Wenn Jesus im
Evangelium
des heutigen ersten Fastensonntags auf die Probe gestellt wird, dann
frage ich mich, was diese Versuchungen für mich bedeuten.
(Leider
gab es traditionell keine Auslegung dieses Textes durch den
Gemeindepfarrer – aber dafür den in diesem Jahr äußerst hörens-
und lesenswerten Fastenhirtenbrief
von Erzbischof Koch. Ich kann ihn an dieser Stelle nur empfehlen und
betonen, wer ihn liest und bisweilen auch in diesen Blog
hineinschaut, kann dort viele Gedanken entdecken, die hier auch
auftauchen: Ambivalenzen aushalten, Vielfalt würdigen, Aufmerksam
durch den Alltag gehen...)
Besonders wenn ich selbst
einen Gottesdienst gestalte, gibt es eine Reihe von Versuchungen,
denen ich standzuhalten habe.
"Befiehl
diesem Stein, zu Brot zu werden" (Lk 4,3),
beginnt der Teufel bei Jesus.
Auch meine Versuchung ist
oft genug, zu glauben, dass ich durch meine eigenen Kräfte und
Möglichkeiten die Gottesdienstbesucher satt machen könnte.
Mehr als hohle Luft im Baum? Neukölln, Berlin, 2019. |
Wenn ich nur genug Zeit in
die Vorbereitung der Predigt investiere, wenn ich nur innig genug
bete und zu Herzen gehende Worte finde, wenn sie wenigstens einmal
gelacht haben und wenn ab und zu, meist bei einem Lied, auch einmal
eine Träne fließt... – dann wird doch sicher meine
Kunstfertigkeit an ihr Ziel gekommen sein und die Männer werden
frömmer und geistlich bestärkt oder emotional aufgerüttelt in ihre
Zellen und ihren Haftalltag zurückkehren.
Nicht zuletzt werde auch
ich selbst natürlich gut genährt von meinen eigenen
Predigtgedanken...
Jesu Antwort, dass der
Mensch nicht vom Brot allein lebe, deutet an, worum es eigentlich
geht: Nicht um das Menschengemachte, das kurzfristig den Geist
sättigt, sondern um die langfristig nährende Kraft Gottes, die
durch meine Wort im besten Falle hindurch scheinen kann.
Wichtig ist doch, was
zwischen der Seele des Einzelnen und Gott passiert, nicht ob sich
jemand in zwei Wochen noch an meine Predigt erinnert.
"All die
Macht und Herrlichkeit dieser Reiche will ich dir geben"
(v6), lautet folgerichtig der zweite Anlauf des Versuchers.
Es ist der Wunsch nach
Macht und Einfluss, den ich als Prediger und Seelsorger natürlich
auch spüre. Wie gern würde ich nicht nur nähren, sondern auch die
richtigen Wege weisen und tolle Lösungen liefern. Habe ich doch oft
den Eindruck, die Probleme des Gegenübers viel besser zu sehen und
dementsprechend helfen zu können.
Im Bild der ersten
Versuchung: Durch meine tollen Worte werden die harten Herzen weich.
Ich habe es vollbracht.
Die Versuchung, hier
manipulativ zu werden, liegt auf der Hand.
Besonders sensibel hat
mich die Lektüre von Doris Wagners aktuellem Buch "Spiritueller
Missbrauch in der katholischen Kirche" gemacht (dem ich bald
noch ein paar mehr Zeilen widmen will). Ihre Kernthese ist eine
Forderung, nämlich die nach "spiritueller Selbstbestimmung".
Wo Menschen auf ihrem geistlichen Weg unter dem Einfluss anderer
gehalten werden und sich ihre spirituellen Ressourcen nicht frei
gewählt selbst suchen können, dort beginnt der "spirituelle
Missbrauch". Besonders geistliche Begleiter sind bisweilen
in der Versuchung, "eine Art spirituelles Lieblingsprogramm"
abzuspulen, das nicht auf die Bedürfnisse der Begleiteten eingeht,
sondern ihnen fremde Sichtweisen überzustülpen.1
Jesus weist in seiner
Entgegnung auf Gott hin, dem die Macht gehört und die Verehrung
gebührt. Für den Prediger und Begleiter bedeutet das, in
freilassender Weise auf Gott hinzuweisen.
"Stürz
dich von hier hinab, denn es heißt in der Schrift: Seinen Engeln
befiehlt er, dich zu behüten" (v9f), probiert
es der Teufel schließlich zum dritten Mal.
Dahinter steckt die (im
Vergleich zu Jesus etwas verschobene) Frage: Wie groß ist mein
Glaube?
Sehe ich die Gesichter der
Gottesdienstbesucher vor mir, oder, wie heute, die Banknachbarinnen
und -nachbarn um mich herum, dann besteht die Versuchung darin, mich
innerlich über sie zu erheben und mein Vertrauen in Gott für
stärker zu halten.
Beschäftige ich mich
nicht viel öfter mit religiösen Themen? Gehe ich nicht regelmäßiger
in die Kirche? Versuche ich nicht, viel inständiger zu beten?
Schenke ich Gott nicht mehr Zeit und Raum in meinem Herzen?
Wäre ich ehrlich, müsste
ich immer sagen, dass ich das alles überhaupt nicht weiß. Aber die
Überheblichkeit besteht ja gerade darin, sich selbst als besser,
frommer, gläubiger anzusehen – und dann eventuell, siehe
Versuchung zwei, aus dieser Vorstellung abgeleitet Macht über andere
auszuüben.
Dieser Text erinnert mich
als gläubigen Menschen, als Seelsorger und als Prediger immer wieder
daran, dass ein selbstkritischer Blick auf das eigene Handeln, Reden
und Denken immer wieder dran ist.
Welche Spuren hinterlassen? Eisfläche, Waren /Müritz, 2016. |
1 Vgl.
D. Wagner, Spiritueller Missbrauch
in der katholischen Kirche. Freiburg i.Br. 2018, 42. 83.