Ohne kirchlichen
Auftrag und ohne zertifizierte Kenntnisse hatte Ignatius auf seinen
Reisen begonnen, geistig Suchenden die später als Exerzitien berühmt
gewordenen geistlichen Übungen zu geben. Deshalb war er ins Visier
der Inquisition geraten. Mehrfach war er inhaftiert, mehrfach wurden
er und seine „Lehre" überprüft und kein einziges Mal fand man
Gründe zur Beanstandung. Außer eben: zu wenig Anbindung an die
institutionelle Kirche.
In den
vorreformatorischen Jahrzehnten hungerten die Gläubigen nach einem
glaubwürdigen Mittler des Glaubens – doch Ignatius, der aus seiner
eigenen
Biographie heraus Glaubwürdigkeit verkörperte, war in den Augen
der Verantwortlichen zu wenig kirchlich integriert.
Angesichts dessen finde ich es spannend, dass derselbe Ignatius der Druckfassung seiner Geistlichen Übungen einige Regeln zum Spüren mit der Kirche folgen lässt (GÜ 352-370).
Angesichts dessen finde ich es spannend, dass derselbe Ignatius der Druckfassung seiner Geistlichen Übungen einige Regeln zum Spüren mit der Kirche folgen lässt (GÜ 352-370).
Mehr Licht als Schatten. Friedrichshagen, 2016. |
Zum einen mag man das als eine
Form von Selbstschutz sehen: nach den anstrengenden Erfahrungen mit
der kirchlichen Obrigkeit soll es nun keine Angriffsfläche mehr
geben. Oder mehr ganzheitlich-spirituell: Während der Grundton der
Exerzitien die individuelle Beziehung zu Gott ist, wird dieser
Grundton nun um das Gespür mit der Glaubensgemeinschaft ergänzt.
Denn Ignatius stellt einer
Kirche in der Krise, in der es eine Unzahl an Baustellen,
kritikwürdigen Abgründen und schwärenden Wunden gibt, etwas
Positives entgegen.
Konkret geht es im Exerzitienbuch (das für geistliche Begleiter geschrieben wurde!) vor allem darum, dass auf dem spirituellen Weg mit Gott eben dieser Weg im Vordergrund steht und nicht der Ärger über die Institution Kirche und ihre immer vorhandenen Schattenseiten.
Konkret geht es im Exerzitienbuch (das für geistliche Begleiter geschrieben wurde!) vor allem darum, dass auf dem spirituellen Weg mit Gott eben dieser Weg im Vordergrund steht und nicht der Ärger über die Institution Kirche und ihre immer vorhandenen Schattenseiten.
Darum will Ignatius, dass
der Begleiter lobt: "Das Beichten bei einem Priester"
und "den Empfang des heiligsten Sakraments" (GU
354), das 'häufige Hören der Messe", ebenso "Gesänge,
Psalmen und lange Gebete" (GÜ 355). Ferner "Orden,
Jungfräulichkeit und Enthaltsamkeit sehr loben und nicht so sehr wie
eines von ihnen die Ehe." (356) Und so geht es weiter mit
Ordensgelübden, Reliquien, Fasten, Wallfahrten, Ablässen (357-359),
"Schmuck und Gebäude von Kirchen" (360) und
"überhaupt alle Gebote der Kirche" (361).
Das klingt in meinen Ohren
erst einmal naiv und wenig anstrengungsbereit. Es scheint die Angst
vor der Inquisition daraus zu sprechen. Muss man aber nicht viel
kritischer schauen und differenzieren zwischen dem, was nützt und
dem, was geistlich nicht weiterträgt?
Und überhaupt: Ein Freigeist wie Ignatius bindet sich an die Kirche!? Wie glaubwürdig ist das nun?
Und überhaupt: Ein Freigeist wie Ignatius bindet sich an die Kirche!? Wie glaubwürdig ist das nun?
Tatsächlich hat
Ignatius in späteren Jahren eine Reihe von Kämpfen mit kirchlichen
Würdenträgern ausgetragen, in denen er gar nicht zaghaft oder
ängstlich vorging. Beispielsweise versuchte er auf vielen
verschiedenen Kanälen und mit einer großen Zahl an Briefen Einfluss
auf Personalentscheidungen zu nehmen, damit seine besten Leute nicht
plötzlich von Rom auf Bischofsstühle befördert würden und damit
der Arbeit des Ordens nicht mehr zur Verfügung stünden.
Duckmäusertum war also
kein Beweggrund und ideologische Verbohrtheit wohl auch nicht.
Warum soll also hier nur
Lob ausgesprochen werden?
Ich glaube, Ignatius
wollte all der Dunkelheit, die er in der Kirche sicher wahrnahm,
etwas Helles entgegensetzen. Auf die Anhäufung von Reichtümern,
Betrügereien, Machtmissbrauch, Gier, geistliche Schwindsucht und all
die anderen Probleme der Kirche seiner Zeit reagierte er nicht mit
Angriff oder Verurteilung, sondern mit etwas Positivem.
Darum wird alles gelobt,
was den Suchenden helfen kann, in der Kirche näher zu Gott zu
finden. Und indem das Auge des Übenden und des Begleiters auf das
Gute gerichtet wird, entstehen nicht negative, sondern gute Gefühle
im Herzen.
Kirche kann dann
wahrgenommen werden als „Braut Christi" (353) und nicht
als der Verein von Egoisten, der sie auch manchmal ist.
Denn auf einem geistlichen
Weg hilft nicht der Kampf gegen aufgeblasene Strukturen und die
Kritik an unfähigen Amtsträgern, sondern das Mitgehen mit der
Braut, das Loben ihrer Schönheit und die Freude an den Gaben, die
sie bereitstellt.
Auch wenn es (mir
jedenfalls) oft genug schwer fällt, wenn ich die Kirche in der Krise
sehe.
Reines Weiß mit wenigen Zweigen. Gropiusstadt, Berlin, 2018. |