Ein wichtiges Thema der beginnenden
Fastenzeit ist der Aufruf zur Umkehr.
Dort, wo ich falsch gegangen bin, dort,
wo ich meinen Nächsten verletzt habe, dort, wo ich Schuld auf mich
geladen habe, dort bin ich aufgefordert, umzukehren.
Oft genug gehört dazu, um Vergebung zu
bitten.
Aber es müssen mehrere Hindernisse
bewältigt werden, wenn ich diese Bitte aussprechen will:
1. Oft genug versuche ich als
erstes, mich zu entschuldigen.
Hinauf! Ins Licht! Wilmersdorf, Berlin, 2018. |
Doch ich kann mir meine Schuld nicht
selbst wegnehmen – was "mich entschuldigen" ja genau
genommen heißt.
Vielmehr bitte ich die Person, an der
ich schuldig geworden bin, darum mir zu verzeihen.
Das kostet enorme Überwindung - und
führt damit zum zweiten Hindernis.
2. Oft genug schaffe ich es nicht,
um Vergebung zu bitten.
Ich selbst kenne das, wenn die
Situation einfach noch zu aufgeheizt ist und der Andere maulend
rausgeht oder mit der Tür knallt, so dass ich jetzt erst recht keine
Lust mehr habe, meinen Teil der Schuld einzugestehen. Dann muss ich
erst einmal tief durchatmen und emotional runterkommen.
Besonders anstrengend finde ich das im
Straßenverkehr, wo die Einsicht, selbst etwas falsch gemacht zu
haben, gerade in einer Stadt wie Berlin nur selten vorhanden ist.
In solchen Situationen rege ich mich
besonders schnell auf und werde auch aggressiv, aber bevor sich die
Sache entspannen kann, ist die Person auch schon wieder weg.
Das korrespondiert mit einem weiteren
Hindernis:
3. Oft genug gibt es gar keine
Instanz, bei der ich Vergebung finden kann.
Im Straßenverkehr (und auch sonst
manchmal) ist die Person, an der ich schuldig geworden bin, schon
wieder fort.
Auch bei manch anderer Art von Schuld,
wie zu hoher Alkoholkonsum oder Steuerhinterziehung, haben keinen
direkten Adressaten, der dies verzeihen kann.
Doch dieses Hindernis geht noch tiefer:
Wohin wendet sich ein Mensch, der an keine göttliche Instanz über
sich glaubt, wenn er mit Schuld und Vorwürfen seines Gewissens zu
kämpfen hat? Wo findet er Vergebung?
Manche Menschen, die für eine Straftat
verurteilt wurden, gehen davon aus, dass die Vollstreckung eines
Urteils dafür sorgt, dass sie anschließend "ent-schuldigt"
aus dem Gefängnis gehen. Im juristischen Sinne mag das auch stimmen.
Allerdings ist es zwar die Aufgabe der Justiz, Verbrechen zu ahnden,
und demzufolge sitzen viele Verurteilte im Knast dann ihre Strafe ab,
aber der Freiheitsentzug schenkt keine Vergebung – höchstens das
Gefühl, nun lang genug gesessen zu haben.
Wenn sich jemand also mit seiner
Schuld, sei sie nun strafrechtlich relevant oder nicht,
auseinandersetzt, dann wird er (oder sie) irgendwann an den Punkt
kommen, dass bei allen Relativierungen, bei aller Schuld der
Gegenseite, bei allen zwecklosen Versuchen, Vergebung zu erlangen,
irgendwann die Frage im Raum steht, wie man dieses Geschenk der
Vergebung denn nun bekommen kann.
Für nicht wenige wird dies zu einer
existenziellen Frage: Wer vergibt mir all den Mist, den ich in meinem
Leben falsch gemacht habe? Wie finde ich die innere Freiheit wieder,
die Vergebung mir schenken kann?
Garben, stehend. Neuendorf, Hiddensee, 2018. |
4. Ein barmherziger Vater
Wenn wir uns die Geschichte vom
verlorenen Sohn anschauen (Lk 15,11-32), die Jesus im Lukasevangelium
erzählt, dann hören wir von einem Draufgänger, der sich mit seinem
Erbe davonmacht und den Vater sitzen lässt. Das Geld, das ihm
eigentlich erst nach dem Tod des Alten zusteht, zieht der Junge ihm
aus der Tasche, während er noch am Leben ist und es selbst benötigt.
Für den Sohn ist der Vater nichts mehr wert, er braucht ihn nicht
mehr, jetzt, wo er das Geld hat.
So mit Geld und Schuld beladen, geht er
von dannen und macht sich ein schönes Leben. Als dieses mangels Geld
endet, steht er allein da. Er versucht noch kurz, mit Arbeit über
die Runden zu kommen, aber merkt schnell, dass er dort nicht
weiterkommt.
Nun kommt die entscheidende Stelle
(v18f): Der Sohn im Gleichnis weiß, wohin er gehen kann, um
Vergebung zu erbitten!
"Ich
will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater,
ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt. Ich bin
nicht mehr wert, dein Sohn zu sein; mach mich zu einem deiner
Tagelöhner!" (Lk 15,18f.)
Obwohl er seinen Vater so furchtbar
behandelt hat, ist die innere Verbindung zu ihm noch nicht ganz
abgerissen und er will um Verzeihung bitten.
Obwohl der Vater nicht anwesend ist,
macht er sich Gedanken – und schließlich auf den Weg.
Obwohl er dem Vater gesagt hat, dass
der für ihn schon nicht mehr existiert – wagt er es dennoch.
Der Sohn macht also das, was Fastenzeit
will: Er kehrt um. Außerdem will er sich vor seinem Vater
erniedrigen, weil ihm klar wird, wie furchtbar sein Verhalten war.
Aber er weiß nicht, was wir schon
wissen:
Es erwartet ihn ein Vater, der ihn in
die Arme nimmt. Der nicht straft. Nicht schimpft. Nicht Genugtuung
und Sühne und Erniedrigung will.
Sondern sich einfach freut, dass der
Verlorene zurückkehrt.
Das ist toll. Denn dieses Gottesbild kann sehr befreiend sein.
5. Und wir
Unser Problem ist nur:
Wir erwarten schon die Vergebung vom
"lieben Gott". Wir rechnen heimlich schon mit einem Gott, der uns vergibt.
Nicht wie der Sohn, der sich noch voll Angst
und Zittern auf dem Weg machte.
Wir glauben, dass der liebe Gott schon
kommen wird, wenn es ihm so wichtig ist. Dass er uns schon aus der
Scheiße ziehen wird, in die wir uns noch einmal extra reinsetzen.
Und tatsächlich hat er das in Jesus
getan. Hat sich auf den Weg gemacht, um uns zu suchen.
Aber wozu braucht es dann noch unsere
Umkehr?
Umkehr kann dann nur noch bedeuten,
dass wir uns nicht mehr verstecken vor ihm.
Dass wir unsere Schuld anerkennen. Dass
wir sie loswerden wollen.
Dasss wir ihm unser stolzes, unser
ärgerliches, unser liebloses und unser neidisches Herz hinhalten.
Und ihn bitten: Vergib mir.
Dann kann er uns befreien und heilen. Uns Auferstehung schenken.
Neuer Aufgang. Kirchmöser, 2017. |