiten schützt. Sei es nun als neu grassierender Rassismus oder als Nationalismus oder als Anarchismus – Pseudo-Gründe um zu hassen findet sich der Hass immer genug.
Denn wo staatliche Instanzen früher Hass im Sinne der herrschenden Volksreligion eher schürten, da bricht sich heutiger Hass, durch gefühlte antidemokratische Mehrheiten aus dem Internet befeuert, jenseits der Institutionen Bahn.
Wenn aber das Christentum als eine ursprünglich tragende Bastion des Abendlands seine (eben auch vorhandenen) Zivilisierungspotenziale im säkularen Umfeld nicht mehr entfalten kann, dann gibt es in Zeiten akuter sozialer Defragmentierung kaum noch gesellschaftlich relevante Größen, die gegen den Hass stehen könnten.
Zugleich ist das Christentum durch die
nach innen gerichtete Konzentration auf den menschenfreundlichen
Gehalt der eigenen Botschaft eine im schlechten Sinn auf Sanftheit
beschränkte Wohlfühloase geworden, in der negative Energien nicht
mehr willkommen sind und die darum das Hasspotenzial nicht mehr
einhegen kann.
Der aber bricht sich dann draußen seine
Bahnen.
Ob ihr heutiges tendenzielles Draußensein aber nun besser ist, oder ob die
Kirchen die Verkündigung des eifernden Gottes stärker betonen
sollten, der dann auch wieder (über)eifernde Gläubige anzieht, die
eventuell im Namen ihres Glaubens dann das Gleiche tun wie derzeit
glaubensferne Randalierer und Hetzer, mag dahingestellt sein.
Brutalos wird es immer geben, seien sie
innerhalb oder außerhalb der Kirchen.
Eine solche Verantwortung anzunehmen
und die damit einhergehende Schuld zu tragen jedenfalls würde Kirche
zwar nicht im Sinne des heutigen pazifistischen Zeitgeistes
rechtfertigen, stünde aber durchaus in einer Linie mit einer
traditionell vertretenen Theologie stellvertretender Sühne.
Ein riskanter Gedanke.
Viel kaputt. Bauschutt, Rixdorf, Berlin, 2016. |