Ein Film über Maria
Magdalena muss viele Klippen umschiffen.
Eine erste Klippe besteht
darin, die Beziehung von Jesus und Maria als Liebesgeschichte zu
erzählen und aus dem Verhältnis von Jüngerin und Meister eine
Seifenoper zu machen. Dann kann es sein, dass die phantasievoll
ausgemalten sozialen Konflikte (Maria als Prostituierte am Rand der
Gesellschaft etc.) breiten Raum einnehmen und die religiöse
Botschaft des Jesus von Nazareth dahinter verschwindet. Manchmal
werden auch ahistorisch die heutigen Probleme (beispielsweise mit
religiösen Autoritäten) in einen Film hineingetragen.
Eine Insel im See. Müllrose, 2017. |
Dem Film mit dem
schlichten Titel "Maria
Magdalena" aus dem Jahr 2018 mit Rooney Mara und
Joaquin Phoenix in den Hauptrollen gelingt dieser Ausweichparcour größtenteils. Die Beziehung zwischen Jesus und Maria ist als
intensive innere Verbindung, aber nicht als Romanze gestaltet; die
verschiedenen Konflikte sind nachvollziehbarer Auslöser dafür, dass
der Film in Gang kommt.
Herausgekommen ist eine
stille und einigermaßen schlicht ausgestattete Geschichte, die
weitgehend von der Präsenz ihrer Darstellerinnen und Darsteller
lebt.
Maria Magdalena erlebt die
Begegnung mit dem heilenden Wanderprediger Jesus als Befreiung aus
dem Kerker der gesellschaftlichen und familiären Zwänge, in denen
sie steckt – das ist uns heute weitgehend fremd, in Marias
Lebensumfeld war diese Befreiung jedoch hochgradig vonnöten.
Dass sie lieber in die
Synagoge beten geht und anderen Frauen bei ihren schweren Geburten
hilft, gilt ihrem männlichen familiären Umfeld nicht als
Lebensmodell. Ihr Vater und ihr Bruder sehen in Marias Ehelosigkeit
einen Dämon am Werk und glauben, diesen austreiben zu müssen.
Jesus erscheint in dieser
Situation als Überwinder der religiösen Gewalt, als Befreier, der
in dieser Frau keinen Dämon erkennen kann, sondern Gottes Ruf.
Dementsprechend folgt
Maria der kleinen Männergruppe um Jesus bei nächster Gelegenheit.
Ihr religiöser Weg ist zugleich ein Ausbruch aus dem
kleinlich-religiösen Lebenswandel ihrer Familie.
Es ist ein starkes und
ergreifendes Lebensdrama, das uns da gezeigt wird.
Allerdings geraten die
männlichen Jünger Jesu auf diese Weise etwas holzschnittartig. Die
eine mitwandernde Frau schädige den Ruf der ganzen Botschaft und
mache Jesus unglaubwürdig, wird ihr von Petrus vorgeworfen. Jeder
der Jünger hat seine eigenen Vorstellung von der Botschaft Jesu,
wegen der er ihm folgt. Beispielhaft sei Judas genannt, der hofft,
bei der Ausrufung des Gottesreiches seine verstorbene Familie wieder
zu sehen – und schwer enttäuscht wird, worauf er Jesus verrät.
Das ist für sich jeweils
kein Beinbruch.
Aber hier wird erkennbar,
dass der Film seine Agenda vom Frauenbefreier und einsamen
geistlichen Revolutionär Jesus voranbringen will – das geschieht
bisweilen auf Kosten der Glaubwürdigkeit und, hier den Evangelien
nicht unähnlich, in starker Kontrastierung zum Denken und Handeln
der Jünger. Anders als in den Evangelien hat Jesus im Film aber
wenigstens eine Person voll und ganz auf seiner Seite – und das ist
Maria.
Die Jünger machen Pläne
und entwerfen Strategien, wie das Reich Gottes kommen soll – aber
sie verstehen Jesus eigentlich nicht – aber Maria kann ihr aus
ihrer Erfahrung der Ausgrenzung heraus am besten verstehen. Das ist
biblisch nicht bezeugt, aber gut ausgedacht und dick aufgetragen
rübergebracht.
Kurz: Leider greift der
Film für seine wichtige Botschaft manches Mal zum Holzhammer, wo es
auch der Taktstock getan hätte.
Zeit für Aufbruch. Hiddensee, 2018. |
An anderen Stellen
wiederum finde ich ihn theologisch sehr überzeugend. So, wenn Jesus
seine Botschaft verkündet und die Bekehrung darin sieht, dass Alltag
und Religion nicht voneinander getrennt werden. Dass die Zuwendung zu
Gott darin besteht, das eigene Herz verwandeln zu lassen. Dass wir
uns Gottes Zuwendung nicht durch Opfer erkaufen können.
Auch die genannte
Befreiungserzählung, die das Grundmotiv der Geschichte darstellt,
finde ich theologisch äußerst relevant. Zwar verhandelt der Film
viele heutige Fragen auf sehr heutige Weise – aber wir müssen uns
als (katholische) Christen eben auch fragen lassen, wie es sein kann,
dass die Verkündigung der revolutionären Botschaft Jesu immer noch
in einem derart patriarchalen Umfeld gefangen ist.
Hier kann der Film von
Garth Davis gute Anregungen dafür geben, die Befreiungspotenziale
des Christseins neu fruchtbar zu machen: Jesus, der Überwinder religiöser Gewalt; Jesus, der Befreier; Jesus, der zum Ausbruch aus Starre und Enge inspiriert.
Vielleicht kann die Kirche
dann als Verheißung verstehen, was der Film am Ende etwas utopisch
verkündet: Nachdem Maria Magdalena den verängstigten Jüngern die
Frohe Nachricht von der Auferstehung bringen will und abgewiesen
wird, lässt sie sich nicht weiter demütigen, sondern zieht als
„Apostolin der Apostel“ los und wagt einen Aufbruch der Frauen.