Dienstag, 26. März 2019

Freiheitsgewinn 2 - Der Frauenbefreier Jesus in "Maria Magdalena" von Garth Davis

Ein Film über Maria Magdalena muss viele Klippen umschiffen.
Eine erste Klippe besteht darin, die Beziehung von Jesus und Maria als Liebesgeschichte zu erzählen und aus dem Verhältnis von Jüngerin und Meister eine Seifenoper zu machen. Dann kann es sein, dass die phantasievoll ausgemalten sozialen Konflikte (Maria als Prostituierte am Rand der Gesellschaft etc.) breiten Raum einnehmen und die religiöse Botschaft des Jesus von Nazareth dahinter verschwindet. Manchmal werden auch ahistorisch die heutigen Probleme (beispielsweise mit religiösen Autoritäten) in einen Film hineingetragen.
Eine Insel im See.
Müllrose, 2017.
Dem Film mit dem schlichten Titel "Maria Magdalena" aus dem Jahr 2018 mit Rooney Mara und Joaquin Phoenix in den Hauptrollen gelingt dieser Ausweichparcour größtenteils. Die Beziehung zwischen Jesus und Maria ist als intensive innere Verbindung, aber nicht als Romanze gestaltet; die verschiedenen Konflikte sind nachvollziehbarer Auslöser dafür, dass der Film in Gang kommt.
Herausgekommen ist eine stille und einigermaßen schlicht ausgestattete Geschichte, die weitgehend von der Präsenz ihrer Darstellerinnen und Darsteller lebt.

Maria Magdalena erlebt die Begegnung mit dem heilenden Wanderprediger Jesus als Befreiung aus dem Kerker der gesellschaftlichen und familiären Zwänge, in denen sie steckt – das ist uns heute weitgehend fremd, in Marias Lebensumfeld war diese Befreiung jedoch hochgradig vonnöten.

Dass sie lieber in die Synagoge beten geht und anderen Frauen bei ihren schweren Geburten hilft, gilt ihrem männlichen familiären Umfeld nicht als Lebensmodell. Ihr Vater und ihr Bruder sehen in Marias Ehelosigkeit einen Dämon am Werk und glauben, diesen austreiben zu müssen.
Jesus erscheint in dieser Situation als Überwinder der religiösen Gewalt, als Befreier, der in dieser Frau keinen Dämon erkennen kann, sondern Gottes Ruf.

Dementsprechend folgt Maria der kleinen Männergruppe um Jesus bei nächster Gelegenheit. Ihr religiöser Weg ist zugleich ein Ausbruch aus dem kleinlich-religiösen Lebenswandel ihrer Familie.
Es ist ein starkes und ergreifendes Lebensdrama, das uns da gezeigt wird.

Allerdings geraten die männlichen Jünger Jesu auf diese Weise etwas holzschnittartig. Die eine mitwandernde Frau schädige den Ruf der ganzen Botschaft und mache Jesus unglaubwürdig, wird ihr von Petrus vorgeworfen. Jeder der Jünger hat seine eigenen Vorstellung von der Botschaft Jesu, wegen der er ihm folgt. Beispielhaft sei Judas genannt, der hofft, bei der Ausrufung des Gottesreiches seine verstorbene Familie wieder zu sehen – und schwer enttäuscht wird, worauf er Jesus verrät.
Das ist für sich jeweils kein Beinbruch.
Aber hier wird erkennbar, dass der Film seine Agenda vom Frauenbefreier und einsamen geistlichen Revolutionär Jesus voranbringen will – das geschieht bisweilen auf Kosten der Glaubwürdigkeit und, hier den Evangelien nicht unähnlich, in starker Kontrastierung zum Denken und Handeln der Jünger. Anders als in den Evangelien hat Jesus im Film aber wenigstens eine Person voll und ganz auf seiner Seite – und das ist Maria.
Die Jünger machen Pläne und entwerfen Strategien, wie das Reich Gottes kommen soll – aber sie verstehen Jesus eigentlich nicht – aber Maria kann ihr aus ihrer Erfahrung der Ausgrenzung heraus am besten verstehen. Das ist biblisch nicht bezeugt, aber gut ausgedacht und dick aufgetragen rübergebracht.

Kurz: Leider greift der Film für seine wichtige Botschaft manches Mal zum Holzhammer, wo es auch der Taktstock getan hätte.

Zeit für Aufbruch.
Hiddensee, 2018.
An anderen Stellen wiederum finde ich ihn theologisch sehr überzeugend. So, wenn Jesus seine Botschaft verkündet und die Bekehrung darin sieht, dass Alltag und Religion nicht voneinander getrennt werden. Dass die Zuwendung zu Gott darin besteht, das eigene Herz verwandeln zu lassen. Dass wir uns Gottes Zuwendung nicht durch Opfer erkaufen können.

Auch die genannte Befreiungserzählung, die das Grundmotiv der Geschichte darstellt, finde ich theologisch äußerst relevant. Zwar verhandelt der Film viele heutige Fragen auf sehr heutige Weise – aber wir müssen uns als (katholische) Christen eben auch fragen lassen, wie es sein kann, dass die Verkündigung der revolutionären Botschaft Jesu immer noch in einem derart patriarchalen Umfeld gefangen ist.

Hier kann der Film von Garth Davis gute Anregungen dafür geben, die Befreiungspotenziale des Christseins neu fruchtbar zu machen: Jesus, der Überwinder religiöser Gewalt; Jesus, der Befreier; Jesus, der zum Ausbruch aus Starre und Enge inspiriert.

Vielleicht kann die Kirche dann als Verheißung verstehen, was der Film am Ende etwas utopisch verkündet: Nachdem Maria Magdalena den verängstigten Jüngern die Frohe Nachricht von der Auferstehung bringen will und abgewiesen wird, lässt sie sich nicht weiter demütigen, sondern zieht als „Apostolin der Apostel“ los und wagt einen Aufbruch der Frauen.